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Die Kröte als Wöchnerin


Eines Abends ging eine Dirne (ein Mädchen) vom Dörflein Oberbach im Lechthale nach Hause und sah am Wege eine gewaltig dicke Kröte sitzen und sprach: "Geh aus dem Wege! Ich will dich dafür gerne pflegen, wenn du einmal in´s Kindbett kommst," und lachte dazu. Nach drei Wochen kam ein Mann zur Dirne und sagte, sie solle mit ihm gehen, indem er sie zugleich an das der Kröte gegebene Versprechen mahnte. Die Dirne folgte dem Manne in den Wald zu einer einsamen Hütte und fand wirklich eine Wöchnerin im Bette liegen; diese pflegte sie fleißig und eifrig als Wärterin, und als die Zeit um war, ging sie nach Hause. Beim Abschied aber hatte ihr der Mann einen Sack voll Kohlen mit der Bemerkung gegeben, ihn beileibe nicht zu öffnen vor der Heimkunft. Die Dirne aber meinte, die ganze Welt würde sie auslachen, wenn sie als Lohn nichts als einen Sack voll Kohlen heimtrüge, öffnete deshalb den Sack am Wege, sobald sie aus dem Walde gekommen war, und schüttete die Kohlen aus. Zu Hause sah sie zu ihrem Erstaunen am Zipfel des Sackes Goldstücke hangen; es waren Teilchen von den Kohlen, die im Sacke geblieben waren und sich Gold verwandelt hatten. Eiligst rannte die Dirne zum Walde zurück; aber sie fand gar nicht mehr den Weg, den sie von dem Manne geführt worden, und den sie zurückgegangen war, und all ihr Suchen nach den leichtsinnig verschütteten Kohlen war vergebens.
Reiser, 1895


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