Eiszeitende und der Übergang in das Jungpaläo- und Mesolithikum
Etwa 20000 v. Chr. zogen sich die Eismasse allmählich bis in die höher gelegene Bergregion zurück und im Alpenvorland sowie nahe dem Alpenrand wuchsen erste Bäume. Rentier- und Pferdeherden zogen durch die Landschaft und lockten die ersten steinzeitlichen Jäger an die Berge heran. Wie beispielsweise in die Talsenke am Ablauf des Illasbergsees am nördlichen Forggenseeufer, wobei ein sogenannter Doppelstichel in die Jahre um etwa 12000 v. Chr. datiert werden kann. Und damit endet in Mitteleuropa die Würm-Eiszeit als das letzte landschaftsprägende Glazial mit einem rasanten Temperaturanstieg und dem Übertritt vom Pleistozän in das Frühholozän. Die Aussage 'rasant' entspricht jedoch lediglich dem Maßstab einer erdgeschichtlichen Betrachtung, für den Menschen besser fassbar vollzieht sich diese Entwicklung von etwa -15°C im Jahresdurchschnitt hin zu +3°C während einer Zeitspanne von 2000 Jahren.
Auch die Umweltbedingungen ändern sich durch die Klimaerwärmung drastisch. Zunächst bildet sich eine weitläufige Tundra aus, welche nach und nach durch große, zusammenhängende Waldgebiete ersetzt wird. Etwa im 7. bis 6. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung wird das Maximum dieser bis heute andauernden - sich aber kontinuierlich abkühlenden - Warmphase erreicht. Die Vergletscherung in den Alpen ist nachmals wesentlich kleiner als heute, die Baumgrenze liegt dadurch bedeutend höher und die klimatisch günstigen Bedingungen erlauben einen ersten nacheiszeitlichen Anstieg der Bevölkerungszahlen nördlich des Alpenbogens.
spätpaleolithisches Abri am Weißenseeberg
steinzeitlicher Fund nahe Roßhaupten
Mit etwa 11500 Jahren
(+/- 300 Jahre) wird ein Abri unterhalb der Seewände am Weißenseeberg angegeben. Die damalige Lebensgrundlage bildete die Jagd, der Fischfang und das Sammeln von Beeren und Früchten, welches die Jägergruppen als Nomaden durch die Jagdgebiete streifen ließ. An den zumeist im eher randalpinen Raum auffindbaren Rastplätzen werden auch immer wieder geschlagene Steingeräte aus Radiolarit bzw. Spikulit gefunden, welche zum Teil auch von fernen Abbaustätten (z.B. Fränkisches Jura) hierher gelangt sind.
Unter der Leitung der Archäologin
Birgit Gehlen fanden am Weißenseeberg Mitte der Achtziger Jahre des vorangegangenen Jahrhunderts mehrere Grabungskampagnen statt. Die zeitliche Einordnung reicht hier also in das Spätglazial - das sogenannte Alleröd - zurück.
Ob die Höhlengänge südlich, oberhalb von Unterpinswang - dort wo sich heute die ruinösen Reste der Höhlenburg "
Schloss Loch" finden - ebenfalls als steinzeitliches Jägerlager dienten konnte bisher nicht geklärt werden. Da es sich aber im Grunde um den selben Höhenzug handelt und die räumliche Entfernung sehr gering ausfällt und überdies um eine südliche Hangexposition handelt, ist bei dieser Annahme mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Darüber hinaus findet sich aber auch im Bereich der Hangenden Wand (Ländeweg) ein historisch belegbarer Lagerplatz aus mesolithischer Zeit, welcher sich ganz ähnlich wie jener bei Pinswang ausnimmt.
