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Eine Schulmeister-Ordnung für Reutte von 1719

von Professor Dr. Dengel

Serie aus Außferner Bote im August 1928
Im Jahre 1719 kam in Reutte infolge des Abganges des Karl Pracht der Posten eines Organisten und Schulmeisters neu zur Besetzung. Um die Stelle bewarb sich Joseph Riedlinger, gebürtig aus Reutte, dem schon früher einmal, und zwar im Jahre 1697 nach dem Ausscheiden des Ulrich Scherer dieses Amt übertragen worden war. Bürgermeister und Rat zu Reutte setzten eine eigene, mit dem Marktsiegel versehene Urkunde auf, die am 22. Oktober 1719 im Ratshause dem Riedlinger feierlich eingehändigt wurde. Dieses dem Marktarchiv entnommene Schriftstück enthält die folgenden Bestimmungen, welche die Freuden und Leiden der damaligen Schulmeisterei in interessanter Weise beleuchten.

Betreffs den Kirchendienst an Sonn- und Feiertagen in der Pfarrkirche zu Breitenwang und den Dienst den Abend vorher zum Vesper und Litanei als auch betreffs den Dienst bei den Franziskanern im St. Anna Gotteshaus wie noch besonders betreffs den in besagter Mutterkirche zu haltenden Exequien, Begräbnissen u. gest. Jahrtägen samt Kreuzgängen wird die Anordnung der beiderseits ehrwürd. Geistlichkeit überlassen, jedoch wird Ihm Organist und Schulmeister ausgetragen, daß er hiebei jederzeit seinen schuldigen Dienst im Orgelschlagen und Musik erbaulich erfülle.

Wie aber nebst obigem ein Schulmeister bei den Herren Patres Franziskanern nicht verbunden ist, an den zu Schulzeiten zu haltenden Ordensfesten sich gebrauchen zu lassen und der Musik abzuwarten, also wird deshalben derselbe dagegen erinnert und ihm befohlen, an solchen und anderen Tagen der Schule fleißig abzuwarten, jedoch wenn es füglich und es nach dem Stand der Schulverrichtung sein kann, mag er auch alldorten dem Amt der Heiligen Messe dienstlich beiwohnen und solle er die Schulkinder in die Kirche zur andächtigen Beiwohnung des Gottesdienstes begleiten.

Der Schulmeister ist obligiert und schuldig und wird ihm hiemit auferlegt, die ihm zur Schule anvertraute Jugend allerforderst auf die Liebe und Furcht Gottes, sowohl in den wahren, guten christlichen Tugenden als auch Zucht, Ehrbarkeit und Gehorsam zu unterweisen. Der Schulmeister muß, nachdem die Kinder sowohl Vor- als Nachmittags zur Schule insgesamt oder doch die mehreren einkommen, dieselben zum Anfang der Schule anhalten, daß sie allwegs zu Gott ein andächtiges Gebet oder vielmehr das gemeine Gebet des heiligen Geistes sprechen, weniger nicht.

Unter der Schulzeit, so Vormittag bis zehn Uhr und Nachmittag bis einhalb oder vier Uhr dauert, ist aller wachbarer Fleiß zu continuieren und den Kindern keine Vakanz zu gestatten, noch minder ist Vormittag einiges Trinkwasser zuzulassen. Den Kindern ist allen Ernstes zu verbieten, auf der Gasse an die Fuhrschlitten und Wagen aufzusitzen. Der Schulmeister soll nicht allein jederzeit, wie es sich gehört, den schuldigen Fleiß und Emsigkeit erzeigen, sondern auch mit Ernsthaftigkeit ein Kind wie das andere, ohne Unterschied zum Lernen unterweisen, auch selbe, wenn sie es verdienen, mit der Rute gebührlich strafen und gegen solche Kinder, die für faul gefunden werden, ebenfalls mit aller Manier und Bescheidenheit strafweise vorgehen.

