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Vils in alten Zeiten
"Über das Wallfahrten erzählt man sich auch lustige Anekdoten. Früher sollen solche Pilgerreisen auch als Buße aufgegeben worden sein. So erhielten zwei arme Sünder den Auftrag, mit Erbsen in den Schuhen nach Einsiedeln zu wallfahrten. Sepp taten bei jedem Schritt die Fußsohlen weh. Ulrich marschierte frisch fröhlich dahin. Auf Sepps Frage an seinen Weggefährten, ob er denn die Erbsen nicht spüre, gestand dieser, daß er die Erbsen zuerst gesotten habe.
Vilser Stadtplatz
Zu einem der beliebtesten weltlichen Feste zählte der Vilser Markt. Schon am Vorabend des 21. September begann ein reges Treiben in der Stadt. Bauern aus dem
Vinschgau, die nach zweitägigem Marsch müde ankamen, stellten ihr Vieh in den
Ställen ein. Die müden Viehtreiber erhielten Nachtlager und etwas Warmes zum
Essen in den ihnen schon von früher bekannten Häusern in Vils. Am Markttag wurde das Vieh beim Gasthof "Vilseck" (später war der Marktplatz bei der Käsküche) zum Kauf angeboten. Händler aus dem Allgäu waren gute Abnehmer, sie besiegelten ihren Kauf mit einem Handschlag. Das Vieh, das nicht an den Mann kam, wurde auf den nächsten Markt getrieben. Am Vilser Markt stellten die Reuttener Obsthändler Reiter und Feineler ihre Stände auf. An diesem Tag hielten sich die Kinder besonders an ihre Paten. Es war nämlich Brauch, daß das "Totle" ein paar Trauben oder andere Früchte kaufte, die man sonst während des ganzen Jahres nicht zu sehen bekam, geschweige denn zu essen. Der Obsthändler Reiter kam auch jedes Jahr an den Sonntagen vor Weihnachten nach Vils. Er röstete auf dem Stadtplatz Kastanien und bot sie nach dem Amt den Kirchgängern an. Am Nachmittag des Vilser Marktes wurde in den Vilser Gasthäusern zum Tanz aufgespielt.
Vils um 1880
Frau Kreszenz kann sich noch gut daran erinnern wie sie als Kind die Lanze, mit der ihr Vater zur Nachtwache gegangen war, zum Nachbarn tragen mußte. Bis zum 1.
Weltkrieg hatte also jedes Haus in der Stadt die Pflicht, reihum die Nachtwache zu übernehmen. Man sagte dazu "rieafa gaah". Die Erzählerin meint, daß es wahrscheinlich dadurch, daß im 1. Weltkrieg viele Männer eingerückt waren, ab dort zu einem ständigen Nachtwächter kam. Der Nachtwächter streifte mit wehendem
Umhang und seiner Lanze bei Wind und Wetter durch die Gassen der Stadt und sang
zu jeder vollen Stunde. So konnte man ihn z.B. um 12 Uhr singen hören:
"Hört ihr Herren, laßt euch sagen, der Hammer droben hat zwölf Uhr geschlagen
- zwölf Uhr - bewahret euch vor Licht. Gott behüts!" Frau Kreszenz erinnert sich noch an diese Nachtwächter: Georg Hartmann, Alois Keller, Adolf Megele, Friedrich Kieltrunk, Franz Lochbihler und Hans Walk. Letzterer wachte von 1958 bis 1981 über die nächtliche Stadt. Er erinnert sich auch im Ruhestand noch gern an seine Rundgänge und meint verschmitzt, daß er ein Buch über das städtische Nachtleben schreiben könnte. Natürlich hütet Hans Walk sorgsam seine "Amtsgeheimnisse". Jedenfalls haben die Nachtwächter sicher getreu ihre Pflicht erfüllt, denn es hat in Vils höchst selten einmal gebrannt.
In der modernen Zeit ist der Beruf des Nachtwächters verschwunden. Neulich konnte man per Radio hören, daß man im Zuge der Nostalgiewelle in Deutschland zu besonderen Festen den Nachtwächter wieder für ein paar Tage auferstehen lasse. Gewiß für die Älteren eine nette Erinnerung an ihre Jugendzeit und für die Jugend
etwas Neues."
A.K.