Hercules Alemannus
aus Stumpf's Weltchronik (1548)
Der Wilde Mann - seit dem Frühmittelalter taucht diese Gestalt im Volksglauben - vor allem jedoch im Aberglauben - der Germanen auf. Meist als Riese, ausgestattet mit übermenschlichen Kräften, wird er als stark behaart dargestellt. Häufig bedeckt auch Laub oder üppiges Moos die Körper der Wesen. Für seinen bevorzugten Aufenthaltsort hielt man unbewohnte oder unbewohnbare Wald- und Berggebiete. Durch diese vorherrschende Meinung, der Wohnort dieser Gestalten finde sich in den Bergen wieder, gab man später manch bizarr aufragendem Felsturm oder auch einem markanten Felsengipfel die Bezeichnung
Wildes Männle oder auch
Wilder Mann.
Eigentlich in allen Kulturen gab es den mythischen und riesenhaften Waldmenschen – etwa der Yeti im Himalaya oder aber Bigfoot in Nordamerika. Als Sinnbild für das Ursprüngliche und Wilde, die Bedrohlichkeit der Natur, sowie im Frühmittelalter als Inbegriff der Überlegenheit des Christentums über das Heidentum. So wird etwa in der
Magnus-Legende das Wilde Volk am Fuße des Säulings für unfähig gehalten, den Wert und wohl auch den Verwendungszweck des Erzes zu erkennen, dass sie dem heiligen Mann zeigten.
In mittelalterlicher Zeit wurden sie im Schrifttum als
silvani bzw.
Homo Sylvestris (Waldmenschen) bezeichnet und auf zahlreichen Darstellungen abgebildet. Die höfische Literatur des Mittelalters stellte den als gesellschaftliches Vorbild geltenden Rittern verschiedene Schreckgestalten als Kontrastfiguren gegenüber, gegen die die Ritter dann ihre ethische und kämpferische Überlegenheit ausspielen konnten. Zu diesen Figuren gehörten neben den Drachen und Riesen auch Wilde Männer. Die Stärke des Wilden Mannes wird in den bildlichen Darstellungen häufig durch den ausgerissenen Baum oder auch dem großen Holzknüppel versinnbildlicht, welchen er stets mit sich trägt und als Waffe nutzt. Von der einfachen Bevölkerung wurden diese Vorstellungen tradiert und in Sagen sowie Märchen von Generation zu Generation weitergegeben. In Oberstdorf hat sich die Gestalt der Wilden Männer im einst im ganzen Alpenraum verbreiteten „Wilde-Mändle-Tanz“ erhalten. Dieser Tanz, bei dem 13 mit Tannenbart bekleidete Männer aus alteingesessenen Familien zu urtümlicher und eindringlicher Musik tanzen, wird alle fünf Jahre aufgeführt. Auch die im alemannischen Sprachraum übliche Fasnacht kennt einige Figuren, welche in ihrem Ursprung dem Wilden Mann zugeschrieben werden. So galten diese einst als vom Teufel gesandt oder auch als gottesferne Kreaturen. (- Krampus?)
Johannes Stumpf nennt in seiner Weltchronik
"Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten, Landen und Völckeren Chronick wirdiger Thaaten Beschreybung" von 1548 den in Bildern als besonders wild dargestellten Hercules Alemannus als König und Vater der Bayern. Sie - die Germanen - hätten ihn eben wegen seiner großen Stärke und Mannhaftigkeit für einen Gott gehalten. Offenbar hatte Kaiser Maximilian ein zuvor im Kloster Reichenau bei Konstanz bewahrtes Bildnis später unter "hochloblicher Gedächtnus" nach Innsbruck mitgenommen.
Der Wilde Mann und seine Familie (1545) - Hans Schäufelin
Beim Schleicherlaufen in Telfs treten Wilde Männer in Zusammenhang mit der Figur des Panzenaffs auf. Die Verkleidung der auftretenden Akteure ist vollständig mit Baumbart, einer Flechtenart, behangen. Vor dem Gesicht tragen sie eine hässliche Maske mit langer Nase, Warzen und buschigen Augenbrauen und sie sind mit rohen Ästen bewaffnet. Die Veranstaltung findet seit dem 16. Jahrhundert statt.
Im Gegensatz zu den in vielen Landstrichen ansonsten als eher plump dargestellten Wildleuten, genießen die Wilden Männer, Frauen und Fräulein in der
Sagenwelt des Außerferns, des Allgäus und Tirols häufig einen recht guten Ruf. Im Volksglauben gelten diese zumeist als ruhig und überlegt, arbeitsam und wohlgesonnen. Gerade für die Sagengestalten der Wilden Fräulein setzt sich fast immer ein freundliches Bild durch, sodass es in einigen Fällen sogar zu Vermählungen zwischen Menschen und den Wildleuten kommt. Auch wird ihnen eine Verbindung zu der Geisterwelt und den Naturdämonen (welche nicht immer als böse empfunden wurden) nachgesagt.
Forscher streiten über den zeitlichen Ursprung der Wildleute und gehen von äußerst unterschiedlichen Standpunkten aus. So gibt es offenbar Hinweise im Alten Testament, dass diese Figur des Wilden Mannes auf die Übergangszeit von der Altsteinzeit zur Jungsteinzeit zurückgeht, als sich die Menschen von Jägern und Sammlern zu Ackerbauern und Viehzüchtern entwickelten. Bereits aus der Altsteinzeit sind Malereien und Skulpturen bekannt, die auf die Vorstellung von Zwischenstufen zwischen Mensch und Tier hinweisen. Andere Wissenschaftler vermuten deren Ursprung gar noch früher, wollen etwa jene Zeit als noch der Moderne Mensch und der Neandertaler nebeneinander lebten als Zeitraum des Zustandekommens der Gestalt der Wildleute sehen. Wieder andere weigern sich generell einen Zusammenhang von realen historischen Begebenheiten und den alten überlieferten Sagen gelten zu lassen.