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Der Zweite Weltkrieg

und die NS-Zeit im Außerfern



Aufstieg zur Macht


Bei den Wahlen im April 1929 zeigten sich noch spärliche Wahlergebnisse der Nationalsozialistischen Gruppierungen.
Wahlergebnisse für den politischen Bezirk Reutte: Gültige Stimmen 8669, davon Hitlerbewegung 1, Kommunisten 0, Angestelltenpartei 178, Sozialdemokraten 789, Großdeutsche 187, Tiroler Volkspartei 6474, Landbund 19, Ständebund 1018, Wirtschaftsbund 1, Nationalsozialisten 4.

"...erschien am Sonntag, den 15. November 1931, nachmittags eine stärkere Abordnung [der Nationalsozialisten] aus Innsbruck und Füssen und hielt um 5 Uhr abends [...] in Reutte eine Werbeversammlung ab. Der Saal war schon vor Beginn der Versammlung derart voll, daß niemand mehr eingelassen werden konnte. Allerdings waren die meisten Besucher Neugierige und Mitglieder anderer Parteien.
In seiner Rede legte Ing. Riedl die Aufgaben der nationalsozialistischen Partei auseinander und erging sich insbesondere in Angriffe gegen den Kapitalismus und den sozialdemokratischen Klassenkampf.

Während der Versammlung überwachten zirka 30 Uniformierte den Saal, während draußen die Polizei und ein verstärktes Gendarmerieaufgebot den Platz vor dem Hotel absperrte. Angesichts der starken Bewachung getraute sich auch kein Gegenredner aufzutreten und die Versammlung verlief bis auf einige Pfuirufe in voller Ruhe..."

Innsbrucker Nachrichten vom 18. November 1931


Die nationalsozialistische Propaganda nimmt im Bezirk spätestens ab Anfang 1933 richtig an Fahrt auf. Man spricht von einer "schwarzen Liste" auf der jene stehen würden, die als Gegner des Anschlusses an das Deutsche Reich gelten. Man nennt auch Namen, deren Träger mit Gewaltmaßnahmen (Verhaftungen, Internierung in Konzentrationslager, Einzug des Privatvermögens, Rufmord und Tod) rechnen müssen, wenn die Nationalsozialisten in Österreich die Macht ergreifen werden. Eine übliche Praxis der Einschüchterung, wie sie überall in Österreich zur Anwendung kam.

Vor Verspottung und Anpöbelung ist fast niemand mehr sicher, der sich nicht offen mit dem Parteiabzeichen für die Nationalsozialisten bekennt. Alle "unzuverlässigen" Beamten werden beurlaubt oder deren Stellen mit Leuten aus der Partei besetzt.

Die Staatsführung versucht gegenzulenken und bereits Mitte Juni kommt es zu Verhaftungen von sogenannten Ortsführern der nationalsozialistischen Partei. In Reutte werden sechs Verhaftungen registriert.

Am 22. Juli fliegt von Füssen kommend eine einmotorige Maschine über Reutte und seine Nachbardörfer hinweg und wirft Massen von Flugzetteln der NSDAP ab. Am selben Tag werden auch über anderen Tiroler Orten nahe der Grenze solche "Propagandaflugzettel" abgeworfen, wie etwa über Kufstein, Kirchbichl, Wörgl, Achental, Jenbach und Schwaz.

Am Mittwochabend dem 8. November 1933 wurde an der Hochschanz ein in seinen Dimensionen sehr großes Hakenkreuz abgebrannt, ebenso am Säuling und an der Gehrenspitze. An diesen Gipfeln fand das Abbrennen der Symbole an so prominenten Stellen statt, dass diese Feuer im ganzen Talkessel deutlich sichtbar waren. Die alarmierte Gendarmerie und Hilfspolizei konnte die Täter nicht dingfest machen. Am selben Abend hingen ebenfalls unerkannt gebliebene Täter eine Hakenkreuzflagge an der Lechbrücke zwischen Lechaschau und Reutte auf, welche von der Polizei nur unter großen Schwierigkeiten wieder abgehängt werden konnte.

Machtübernahme und Gleichschaltung der Massen


Am Sonntag den 6. November 1938 fährt von Innsbruck kommend Gauleiter Hofer im Konvoi über den Fernpass nach Reutte. Bereits am Fernpass empfängt ihn ein über die Straße gespanntes Spruchband "Außerfern grüßt den Gauleiter". Entlang der Strecke standen auch immer wieder Fackelträger Spalier. In Reutte angekommen folgte eine Ansprache des Gaupresseamtsleiters der NSDAP:

"Der Gaupresseleiter, Gauamtsleiter Pisecky, sprach dann, indem er einleitend an die erste Feier des Tages der Deutschen Arbeit in Reutte im Jahre 1933 erinnerte, über den gewaltigen inneren Aufschwung und äußeren Machtzuwachs des Deutschen Reiches unter der Führung Adolf Hitlers."

Gauleiter Hofer selbst sprach im Anschluss von "der Ordnung in den eigenen Reihen":
"Wenn wir heute darangehen, alte Verbrechen und Unzukömmlichkeiten zu klären und ihrer Sühne zuzuführen, so sind wir aber selbstverständlich auch jederzeit entschlossen, Unzukömmlichkeiten in unseren eigenen Reihen nicht zu dulden. Das unterscheidet ja die nationalsozialistische Führung von den früheren Regimen." Dem folgte eine unterschwellige Androhung. Nämlich die Gleichstellung aller und das nicht dulden von Einzelinteressen.
"...dies soll nicht [nur] den Nationalsozialisten, [...] sondern allen denjenigen, die glauben, daß nur ein Personen- und kein Gesinnungswechsel vorgenommen wurde, beweisen, daß es uns tatsächlich darum geht, das öffentliche und private Leben von allen Verfallserscheinungen zu befreien..."
Innsbrucker Nachrichten vom 7. November 1938

Reichsarbeitsdienst - RAD


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das Reichsarbeitsdienstlager (RAD) bei Tannheim

nazi nationalsozialisten reichsarbeitsdienstlager chef führung lagerleitung
Besprechung der Lagerleitung des RAD
bei Tannheim / Kienzen

rad reichsarbeitsdienst lech höfen
Mädchen des RAD bei Höfen
Die Organisation des Reichsarbeitsdiensts wurde ab Mitte Juni 1935 verpflichtend eingeführt und zum größten Teil zu gemeinnützigen Arbeiten herangezogen: "...alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts sind verpflichtet, ihrem Volk im Reichsarbeitsdienst zu dienen..."
Dieser Dienst war zunächst nur jungen Männern auferlegt, welche dazu für sechs Monate einberufen wurden. Bei Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der Reichsarbeitsdienst aber auch auf die weibliche Jugend ausgedehnt.

Im Außerfern befanden sich solche Lager in:


  • Ehrwald (Silvester-Fink-Lager) - Hauptaufgabengebiet dieses Lagers war die Drainagierung des Moos zwischen Lermoos und Ehrwald

  • Tannheim, zwischen den Fraktionen Berg und Innergschwend
  • - Verbauung und Begradigung der Vils bei Tannheim und Schutzbauten am Logbach bei Grän


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    BDM (Bund Deutscher Mädel) und Hitlerjugend


    Der Bund Deutscher Mädel war eine Untergruppe der Hitlerjugend. Während der Kriegsjahre wurden vielerorts Lager des BDM errichtet um für die meist in landwirtschaftlichen Betrieben tätigen Mädchen als Unterkunft zu dienen. Üblicherweise bestanden diese Behausungen lediglich aus einem betonierten Sockel und einer in Ständerbauweise darüber aufgebauten Baracke.

    Orte mit BDM-Lagern: Pinswang, Höfen, Tannheim und Ehrwald

    Gebirgsjägerregiment 99


    Das Gebirgsjägerregiment 99 wurde im Oktober 1935 aufgestellt und in der Folgezeit an unterschiedlichen Standorten in Süddeutschland (Baden-Württemberg und Bayern) stationiert. Im Oktober 1936 erfolgte die Verlegung nach Füssen, aber erst im März 1938 rückte das 99. Regiment direkt an die deutsch-österreichische Grenze vor um die Besetzung Österreichs vorzubereiten. Der Einmarsch verlief jedoch friedlich und so gestaltete sich der Marsch über Hallein nach Wien als Formsache. Ab 1. April erfolgte die Rückverlegung von Wien in die vorhergegangenen Stützpunkte im süddeutschen Raum und am 9. April wird das Regiment der 1. Gebirgs-Division unterstellt.

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    Bautätigkeiten


    Häselgehr

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    Firstfeier beim Schießstand-Neubau in Häselgehr
    "...ging es in Begleitung der ganzen Dorfgemeinschaft auf eine nahe der Dorfmitte gelegene Anhöhe, auf der der nunmehr im Rohbau fertiggestellte Schießstand-Neubau steht. Dieser neue Schießstand, den bereits der Dachfirst krönt, wird nach seiner Vollendung zu den schönsten Ständen im Gau Tirol-Vorarlberg zählen..."
    Innsbrucker Nachrichten, 24. Juni 1941

    Grän

    Die Gemeinde Grän wurde im März 1941 als eine von dreißig Gemeinden im Gau Tirol-Vorarlberg unter der Leitung des ehemaligen Bürgermeisters Johann Wötzer zu einer sogenannten "Aufbaugemeinde" ernannt. Die erste Maßnahme für die Bauern war der kostenlose Tausch ihres Viehs gegen hochwertiges Zuchtvieh. Dieser "Viehtauschaktion" folgten in den nächsten zwei Jahren noch weitere. Neben Viehtauschaktionen kam es auch zum Bau eines Gemeinschaftshauses, zur Errichtung einer Drahtseilbahn für den Milchtransport von der Edenbachalpe in die Sennerei, eines großen Schießstandes, eines Lagerhauses und zur Sanierung einiger Bauernhöfe. Gauleiter Hofer war persönlich zu Gast in Grän, um sich von den Fortschritten der eingeleiteten Maßnahmen zu überzeugen, und am 30. März 1943 eröffnete er feierlich den neu erbauten Schießstand. Am 29.April 1945 wurde Grän durch den Beschuss amerikanischer Truppen stark in Mitleidenschaft gezogen.
    Christian Rief

    "...begab sich der Gauleiter ins Tannheimer Tal. In dem nahen Dorfe Grän, der ersten Aufbaugemeinde des Kreises Reutte, deren Bewohnerschaft dem Gauleiter ebenfalls einen freudigen Empfang bereitete, ließ sich der Gauleiter [...] an Hand der Pläne über die kommende Arbeit berichten..."
    Innsbrucker Nachrichten, 24. Juni 1941

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    Zwar wurden massenhaft prestigeträchtige bauliche Projekte durchgeführt, wohl in erster Linie um die Partei in einem besonders günstigen Licht darzustellen. Wirklich wichtige Bauten zum Schutz der Bevölkerung hingegen wurden oft hintangestellt. So gab es zwar allerorts Gruppierungen des Reichsluftschutzbundes (RLB), eine diesbezügliche Gefahr wurde aber offenbar nicht gesehen - oder nicht ernst genommen. Die Dringlichkeitsstufe hatte man nieder angesetzt und Baustoffe nur selten zugewiesen [1].

    Bei Luftangriff getötet


    Am 30. Mai 1943 kamen drei Reuttener Frauen bei einem Luftangriff in Barmen (einem heutigen Stadtteil von Wuppertal) ums Leben. Der Angriff begann am 29. Mai 1943 abends, dauerte bis zum Morgen des nächsten Tages an und forderte 2732 Todesopfer.
    Die Namen der drei Frauen sind am Kriegerdenkmal in der Rochuskapelle in Reutte angeführt: Huber Aurora geb. Turri (*1885), Pichler Grete geb. Huber (*1912), Huber Hanni (*1917).
    Chronist Dr. Richard Lipp

    fliegerangriff reuttener frauen getötet

    Bei dem Luftangriff des 15. Dez. 1943 auf die Landeshauptstadt Innsbruck fanden unter den insgesamt 269 Getöteten auch 4 Außerferner den Tod:
    Haas Maria (Lermoos), Kerle Ignaz (Hinterhornbach), Rumer Adalbert (Vils) und Stampfer Rosa (Lermoos)

    Am 16. Feb. 1945 wird Hall in 13 Wellen zu je 7 bis 9 Flugzeugen angegriffen und mit einem förmlichen Bombenteppich eingedeckt. Unter den insgesamt 70 Toten befinden sich auch Aloisia und Herbert Hörbst aus Pinswang

    Am 10. April 1945 wieder ein Luftangriff auf Innsbruck. Diesmal jedoch in der Nacht, was zu einer gehörigen Panik führte. Unter den 31 Toten befand sich auch Steiner Mathilde aus Häselgehr [2].

    Bomber-Absturz


    In letzter Zeit wurden verschiedene Wracks von Flugzeugen, die während des Krieges im Außerfern notlanden mußten oder abstürzten, der Altmaterialverwertung zugeführt. In mühsamen Transporten sind Teile eines amerikanischen Bombers von der Ehrwalder Alm zur Verladerampe des Bahnhofes gebracht worden. Auch im Hornbachtal, im Ammerwald und am Vilser Kegel werden Trümmer von Maschinen der industriellen Verwertung zugeführt. Die Aluminium-Ausbeute eines Bombers B29 beträgt an die 10000 kg. Die Altmetallsammler waren sehr überrascht, als ein beim Hochvogel liegendes Jagdflugzeug über Nacht verschwunden war. Angeblich sollen die bayerischen Kollegen die Bergung mit einer provisorischen Drahtseilbahn durchgeführt haben.
    Bombertrümmer werden verwertet
    Ausserferner Nachrichten, 18. Aug. 1951
    Am 21. Januar 1944 stürzte ein Bomber der Alliierten Luftstreitkräfte im Bereich des Kreuzkarsees nahe Hinterhornbach ab. Eine Bergung der Mannschaft sowie der Maschine konnte in dem steilen Felsterrain nicht durchgeführt werden.
    Noch heute sind Teile der Maschine in dem kleinen Kreuzkarsee zu sehen, da diese im Laufe der Jahre vom Wandfuß durch die Witterungseinflüsse (Schnee) und dem natürlichen Erosionsprozess das Kar hinab in den See verfrachtet wurden.

    Luftkämpfe über dem Außerfern



    Propeller der B24 Liberator, welche etwa 200 m nördlich der Lermooser Kirche in das Moos stürzte
    Am 3. August 1944 wurde über dem Ehrwalder Becken die größte Luftschlacht Tirols ausgefochten. Dabei griffen zahlreiche deutsche Jagdflieger von Westen kommende amerikanische Bomber an und brachten mehrere davon zum Absturz. Einer stürzt am Ortsrand von Lermoos in das Moos, 4 Maschinen gehen im Gemeindegebiet von Biberwier nieder (Wampeter Schrofen, Wannig, südöstlich von Biberwier, Brendlkar) und 1 Bomber zerschellt im Bereich der Ehrwalder Alm.

    Aus den Maschinen wurden insgesamt 16 lebende und 14 tote Besatzungsmitglieder geborgen. Aber auch auf deutscher Seite gab es zahlreiche Abstürze von Jagdfliegern wie etwa in Berwang, Ehenbichl (Schlossberg), am Grubigstein (Biberwier), Martinau (Elmen), Stanzach und der Tuftlalm bei Lermoos.

