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Die Entstehung der Waldkapelle am Kostaries
(Costaries)
Aus: Außferner Zeitung vom 1. Nov. 1913
Vor mehr als hundert Jahren, als noch in Lech-Aschau eine Gerichtsbarkeit bestand, lebte ein dortiger Beamter, der ein sehr großer Vogelliebhaber war. Um nun die Vögel anzulocken und ihrem Gesange zu lauschen und vielleicht manchen davon zu fangen, legte derselbe an mehreren Orten des Waldes auf freien Plätzen sogenannte 'Vogeltennen' an. Es waren dies dichtbepflanzte
Gehege, welche den Vögeln Schutz und Nistplätze boten. Daneben stand dann eine primitive Hütte für den Beobachter. So war es auch auf dem hochgelegenen 'Kosteris'. Als der besagte Beamte diese Gegend verließ, blieben auch jene Plätze vereinsamt und gingen ein. Nicht so die kleine Hütte auf dem 'Kosteris'. Dieselbe bot den auf- und absteigenden Sennerinnen aus dem Sulztal und den Holzern, die hier ihren Aufstieg nahmen, eine willkommene Raststätte. Zu diesem Zwecke wurde dieselbe allmählich vergrößert und mit Heiligenbildern geziert, bis anfangs des vorigen Jahrhunderts sich mehrere Leute fanden und die kapellenähnliche Hütte neu restaurierten, wobei auch eine lebensgroße Christusfigur Verwendung fand. Diese Figur, welche Christus an einer Säule in sitzender Stellung darstellt, gekrönt mit der Dornenkrone und dem Zepter und Moorrohr samt Essigschwamm, sollen Maurer von Oberammergau bis hieher getragen haben, was gewiß keine Kleinigkeit war, da dieselbe sehr schwer ist.
Im Jahre 1886 brauste ein arger Sturmwind über diese Höhen hin und riß in seiner Gewalt mehrere in der Nähe stehende Bäume um. Einer derselben stürzte mitten auf das Kirchlein und ruinierte es vollständig; merkwürdig war, daß die Christusfigur gar nicht verletzt wurde. Alsbald fanden sich wieder Leute, die die Kapelle
wieder in Stand setzten, besonders war die Familie Bach, vulgo 'Stuehauerbache', sehr daran beteiligt; ein Mitglied derselben, das vor Jahresfrist fast 90 Jahre alt starb, erzählte oft, daß er als Bursche von 16 bis 17 Jahren seinem Vater
die Kapelle habe reparieren helfen. Die Kapelle erhielt sich seit jener Zeit immer im Stande; nun wurde der Holzbau aber doch baufällig und dringend reparaturbedürftig. Zu diesem Zwecke taten sich wieder einige Leute zusammen, die die Sache in Angriff nahmen. Zuerst wurden einige Barmittel gesammelt, um die nötigen Auslagen zu decken. Die Gaben flossen aber so reichlich, daß der Plan gefaßt wurde, das Kirchlein ganz neu herzustellen, und zwar nicht mehr an der alten Stelle, sondern mehr vorn am Felsen, um die herrliche Rundsicht von dort aus zu genießen. Im Laufe des Sommers wurde der Holzrohbau im Dorfe fertiggestellt und dann eines Abends viele Leute aufgeboten, um den zerlegten Rohbau auf die steile Höhe hinaufzutragen. Droben Wurde der Bau aufgeschlagen und von innen und außen verschalt, außen noch mit Eternitplatten bekleidet, ebenso ist auch das Dach von Eternit, so daß an Dauerhaftigkeit nichts zu wünschen übrig bleibt.
Das Innere ziert ein schöner Altar mit einer geschnitzten Ecce Homo-Figur und einem Altarblatt, die Verurteilung Jesu durch Pilatus darstellend. Ferner noch einige Leuchter und ein schöner Kreuzweg. Manchmal ertönt von dem zierlichen Türmchen das Ave-Glöcklein in die Tiefe und verkündet, von dort herab das Lob Mariens. Möge es so bleiben immerdar!