In den Zeitraum der maximalen Temperaturspitzen um 8000 v. Chr., also dem Frühmesolithikum mit zunehmend dichter Bewaldung, fällt das steinzeitliche Jägerlager - auf der nachmaligen Alpe Schneiderküren - am Fuße der Gottesackerwände im Bereich des Hohen Ifens gelegen. Zu diesem Jägerlager zählen noch weitere steinzeitliche Stationen, welche einen Urpfad quer durch das Kleinwalsertal erahnen lassen. An besagten Stationen konnten durch mehrere Grabungskampagnen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Innsbruck zahlreiche Steinwerkzeuge, ein
Schlagplatz, ein umfangreiches Feuerstein-Depot als auch eine durch den damaligen Menschen genutzte Abbaustätte des Radiolarit-Gesteins freigelegt und erforscht werden.
Die hier gewonnen Steinwerkzeuge erfuhren eine Verbreitung im nahen Allgäu bis in den Großraum Alpenrheintal.
Die von dem Archäologen Sigulf Guggenmos im Bereich des Forggensees, genauer dem Ausgang des Tiefentals, aufgefundenen mesolithischen Steinwerkzeuge stammen wohl ursprünglich wie die meisten im oberen Lechtal gebräuchlichen Gegenstände aus Radiolarit und Spikulit aus dem Bereich des Donau-Durchbruches bei Weltenburg/Kehlheim. Eine Holzkohleprobe von der mesolithischen Fundstelle
Forggensee 2 ergab ein C14-Datum von 7980
+ 80 vor heute [
Einzelnachweis].
Silex
Silex ist der Überbegriff für jene Gesteine aus Siliciumdioxid (SiO2), welche sich durch ihr scharfkantiges Bruchverhalten ideal zur Herstellung von Steingeräten eignen. Gerade im Bezug auf die Steinzeit-Forschung im alpinen Bereich sind Funde von Steinwerkzeugen besonders wichtig um Verbindungswege und Berührungspunkte verschiedener Kulturgruppen und den technologischen Austausch derer besser nachvollziehen zu können.
Auch im Gebiet der Lechtaler Gemeinde Bach im Lechtal hat ein Innsbrucker Forschungsteam einen solchen Radiolarit- und Hornsteinaufschluss genauer untersucht. Den vorsichtigen Einschätzungen der Experten zufolge, könnte am Rothornjoch etwa ab dem 6. Jahrtausend vor Christus eine Feuerstein-Abbaustätte bestanden haben. Ein Zusammenhang der beiden genannten Silex-Lagerstätten erscheint dabei durchaus als wahrscheinlich. Räumlich trennen diese beiden nämlich gerade einmal rund 13 Kilometer Luftlinie und auch hier findet sich mit dem Weg durch das Höhenbachtal - heute in etwa dem E5-Weitwanderweg entsprechend - ein mutmaßlicher "Urpfad" in dessen Nähe.
Nördlich an den vorgenannten Urpfad anschließend finden sich mehrere mesolithische Fundstätten im Bereich des Ochsenberges bei Tiefenbach und dem Landstrich um Oberstdorf. Bereits in den 1930er-Jahren begann der kroatische Adlige und Hobbyarchäologe
Christoff Graf von Vojkffy mit der systematischen Erforschung des Oberstdorfer Talbeckens. Gleich an mehreren Stellen wurde er fündig und förderte im Laufe mehrerer Jahre über 680 Steinwerkzeuge aus heimischem
Radiolarit zu Tage.
Auch im direkten Umfeld des Rothornjochs gibt es Hinweise auf zeitlich beschränkte Lager (Stationen), etwa westlich der Mutte oder in der Mutte-Südflanke selbst. Möglicherweise gibt es zwischen dem Silexabbau und den Lagern eine Verbindung (spekulativ).
Jagdstation der Steinzeit - der Ochsenberg
Silex-Abschläge vom Rothornjoch
Ob der Silex aus dem Gebiet des Kleinwalsertals und des Höhenbachtals auch im östlichen Allgäu zum Einsatz kam, muss noch geklärt werden - gilt aber als wahrscheinlich. Jedenfalls kamen im Verlauf der letzten 60 Jahre zahlreiche steinzeitliche Lagerplätze zum Vorschein. Gerade im Uferbereich des Forggensees wurden mehrere davon lokalisiert und zum Teil archäologisch untersucht. Weitere Fundstellen in dem Gebiet: Bannwaldsee-Judenberg, Brunnen, Faulenbach, Hopfen-Enzensberg, Hopfensee, Hopferau-Pertlesbichl, Horn-Frauenberg (bei Schwangau), Nesselwang, Pfronten (Ösch und Berg [Hörnle]), Roßhaupten und Schwangau-Mühlberg.
