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Bergheu im Lechtal

Freuden und Leiden eines Lechtaler Bäuerleins



Aus: Außferner Zeitung vom 15.11.1913
Sobald das Frühheu eingeerntet ist, wandert das Lechtaler Bäuerlein mit Sack und Pack auf die Bergwiesen, die zuweilen ziemlich entfernt vom ständigen Aufenthalte liegen. Jetzt werden große Flächen abgeschunden, denn die Ergiebigkeit leidet an solchen Stellen. Es ist den Landwirten sehr recht, wenn in der ersten Zeit keine schönen Tage sind, damit er etwas niederbringt, wenn also Mähtage sind.
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Die ganze Zeit muß da der Heuer auf diesen steilen Wiesen stehen, natürlich mit vollen Fußeisen versehen, die besonders in der ersten Zeit nicht geringe Schmerzen verursachen. Ist das Wetter dann geeignet, so geht es an das Rechen, das auch wieder eine große Arbeit bereitet, man bringt das Gras in "Strangen" und wenn es so nicht dürr wird, muß man Häufchen, "Schochen", machen, die aber nicht alles aushalten, denn wenn es acht Tage regnet, so ist dieses Futter schon bedeutend verdorben. Ist das Gras dürr, haben wir also Heu, so wird dasselbe auf Reiser, das sind Teile von Sträuchern (Bergerlen und dergleichen) gelegt und fährt man damit den Berg hinunter. Zuweilen geht das wegen der Lage nicht an, so muß man das Futter in das Seil bringen und am Kopfe oft eine halbe Stunde weit tragen. Hernach muß man es vielleicht stoßen, d. h. über ganz steile Stellen hinunterkollern lassen, wobei manchmal gefährliche Arbeiten notwendig sind. Bis man das Heu zur Schupfe oder zum Stadel bringt, sind hin und wieder recht große Transporte vorüber; man hat das Heu vielleicht zuerst getragen, dann gestoßen, hierauf am Reife geliefert, darauf wieder getragen, dann manchmal gestoßen und schließlich erst recht weit getragen.

Diese Arbeiten verschlingen den ganzen Sommer, nämlich den Juli u. August. Wenn nach längerer Regenperiode schönes Wetter folgt, da heißt es dann Unmenschliches leisten. Da kann es schon vorkommen, daß die Leute abends vor Müdigkeit nicht mehr sprechen können. Man schwitzt den ganzen Tag in Strömen, trinkt kaltes Quellwasser und möchte man meinen, so etwas müßte den Menschen direkt umbringen, aber, es wird sich schon alles gewöhnen lassen, sonst müßten die Leute hier alle frühzeitig sterben. Entfettungskur brauchen die hiesigen Landleute keine durchmachen, denn jedermann kommt ein paar Kilogramm leichter von den Bergen.

Während dieser Zeit muß man sich auch mit einem sehr primitiven Nachtlager begnügen, man schläft im Heustadel oder in einer Hütte auf einem leidigen Strohsacke. Den ganzen Tag wird nichts Warmes gegessen, man ißt Brot, wenn es gut geht Milch, sonst Wasser, allenfalls etwas Butter, Käse, Speck und Zieger. Abends kann man sich mit einer rauchigen Suppe oder mit einem Türkenmuße mit Ziegenmilch begnügen.

Trotz dieser Mühen und Strapazen hört man von jungen Leuten manchen Jauchzer und Jodler. Oefters kommt es vor, daß die Heuer sich einander gegenüber befinden und da wird dann besonders gejauchzt, da einer den anderen übertreffen will. Verliebte sprechen singend von einem Berge zum anderen. Im Herbste dann gibt es wieder weitere Gefahren für solche Heustöcke, die noch nicht im Tale sind; denn es schneit in dieser Zeit sehr gerne und kommt nicht selten vor, daß eine Lawine das Heuziehen besorgt und das mit vieler Mühe und zahlreichen Schweißtropfen im Sommer gemachte Heu auf Nimmerwiedersehen vergräbt. Das eigentliche Heuziehen beginnt dann im Winter, wenn einmal genügend Schnee vorhanden ist. Alt und jung ist auf den Beinen, Tag und Nacht wird gearbeitet. Die rüstigeren Kräfte gehen voraus, vielleicht einige Stunden früher, oft schon um 10 Uhr nachts, und bringen das Heu in "Burden", die dann noch manchmal den Berg herabgezogen werden müssen. Da kann es auch oft passieren, daß das Heu mit dem Manne durchgeht und daß dann letzterer unter die Burden gerät und dann hintennach voll Schnee aufsteht und wehmütig nachschaut. Oft kann dann noch so ein schadenfroher Zuschauer dazu lachen. Ist das Heu am Wege im Tale, so ziehen es Leute oder auch Zugtiere mit Schlitten nach Hause. Ist oft eine Fahrt, die fünf bis sechs Stunden dauert. Dabei sind auch wieder allerlei Gefahren zu befürchten, das scheu werden der "Mähne" (Tiere), das über den Weg fallen der Burden — und wie diese dann kollern — das Raufen der einzelnen Heubesitzer; denn bei dieser Arbeit sind sie in der Regel so gereizt gestimmt, daß es nicht viel braucht und es setzt Tätlichkeiten ab. Ist man glücklich nach Hause gekommen, dann schöpft man das Heu auf den Boden und nimmt hernach die Mahlzeit ein, wozu in den meisten Fällen der Appetit nicht fehlt.


die Alltagsgegenstände aus dem Leben der Lechtaler Bergheuer - Bergheumuseum an der Jöchlspitze
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