Ist den Kindern unter der Woche jedesmal am Donnerstag, wenn in der Woche kein Feiertag einfällt, auch samstäglich nachmittag Vakanz zu gestatten, hingegen soll die sonst während der Schulzeit den Kindern vergönnt gewesene Ruhe - oder Rekreationsstunde außer der Schulbehausung aufgehoben sein. An allen Freitagen und an den Samstagen, wo die Kinder im deutschen Druck unterwiesen werden, sollen selbe auch besonders und vornehmlich in der Petri Canisii, auch anderen notwendigen Stücken der nützlichen christlichen Lehre und heiligen Gebeten instruiert und befaßt gemacht werden, um bei der sonntäglichen Kinderlehre mit Lob bestehen zu können. Nach vollendeter Schule und nach insgemein wieder verrichtetem Gebete sind die Schulkinder dahin anzuweisen und anzuordnen, daß selbe zu dem Gang in die Kirche oder zu den Heiligen Prozessionen paarweise gehen, auch sollen sie wenn sie aus der Gasse von und zur Schule oder sonsten gehen, iedesmal sich erbaulich und still, auch höflich und ganz züchtig aufführen. Auch hat der Schulmeister sein stetes Aufmerken zu tragen, die Kinder, wenn sie aus der Schule gehen, soviel sich tun läßt, nach Hause zu begleiten und keinem weder auf dem Wege noch sonsten in Gotteshäusern und offenen Gassen eine Ungebühr zu gestatten, sondern selbe vielmehr zu guten Sitten zu bringen, wie dann Er Schulmeister noch besonders ins Werk stellen und nicht dulden möge, daß die Knaben in der Pfarrkirche bei den Exequien und Begräbnissen mit Aussprengung des Weihenbrunnens ohne Andacht sich so fahrlässig und ärgerlich sehen lassen, die Knaben müssen bei solcher Gelegenheit und auch in das Beinhaus dem Schulmeister und vorderst dem Herrn Pfarrer in und außer der Kirche andächtig paar- und paarweise vorgehen. Alle Sonntag hat der Schulmeister die Kinder zur christlichen Lehre auf die gewisse Zeit in das Schulhaus einzuberufen und sie sodann zur christlichen Lehre in die Kirche zu begleiten, auch selbiger abzuwarten, damit die Kinder sich hierunter ehrerbietig erzeigen und einstellen.

Im Uebrigen will man sich auf Ihn Schulmeister weiters dahin verlassen, daß er den Kindern jederzeit mit gutem Exempel vorwandle, auch ihnen durch anständige Frömmigkeit und Ehrbarkeit und andere christliche Sitten voranleuchte und sich allwegs bei nüchternem Verstand, ohne Zusichnehmung übermäßigen Trunkes, auch sonst unklagbar aufführe und seinen Dienst also praestiere. Schließlich Er Riedlinger immerhin dem gewohnten, allzuvielen, begierigen Wein und Branntwein-Trunk überliegen sollte, derselbe in solchem Fall nicht anders als der täglichen Suspendation zu gewarten hat, wie denn bemelter Riedlinger auf sein Wohlverhalten von Woche zu Woche acceptiert wird. Dagegen hat sich der Schulmeister mit seinem Wohlverhalten zu verlassen, von jedem Schulkind wegen Lesen- und Schreibenlernens von den hiesigen Pfarrkindern ordinari wöchentlich einzufordern Schulgeld zwei Kreuzer, von jenigen aber, so rechnen, drei Kreuzer, daneben ist mit Anfang Martini bis Georgi wöchentlich auch von jedem Kind ein Scheitholz mitzubringen. Im Falle, daß Er Schulmeister den Kindern Extrastunden gibt, hat er sich einer vermehrten proportionierten Lernung zu praevalieren. An jährlichen Solarien aber bekommt er von dem St. Peter- und Pauls-Gotteshause 30 Gulden, von der Marianischen Rosenkranz-Bruderschaft daselbst ein Gulden 30 Kreuzer, vom St. Anna Gotteshaus in Reutte neben dem Nutzgenusse eines Lußgutes 42 Gulden, von der Bürgerschaft 22 Gulden und von den Umsassen 8 Gulden. Item die Accidentien der Hochzeiten, Begräbnisse, Exequien und gestifteten Jahrtäge nach bisher gehabter Uebung. Jedoch von solchen allen hat vielgedachter Schulmeister der Bürgerschaft Reutte Schulhauszins zu entgelten und abzustatten, jetztmalen jährlich 15 Gulden.


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