    Am 22. Februar 1945 wird dann der Bezirkshauptort Reutte von einem Bombenangriff heimgesucht, welcher acht Opfer aus der Zivilbevölkerung fordert und mehrere Häuser in der Nähe des Bahnhofes stark beschädigt oder zur Gänze zerstört.
    Opfer: Auer Käthe (54, Reutte), Lutz Gabriele (52, Reutte), Ölschlägl Anna (50, Reutte), Schütz Dagmar (4, Lechaschau), Schütz Sylvia (1, Lechaschau), Schmittner Klaus (2, Ludwigshafen), Stranz Arthur (5, Reutte), Wötzer Maria (53, Reutte) [3]

    Am 27. Februar springen aus einer angeschossenen viermotorigen amerikanischen Maschine bei Vils fünf Personen mit dem Fallschirm ab. Bei Tannheim ereignet sich ein ähnlicher Vorfall, wobei sich zwei Crew-Mitglieder mit dem Fallschirm retten können. Am Tag darauf wurden auch bei Reutte und Weißenbach abgesprungene amerikanische Flieger gefangen genommen.

    Ein einzelnes amerikanisches Flugzeug greift in Obermoos bei Ehrwald die Zugspitzbahn an, dabei wird die Talstation schwer und die Bergstation leicht beschädigt [4].



    Äpfel Verteilung - Notrationierung
    die Lage spitzt sich weiter zu

    Altstoff-Sammlung
    Altkleider-Sammlung für den 'Endsieg'

    Außenstelle KZ Dachau


    1944 befanden sich im Hotel Forelle und dem Hotel Ammerwald Außenstellen des KZ Dachau. In diesen Außenstellen wurden vorwiegend Häftlinge aus höheren Kreisen interniert. Bei Kriegsende wurden die gefangen gehaltenen Personen durch die amerikanische Armee befreit. Kurz zuvor konnten bereits einige französische Kriegsgefangene, nachdem die Soldaten der SS die Flucht ergriffen hatten, die Lager am Plansee übernehmen.

    Kriegsgefangenenlager


    Im Verlauf der Kriegsjahre wurden im Außerfern einige Privat- und Gasthäuser zu Kriegsgefangenenlagern umfunktioniert. Ein solches befand sich im Haus Nr. 9 in Oberpinswang. Auch in Vils gab es ein solches Lager, in welchem Zwangsarbeiter des Zementwerks untergebracht wurden [5].

    Siehe auch: Die Außenlager des Konzentrationslagers Dachau am Plansee und im Ammerwald (VWA - Vorwissenschaftliche Arbeit - Verfasserin Jana Köck)

    Tirol rückt ins Zentrum des Befreiungskampfes der Alliierten


    Es war ein Bericht des Schweizer Geheimdienstes, welcher die Alliierten Streitkräfte aufhorchen ließ und den Kriegsschauplatz endgültig in unsere Region verlegte. Darin war zu lesen, dass die nationalsozialistische Führungsschicht vorhabe sich im Falle eines Zusammenbruches der deutschen Abwehr mitsamt den SS-Truppen in die Berge Tirols oder des Allgäus zurückzuziehen um sich dort einzuigeln und einen erbitterten Kampf zu führen. Tatsächlich spielte Franz Hofer, der Gauleiter von Tirol-Vorarlberg, mit dem Gedanken eine "Alpenfestung" im schweizerischen Stil zu errichten.

    Im November 1944 verfasste er zu diesem Zweck ein Memorandum, welches er mit der Bitte um sofortige Weiterleitung an Adolf Hitler an die Reichsleitung schickte. Martin Bormann, der Sekretär des Führers, behielt dieses Schreiben aber offenbar vorerst zurück. Erst Anfang April 1945 wurde Hofer für die Erläuterung seines Schreibens zu Hitler zitiert.

    Zu diesem Zeitpunkt war aber durch den Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte Tirol bereits zum Primärziel erklärt worden. Sofort nach Überqueren des Rheins steuerten schlagkräftige Divisionen gegen Süden, hin zu den Alpen.