Interessant an den Funden vom Forggensee ist der Umstand, dass die Netzwerkbildung dieser Zeit (rund 7000 v. Chr.) aber zum allergrößten Teil über den Alpenhauptkamm hinweg geschieht. Wohingegen von kulturellen Berührungspunkten mit dem Nahen Bodenseeraum zumindest bisher recht wenig belegbares aufgefunden wurde. Vor allem die gesichert festgestellte Verbindung in das Etschtal kann dabei durchaus die Wahrscheinlichkeit der Nutzung dieser Trasse, auf welcher rund siebentausend Jahre später einmal die
Via Claudia Augusta verlaufen wird, bereits im Mesolithikum unterstreichen.
Erst nach dem 6200-Ereignis, auch als Misox-Schwankung bezeichnet - eine Klimaschwankung der nördlichen Hemisphäre, welche nachweislich die Kulturentwicklung beeinträchtigt hat - zeigen sich erste Annäherungen und ein technologischer Austausch zum Oberen Donauraum hin. Die Funde zeigen darüber hinaus auch, dass die Lagerplätze über relativ lange Zeiträume immer wieder von der vermutlich selben Gruppe angesteuert werden.
Neolithikum
Mit dem Eintritt in das Zeitalter des Neolithikums beginnt ein Wandel - weg von der Kultur der Jäger und Sammler, hin zum sesshaft werdenden Bauern. Die nährstoffärmeren Böden des unmittelbaren Alpenvorlandes konnten die Menschen jener Zeit nicht ernähren. Die ersten dauerhaften Ansiedlungen der sogenannten bandkeramischen Kultur um etwa 5500 v. Chr. fanden sich deshalb weiter im Norden, auf Höhe Marktoberdorf, Kaufbeuren, Schongau und vorrangig am Lauf der Donau, im Bereich jener ertragreichen Lößböden welche aus den eiszeitlichen Ablagerungen entstanden waren. Einzig für den Auerberg ist ein Getreideanbau wesentlich weiter südlich in dieser Zeit nachgewiesen (Langegger Filz).
Einer der ältesten neolithischen Funde stammt jedoch nicht, wie erwartet werden könnte, aus den Lößgebieten im nördlichen Allgäu, sondern aus dem voralpinen Raum um den heutigen Forggensee. Dort kam ein
Dechsel, wie er üblicherweise in bandkeramischem Zusammenhang vorkommt, zutage [
Gehlen; 1995].
Einen Hinweis auf die Nutzung der inneralpinen Übergänge am Ende der Jungsteinzeit gibt uns indirekt der wohl berühmteste Alpenbewohner - der "Mann vom Tisenjoch" - besser bekannt unter dem Namen
Ötzi.
Untersuchungen des Mineralienstatus der Zähne, sowie Pollenanalysen lassen gewisse Rückschlüsse auf die zurückgelegten Strecken des Mannes zu, der mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Eisacktal stammte. Seine
letzten Stunden im Leben verbrachte er damit, auf ausgedehnten Streifzügen in der Bergwelt Südtirols über mehrere erhebliche Anhöhen zu steigen. Vermutlich wäre er, hätte man ihn nicht am Tisenjoch getötet, weiter durch das Niedertal in das nahegelegene Ötztal abgestiegen.
Schon seit Jahrtausenden wurden - und werden immer noch - mehrere tausend Schafe von den Südtiroler Weideflächen Sommers über die Jöcher zu den Hochweiden nördlich der Wetterscheide des Alpenhauptkammes getrieben. Bei Vent wurde der "Hohle Stein" schon um etwa 7500 v. Chr. als mesolithisches Jägerlager genutzt, zwischen 4500 und 4000 v. Chr. begann eine Siedlungstätigkeit im Bereich des heutigen Sölden - von Süden! Erst rund 1000 Jahre später, während der sogenannten Kupfersteinzeit, bewegt sich auch der "Mann vom Tisenjoch" auf diesen bereits bestehenden Pfaden. Es bedarf dann eigentlich nur noch wenig Fantasie sich vorzustellen, dass diese Pfade wohl auch entlang weniger anspruchsvollen Streckenabschnitten weiter gegen Norden durch die Täler hinaus in die Ebene nördlich der Alpen geführt haben könnten. Trotzdem lassen sich diese Vermutungen, zumindest für das Außerfern, nicht mit Funden oder anderen Hinweisen untermauern.
Historisch gesichert ist jedoch die Funktion der Flusstäler wie das untere Lechtal oder das Illertal als vorgeschichtlicher Verkehrsweg und als Keimzelle erster Ansiedlungen an den höher gelegenen Flussterrassen, an welche sich die Äcker und das Weideland anschlossen. Die Flussauen und Niederungen an den Flussläufen wurden hingegen nur selten für Siedlungszwecke genutzt.
rekonstruiertes Haus der jungsteinzeitlichen Siedlung Pestenacker
Weiter im Norden des Alpenvorlandes siedeln sich schon bald Individuen der sogenannten Altheimer Gruppe im Bereich des heute als
Pestenacker benannten Dorfes nahe Landsberg am Lech an. Die Geschichte der Pfahlbausiedlung lässt sich bis 3496 vor Christus zurückverfolgen. Mindestens 19 jungsteinzeitliche Kleinhäuser (max. 8 x 4 Meter) standen als Häuserzeilen traufseitig aneinanderstossend entlang eines Hauptweges und wurden von einem umlaufenden rechteckigen Flechtwerkzaun geschützt, sie wurden mittels eines durch Pfosten getragenen Bohlenweges sowie mehrerer Brücken und einer Toranlage erreicht und banden die Moorsiedlung an das steinzeitliche Wegenetz an. Dabei erzählen die archäologischen und zahlreiche dendrochronologischen Befunde von einer bewegten Geschichte der kleinen Ansiedlung. So brannte das kleine Dorf schon vier Jahre nach seiner Errichtung ab und wurde an gleicher Stelle wieder aufgebaut. Nach 15 Jahren der Besiedelung verließen die steinzeitlichen Bauern 3481 v. Chr. ihre Häuser. Erst nach 30 Jahren kehrte eine neue Generation in die auf Pfosten erbauten Häuser zurück.
Die Wände der Häuser waren mit Lehm verputzt und auch die Böden wurden mit einem Estrich aus Lehm verfüllt. Die Räume waren in einen Wohn- als auch einen Wirtschafts- und Stallbereich unterteilt. Im Wohnbereich befand sich stets ein Kuppelofen mit einer Backplatte. Die Tiere hielten sich im Winter vermutlich im Stall auf und wurden in den Sommermonaten auf die Weide getrieben. Der dadurch frei gewordene Raum wurde von den Bewohnern während der Sommermonate sodann als Werkstatt genutzt. Innerhalb der Siedlung fanden sich überdies zahlreiche Spuren von der Herstellung von Geräten und Werkzeugen aus Feuerstein, Knochen, Geweih und Holz. Das Rohmaterial wurde in Form von Knollen oder Platten aus Silex aus dem Donauraum bei Kehlheim bezogen. Als wichtigste Nahrungsquellen dienten Getreidearten wie Einkorn und Emmer, sowie Gerste. Weiters standen Gerichte aus Erbsen und Lein auf dem Speisezettel und an Früchten verzehrten die Siedler wildwachsende Äpfel, Erdbeeren, Brombeeren und Holunderbeeren. Das Fleisch lieferten Pferde, Rinder, Schafe, Ziegen, Schwein und auch der Hund. Die Jagd spielte hingegen keine allzu große Rolle mehr, nicht einmal ein Drittel des Fleischbedarfs wurde durch Rothirsche und Wildschweine gedeckt.