Start » Schnippsel » Die Sorgen des Seelsorgers (1925)
Die Sorgen des Seelsorgers (1925)
Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 7. Feb. 1925
Lawinenunglück in den Lechtaler Alpen. Aus Warth, 5. Februar, schreibt man uns: Heute mußte der elektrische Funke nach Leipzig von hier ein schweres Unglück melden. Prof. Dr. Fritz Bergmann und Bernhard Lorenz sind aus einer Schipartie bei der Abfahrt zum Holzgauer Haus in eine Lawine geraten und von mehreren Leuten tot ausgegraben worden. Beide kamen von Oberstdorf, fuhren in der Nacht über die Lechleitneralm ab, fuhren unvorsichtigerweise am halben Hang eines kleinen, aber scharf zum Finanzwachhaus geneigten Tobels, fuhren auch etwas zu wenig voneinander entfernt und mußten so in tragischer Weise in einer kleinen Lawine nicht 10 Minuten vom Gasthof "Holzgauer Haus" weg, also schon fast am Ziele, ihr Leben lassen. Beide waren tadellos ausgerüstet, aber bei Schneesturm oder bei Tagesneige in fremder Gegend bleibe man besser unter schützendem Obdach. Der eine hatte nur einen halben Meter Schnee auf sich, wäre also, hätte er an dieser gefährlichen Stelle die Schier ausgezogen, und bei Tag wohl mit dem Leben davongekommen.
Aergerlich ist es heute für jeden Seelsorger bei so plötzlichen Unglücksfällen Fremder, wenn man nicht weiß, ob man Katholiken oder Protestanten oder Heiden vor sich hat. Es wäre ein guter Wink für Katholiken, die so weite Partien machen, wenn sie ein diesbezügliches Kennzeichen bei sich trügen und wäre es auch nur eine Muttergottesmedaille. So könnten ihnen gar oft noch die notwendigen Sakramente gespendet werden. Heute stehen im Passe alle möglichen Erkennungszeichen drinnen: Nase und Augen usw. nicht ausgenommen, aber über das, was jedem Katholiken in der letzten Stunde das Notwendigste sein muß, findet sich kein Ausweis. Kaum waren die zwei Toten geborgen, als eine Rettungsmannschaft schon wieder aus wollte, um zwei andere zu suchen, die aber nach Signalen glücklich eintrafen — sie waren totmüde, hatten die Schier abgelegt, waren abgerutscht über den Schnee, waren nach dem Urteile der Einheimischen, die sie ständig beobachteten, genau in derselben Gefahr wie die zwei ersten, die darin umgekommen. Statt sich an sicherem Gelände zu halten, hielten sie die Spur der zwei Verunglückten ein. Von hier nach Oberstdorf wäre eine Markierung durch lawinenfreie Stellen für so viele fremde Schifahrer, die hier durchfahren, sehr angezeigt, ja notwendig und würde sich jeder alpine Verein dadurch große Verdienste erwerben.
Holzgauer-Haus in Lechleiten 1538 m d. Sektion Holzgau d. D. Ö. A. V.