    Wernher von Braun


    wernher von braun in reutte
    Wernher von Braun wird in Reutte verhaftet
    Foto: Wikipedia
    Wernher von Braun erlangte zunächst durch die Entwicklung der ersten leistungsstarken und funktionstüchtigen Rakete, der "V2", an Bekanntheit. Bereits seit 1937 beschäftigte er sich als technischer Direktor an der Heeresversuchsanstalt Peenemünde mit der Konstruktion dieser ersten Rakete mit großer Reichweite. Bei einer gezielten Bombardierung der Versuchsanstalt durch die Briten im August 1943 konnte sich Braun in einen Bunker retten und überlebte so den Angriff.
    Um die Versuche weiter führen zu können legte man im Nahbereich des KZ Buchenwald eine unterirdische Anlage an und überbaute diese zur Tarnung mit einem Arbeitslager. Dieser mit dem Tarnnamen "Arbeitslager Dora" versehene Bau wurde später auch für die Serienproduktion der V2 genutzt.

    Im April 1945 besetzten US-Truppen die umfangreichen Produktionsstätten bei Bleicherode. Nur wenige Tage vorher wurde von Braun nach Oberammergau verlegt. Einige Tage später flüchtet er vor der französischen Armee nach Oberjoch. Das Allgäuer Gebiet dürfte von Braun nicht fremd gewesen sein, denn er wurde schon vorher mehrfach im Bereich des Alatsees gesehen. Der See war während des Krieges stets militärisches Sperrgebiet. Unter anderem errichtete man am und in dem See versuchsweise Rampen für Raketenstarts auf dem Wasser. Offenbar befinden sich noch heute an gewissen Stellen unter der Wasseroberfläche Gestänge und Aufbauten der damaligen Apparaturen.

    offiziere luftwaffe alatsee

    Als die Amerikaner Oberbayern einnahmen setzte sich Magnus von Braun, der Bruder Wernhers, mit den US-Truppen in Verbindung, wohl um ein Überlaufen in die Wege zu leiten. So konnten sich die Amerikaner neben den konfiszierten V2-Raketen auch das technische Wissen sichern. Am 3. Mai 1945 stellt sich von Braun zusammen mit seinem Bruder und einigen Wissenschaftlern seines Teams den US-Streitkräften in Reutte.

    Rückzug und Flucht


    Bereits in den ersten Apriltagen kommen italienische Arbeiter von der Westfront durch Reutte, um in ihre Heimat zurückzukehren. Die meisten führten ihre wenigen Habseligkeiten auf kleinen Handwagen mit sich. Als der Kreisleiter Höllwarth diese Rückwanderung bemerkt, lässt er die Italiener anhalten und zum Arbeitsdienst einteilen. Sie sollen auf dem Oberjoch und bei Vils Schanzarbeiten durchführen.

    Hauptsächlich über Vils gelangen auch erste Flüchtlingsströme von Norden in die Alpenregion. Es sind dies hauptsächlich Frauen, wenige Tage später folgen aber auch erste Soldaten, zu Fuß und ohne Führung.

    Am 20. April befiehlt Höllwarth die bedingungslose Verteidigung von Reutte. Es werden Vorbereitungen zur Sprengung mehrerer Brücken eingeleitet. Ein SS-General und 44 Offiziere treffen in Reutte ein, um die zurückflutenden Soldaten bei der Linde vor dem Bürgermeisteramt aufzuhalten und wieder an die Front zu bringen.

    Noch am selben Tag wird um etwa 18 Uhr die Talstation der Tiroler Zugspitzbahn von feindlichen Tieffliegern unter Beschuss genommen. Eine Person wird schwer verwundet, drei kommen mit leichten Blessuren davon. Das Hotel und das angrenzende Wirtschaftsgebäude liegen jedoch vollständig in Trümmern und auch die Bergstation wird beschossen.

    Gauleiter Hofer gibt den Befehl die Gaugrenzen abzuschotten und es werden zahlreiche Panzersperren errichtet. Im Außerfern befanden sich diese in Vils und am Fernpass im Bereich des Blindsees, sowie in Grän und dem Engetal, bei Zöblen, bei der Klause, bei Lähn, bei Schanz (Ehrwald) und im Lechtal. Um den Vormarsch der Amerikaner, welche am 18. April 1945 gegen 10 Uhr die Grenze bei Schönbichl (Vils) überschritten, aufzuhalten, wird von der Wehrmacht aus allen Rohren gefeuert.

    Nachdem Vils kampflos von den Amerikanern eingenommen werden kann, stößt die 103. amerikanische Infanteriedivision am Ranzen auf Einheiten der deutschen Gebirgsjäger. Nach einem kurzen Gefecht ziehen sich die US-Streitkräfte jedoch nach Vils zurück um sich dort zu stationieren. Am späten Nachmittag rollen die amerikanischen Panzer gegen den Ranzenberg vor und nehmen denselben von drei Seiten unter Beschuss, welcher bis zum nächsten Tag fortdauert. Die geplante Sprengung der Ulrichsbrücke durch die Deutschen kommt nicht mehr zur Durchführung.

    Am 22. April wird schließlich der Volkssturm eingesetzt - eine Anhäufung von Jugendlichen und Greisen. Sie werden ihre ihnen zugewiesenen Stellungen jedoch nicht mehr einnehmen. Zuletzt schickt man die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes und sogar die Knirpse aus den "Kinderlandverschickungslagern" an die Frontlinie.

    In Pinswang findet die US-Army, gleich wie im inzwischen gesicherten Vils, keine Gegenwehr mehr vor. Die Amerikaner können am späten Nachmittag des 29. April schließlich ihren Vormarsch in Richtung Reutte fortsetzen, da sämtliche deutsche Soldaten entlang der Marschroute desertieren und die Flucht ergreifen, da sie inzwischen begreifen - die Lage ist aussichtslos.

    In Reutte gibt es immer noch Individuen, welche in fanatischem Eifer die Amerikaner an einem weiteren Vorstoß hindern wollen. Damit richten die amerikanischen Truppen ihr Geschützfeuer in Richtung Reutte, ohne jedoch den Ort selbst ins Visier zu nehmen.
    In der Zwischenzeit kam es in Reutte selbst zu einem Attentat auf den Kreisleiter Höllwarth. Die Widerstandsbewegung will ihn nun endgültig aus dem Weg räumen um die Gegenwehr gegen die US-Truppen zu beenden. Durch Pistolenschüsse verwundet, bringt man ihn zunächst in die Heilanstalt Kreckelmoos, organisiert aber noch in der selben Nacht einen Weitertransport über den Fernpass.

    Am nächsten Vormittag werden in Reutte erste weiße Fahnen gehisst, doch wieder eingezogen, als die SS mit Maschinengewehren darauf zu schießen beginnt. Kurz darauf werden die weißen Tücher aber spontan fast überall wieder herausgehängt.

    Konnte man bei Pflach die Sprengung der Brücke über den Lech noch verhindern, gelang dies bei der Lechbrücke in Lechaschau nicht. Sie fliegt teilweise in die Luft, wodurch zahlreiche Häuser in der Nähe schwer beschädigt werden.

    Auch in Grän kommt es zu massiver Gegenwehr, woraufhin die Amerikaner den Ort unter Beschuss nehmen und zum größten Teil dem Erdboden gleich machen. Drei Zivilisten werden getötet und fünf schwer verletzt. Durch das Geschützfeuer entzünden sich Feuer, welche 15 Häuser niederbrennen. 53 Stück Vieh verenden in den Flammen.

    Die Gemstalbrücke am Gaichtpass wird - um den US-Vormarsch zu verhindern - von der SS gesprengt. Bei Martinau wird von den sich in das Lechtal zurückziehenden Deutschen die Brücke in Brand gesteckt.

    Am 30. April plündert schließlich die Zivilbevölkerung von Nah und Fern das Speckbacher-Magazin am Bahnhof. Es befinden sich dort vorwiegend Futtermittel, Salz und Soda. Lebensmittel hingegen finden sie so gut wie keine.

    Bei Gries, Unter- und Obergarten verschanzen sich derweil weitere SS-Truppen, was zur Folge hat, dass auch Gries und Untergarten in Brand geschossen werden. 9 Tote, 15 niedergebrannte Häuser und 71 Stück verendetes Vieh sind das Ergebnis. Als die Bauern nämlich versuchen, das Vieh aus den in Flammen stehenden Ställen zu treiben, werden sie von den SS-Leuten beschossen.

