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Unter Mordverdacht (1928)
Aus: Außferner Bote vom 17. Okt. 1928
Bichlbach, 16. Oktober. Am Samstag verbreitete sich hier die Kunde, daß der 16-jährige Konrad Berktold aus Tarrenz gebürtig und als Zuhirte in Bichlbächle bei Klein-Stockach als Hirte beschäftigt, von den Oberhirten Johann und Karl Baumann in der Nacht ermordet worden sei. Diese Nachricht beruht nicht auf Wahrheit, sondern es hat mit dieser Angelegenheit folgende Bewandtnis:
Die Brüder Johann und Karl Baumann sind wegen Felddiebstahl beschuldigt und wurden in dieser Angelegenheit von der Gendarmerie
einvernommen. Auch Konrad Berktold wurde in dieser Sache von der Gendarmerie verhört. Nun dürften die Aussagen des letzteren, den zwei älteren Hirten unangenehm gewesen sein und verprügelten dieselben am Freitag abends den jungen Hirten. Am Samstag in der früh lag nun Konrad Berktold tot im Bette.
Einer der Brüder meldete dies sofort und als die Gendarmerie im Gesichte des Verstorbenen blaue Flecken wahrnahm, vermutete sie einen gewalttätigen Tod. Dieselbe verständigte sofort die Behörden in Reutte und nachdem der herbeigerufene Amtsarzt Dr. Kapferer ebenfalls einen solchen konstatierte, wurden die Brüder Baumann in Haft genommen und die Leiche nach Kreckelmoos zur Obduktion überführt. Die gestrige Leichenöffnung hat nun ergeben, daß Berktold nicht an gewalttätigem Tod, sondern an einer Lungenentzündung gestorben ist und daß die am Gesichte wahrgenommenen blauen Flecken nicht im geringsten mit einem gewalttätigen Tode etwas zu tun haben. Die beiden verhafteten Brüder werden jedenfalls sofort wieder von der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt.