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Ein Kindsmord (1895)

Kindsmord

Innsbrucker Nachrichten vom 11. Dez. 1895
Heute um 9 Uhr vormittags begann beim hiesigen k. k. Landesgerichte die Schwurgerichtshaupt-Verhandlung gegen [b]Anna Waldvogel[/b] von Akkams, Bez. Immenstadt, in Baiern gebürtig, nach Bach im Lechthale zuständig, 25 Jahre alt, ledig. Taglöhnerin, bisher unbescholten, angeklagt des Verbrechens des Kindsmordes im Sinne der §§ 134 und 139 Str.-G. Den Vorsitz bei dieser Verhandlung führte der k. k. Landesgerichtsrath Dr. Bergmeister, die Anklage vertrat der k. k. Staatsanwaltssubstitut Tschurtschenthaler; die Vertheidigung hatte Dr. Pusch jun. übernommen. Als Sachverständige wohnen der Verhandlung die Herren Universitäts-Professor Dr. Karl Mayer und Universitäts-Docent Dr. Karl Ipsen bei. Die Anklage geht kurz dahin. Anna Waldvogel habe gegen ihr am 3. November 1895 nach 10 Uhr abends in der Landesgebäranstalt in Wilten lebend geborenes, außereheliches Kind männlichen Geschlechtes, in der Absicht, dasselbe zu tödten, bei der Geburt auf eine solche Art gehandelt, dass daraus der Tod des Kindes erfolgte.

Am 5. November vom Untersuchungsrichter vernommen, legte sie nach anfänglichem Leugnen ein Geständnis ab. Sie gab an, dass schon ein Kind von ihr lebe und sich bei ihrem Vater befinde, ein zweites Kind sei, 10 Tage nach der Geburt gestorben. Als sie sich heuer wieder Mutter fühlte, begab sie sich am 3. November in die Landesgebäranstalt. Als sie vor ungefähr acht Tagen von ihrem Vater fortgegangen sei - in der Zwischenzeit trieb sie sich bettelnd in Zirl und Umgebung herum - habe ihr der Vater gesagt, wenn das zu erwartende Kind sterbe, könne sie wieder nach Hause kommen, mit dem Kinde aber nicht; denn er habe genug mit dem ersten Kinde, das er verpflege. Weiter gab sie an, circa 6 Wochen früher habe ihr Vater ihr erzählt, dass der Vorsteher von Bach ihm gesagt habe, wenn er noch für ein Kind der Anna Waldvogel zahlen müsse, so schicke er sie auf 2 Jahre in das Arbeitshaus.

Sie hat nach ihrem Geständnisse auf dem Abort entbunden und das Kind auf das Sitzbrett vor die Abortöffnung gelegt. Das Kind habe geschrieen und da habe sie ihm in der Absicht, es zu tödten, mit der rechten Faust ein paar Schläge auf den Kopf versetzt. Nach diesen Schlägen habe das Kind nicht mehr geschrieen, weshalb sie dachte, es sei gestorben, und es dann in die Abortöffnung warf. Da habe das Kind wieder geschrieen und sie habe nun dasselbe durch die trichterförmige Röhre in den Abort hinabgeschoben; sie habe das Kind in die Jauche fallen und noch einen Schrei desselben gehört, worauf Ruhe eingetreten sei. Mit diesem Geständnisse stimmen auch die Erhebungen überein und durch die Obduktion der Kindsleiche ist constatiert, dass die unnatürliche Mutter mindestens zwei starke Faustschläge gegen den Kopf des Kindes geführt hat, da die Schädeldecke einen Bruch zeigte. Die Angeklagte behauptete in einem spätern Verhöre, sie habe erst auf dem Abort den Entschluss gefasst, das Kind zu tödten, nachdem es bereits auf der Welt war, weil sie sich daran erinnert habe, dass ihr Vater gesagt, sie dürfe mit dem Kinde nicht nach Hause kommen und dass der Vorsteher zu ihm vom Zwangsarbeitshause gesprochen habe. Auch bei der Hauptverhandlung bleibt die Angeklagte bei diesen Angaben stehen. Die Herren Sachverständigen erklären die Angeklagte für geistig zwar sehr beschränkt, aber dennoch zurechnungsfähig. Die Geschwornen (Obmann Herr Dr. Hugo Tschurtschenthaler hier) sprachen die Angeklagte einstimmig schuldig und der Gerichtshof verurtheilte dieselbe unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes zu 3,5 Jahren schweren Kerkers.


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