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Der Kampf um das Familienbad in Holzgau
Aus: Innsbrucker Nachrichten vom 9. August 1930
In dem schönen Sommerfrischorte Holzgau im Lechtal ist mit erheblichem Kostenaufwand ein größeres Freibad errichtet worden, in dem bis Anfang Juli die zahlreichen Sommergäste Familienbäder nahmen.
Holzgau um 1930
An dieser Art des Badens stießen sich jedoch einige Gemeindegrößen; sie sahen wieder einmal die Sittlichkeit gefährdet, weshalb dann von der Gemeindevorstehung das Familienbad
kurzerhand verboten wurde, ohne Rücksicht darauf, daß durch solche Maßnahmen den Fremden der Aufenthalt verleidet und der für den Wohlstand des Ortes höchst notwendige Fremdenverkehr empfindlich geschädigt wird. Es wurden einfach für beide Geschlechter getrennte Badezeiten dekretiert.
Gegen diese Verfügung brachte der Fremdenverkehrs- und Verschönerungsverein Holzgau einen Rekurs bei der Landesregierung ein, in dem in erschöpfender Weise die Notwendigkeit des Familienbadbetriebes erörtert und die Gründe, die den Gemeindevorstand zu seinem Beschlusse bewogen hatten, widerlegt wurden. Ueberdies brachten eine Reihe von Sommergästen, die ständig Holzgau besuchen, einen
Protest gegen den Gemeinderatsbeschluß
bei der Landesregierung ein. In dieser Kundgebung heißt es u. a.:
„Die Gefertigten sind nach Tirol, bczw. nach Holzgau gekommen, um hier ihrer Gesundheit zu leben. Sie betrachten das Bad als wichtigen Bestandteil zur Erhaltung der Gesundheit und lehnen es entschieden ab, in dieser Richtung einschränkende Verfügungen widerspruchslos hinzunehmen. Insbesonders weisen es die Gefertigten mit Bestimmtheit zurück, als Personen von sittlicher Minderwertigkeit angesehen zu werden, durch deren gemeinsamen Badebetrieb die
öffentliche Moral gefährdet werden könnte.
Wenn der Beschluß des Gemeindeausschusses aufrecht bleiben sollte, werden die Gefertigten die notwendigen Folgerungen ziehen und auch keinen Anlaß finden, in der Oeffentlichkeit zu verschweigen, daß Holzgau fremdenunfreundlich ist und den Wünschen der Sommergäste nicht das nötige Verständnis und Interesse entgegenbringt."
Leider hat auch die Landesregierung kein Verständnis für die Bedürfnisse des Fremdenverkehres aufgebracht. Auch im Innsbrucker Landhause hält man Familienbäder, wenn sie nicht schon sittenverletzend sind, so doch für unnötig. Man erinnere sich hiebei auch anderer Entscheidungen und Verordnungen der Landesregierung, z. B. der famosen Badekleidernorm für das Baden im Lanser See. So lehnte also die Landesregierung auch im Falle Holzgau den Rekurs und Protest ab und gab folgenden Bescheid an das Bürgermeisteramt heraus:
Die Landesregierung hat in ihrer Sitzung vom 24. d. M. beschlossen, den Einsprüchen des Fremdenverkehrs- und Verschönerungsvereines Holzgau gegen den Beschluß des Gemeinderates Holzgau vom 5. Juli 1930 betreffend das Verbot des
Familienbades keine Folge zu geben. Die Landesregierung ging hiebei von folgenden Erwägungen aus: Die Handhabung der Sittlichkeitspolizei im Rahmen des § 39 der G. O. fällt in den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinde. In diesen Aufgabenkreis fällt auch die Beurteilung der Frage, ob nach den örtlichen Verhältnissen der Betrieb eines Familienbades zuzulassen oder zu untersagen ist. Diese Beurteilung muß aber dem freien Ermessen des Gemeinderates überlassen
bleiben.
Es müssen also in Holzgau weiterhin Männlein und Weiblein, selbst wenn sie schon jahrzehntelang verheiratet sind, getrennt baden. Er, der Gatte, vormittags, sie, die Gattin, nachmittags. So will es die hohe Obrigkeit von Holzgau! Die Sittlichkeit ist gerettet; der Fremdenverkehr mag zugrunde gehen. Was brauchen wir auch die Fremden im Land. Uns geht es ja ohnehin gut!
Die unterlegene Partei will aber den Kampf noch nicht aufgeben. Es wird weiter nach Wien rekurriert, und die oberste Instanz soll entscheiden, ob Gemeinden das
Recht haben, Familienbäder zu verbieten.