    Bis zum Abend werden die amerikanischen Truppen alle Ortschaften im Raum Reutte, dem Tannheimer Tal und dem Zwischentoren besetzt haben.

    Letzte fanatische "Zuckungen"


    Am 1. Mai zündet ein fanatischer Nationalsozialist im Gebäude der Kreisleitung eine Bombe. Als der Täter glaubt entdeckt worden zu sein, erschießt er zunächst seine Frau und dann sich selbst. In der Zwischenzeit brennt das bombengeschädigte Haus vollkommen nieder.

    Anderntags kommt es im oberen Lechtal zu Kampfhandlungen zwischen führerlosen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes und den nachrückenden Amerikanern. Vor allem in und um Steeg kommt es zu Schießereien, bei welchen 2 US-Soldaten und acht Leute des RAD ums Leben kommen. Drei Bauern aus Hinterellenbogen finden ebenfalls den Tod. Ein SS-General, der in Reutte die Verteidigung organisieren wollte, wurde in der Gemeinde Bach von Einheimischen erschossen, da er auch dort noch andere für sich kämpfen lassen wollte.

    Kurz nach dem Krieg


    Bei Vils stürzt am 16. Juli 1945 eine B-17 Flying Fortress der 94th Bomb Group (410th Bomb Squadron) mit der Kennung 44-8149 während eines Frachtfluges ab und zerschellt an einer Felswand. Alle sieben Besatzungsmitglieder kommen dabei ums Leben, die Leichen werden in den darauf folgenden Tagen mit Hilfe einheimischer Kräfte durch die US-Army geborgen und abtransportiert.
    Bemerkenswert an diesem Vorfall ist, dass das Unglück oder die Arbeiten in der Folgezeit in keinem Zeitungsartikel oder sonst einem zeitgenössischen Text auftauchen.



    Aluminum Overcast.1
    Flying Fortress B17-G - © Bzuk via Wikimedia Commons
    verstorbene Besatzungsmitglieder

    Rolland Catton
    Wayne Dutler (Corporal)
    Leonard Ehlers
    Lawrence Foley (Lieutenant)
    Russell O'Rourke (Sergeant)
    Walter Sutherland (First Lieutenant | Pilot)
    Walter Trout (Lieutenant)

    Eine Gedenkstelle für die Crew dieser Maschine befindet sich im Zachary Taylor National Cemetery in Louisville, Jefferson County in Kentucky (USA), Grabstelle E, 129-130.

    Quellen:


  • Die Luftangriffe auf Nordtirol (Leo Unterrichter)
  • Die Geschichte des größten Luftkampfes über Tirol (Keith Bullock)
  • Außerfern: der Bezirk Reutte, Richard Lipp (ISBN 3-7022-1927-7) Tyrolia Verlag
  • American Air Museum in Britain
  • Erinnerung an schreckliche Zeit - 1938 - der Anschluss in den Bezirken Tirols, Beiträge verschiedener Autoren (u.a. Dr. Richard Lipp)
  • Artikel in den Ausserferner Nachrichten vom 23. April 1955


  • Links


  • Flugzeugabsturz an der Kreuzkarspitze am 21. Januar 1944 auf wanderpfa.de
  • Flugzeugabsturz am Hochvogel 1945 auf wanderpfa.de


  • Einzelnachweise


    1. Die Luftangriffe auf Nordtirol im Kriege 1939 - 1945 (Leo Unterrichter)
    2. Die Luftangriffe auf Nordtirol im Kriege 1939 - 1945 (Leo Unterrichter); S. 556, 572 u. 578
    3. Die Luftangriffe auf Nordtirol im Kriege 1939 - 1945 (Leo Unterrichter); S. 572
    4. Die Luftangriffe auf Nordtirol im Kriege 1939 - 1945 (Leo Unterrichter); S. 580
    5. | 900 Jahre Pinswang - Das Dorf an der Grenze


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