Bei dem Weiler Bogen unweit von Tannheim erhebt sich rechts am Eingange in das Thal des Vilsalpsees der Bogener Berg mit den Bogener Schrofen. An unzugänglicher Stelle findet sich in den Felswänden hier eine Höhle und eine Spalte; ein Schranz (Riss) soll durch den ganzen Berg ziehen und in das Innere führen. Hier ist der Sitz des Bogener Ungeheuers. Dieses Ungeheuer läßt sich gewöhnlich vor Ausbruch eines Gewitters, oder wenn es sonst "recht wüst Wetter werden will", durch dumpfes Geheul und Dröhnen selbst auf ziemlich weite Entfernungen vernehmen, und dann wird gewöhnlich die Luft gar "rebellisch" und entstehen schlimme Luftwirbel. Es ist schon vorgekommen, daß darob halbgroße Tannen und "Pfötschen" im Handumdrehen mitsamt den Wurzeln aus dem Boden gerissen und den Lüften eine Strecke fortgetragen wurden, und wer in den Bereich des Ungeheuers kommt, wird erfaßt und mitgenommen.
Einmal kam das Ungeheuer bis zum Weiler Schmieden, riß hier in einer der dortigen Nagelschmieden die Fenster auf, erfaßte den großen, wohlbefestigten Blasbalg, hob ihn aus den Angeln und schleuderte ihn in einen Winkel, wo es ihn liegen ließ. An den Fenstern "that es dann einen Rottler", und das Ungeheuer fuhr wieder hinaus.
Von den Heuschinden hat es schon oft die Dächer abgehoben, und bei der Heuernte im Sommer sind zuweilen schon geladene Fuhrwerke umgeworfen worden.
Das Ganze dauert übrigens nur wenige Sekunden, dann wird alles wieder ruhig und still.
Reiser, 1895
Eine Viertelstunde südlich von Tannheim liegt der Weiler Bogen, und erhebt sich der Bognerberg, in dessen Mitte eine enge Felsenspalte sich gähnend auftut. Da drinnen im Berg wohnt in unterirdischer Höhle ein grausiger drachenartiger Unhold — ein Ungeheuer, wie es einst viele gegeben. Es ist überall gefürchtet, hat Menschen und Tiere geraubt und vermutlich zerrissen, oder nach Art des Bluatschink blutaussaugend getötet.
Dieses Ungetüm ist stumm wie die Nacht, unter deren Schutz es seine Opfer raubt. Nur wenn der Himmel sich schwarz umzieht und ein furchtbares Gewitter herankommt, da beginnt es zu brüllen und zu heulen, dass Einen ein Grauen befällt, und dann stürzt es sich auf Vorübergehende oder Vorüberfahrende. wirft sie um samt Schiff und Geschirr oder schiebt sie zur Seite. Ist aber das Unwetter erst zum Ausbruch gekommen, dann zieht sich das Ungetüm in seine Höhle zurück und verstummt.
Deutsche Alpensagen - Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg (1861)
"...welche den Eingang, die Pforte des Vilsalpthales bilden. Dort drücken wir uns aber rasch vorüber, denn da haust ein Ungeheuer oben am Bognerberg. - Ja, ein Ungeheuer! 'Ein Serpant, ein Krokodilthier, wie's der Nilstrom heget, doppellebig, land- wie wassertüchtig'! Wohl ein Nachkomme, vielleicht das Nesthäckchen jener Bestien, welche laut Chronika dem hl. Magnoald draussen bei Kempten, in Rosshaupten und Füssen so viel zu schaffen machten? Mit dämonischer Kraft entwurzelt es Bäume und schleudert sie nach den Menschen auf dem Wege drunten, wirft ihre mühsam geladenen Heufuhren um, packt sie wohl selbst und setzt sie ungeschlacht drüben über dem Bache in die Wiesen. Doch wie man auch darnach geforscht, noch hat kein sterblich Auge es gesehen, denn die ganze Geschichte ist - Wind, - der Föhn nämlich, der zwischen den Bergen des engen Vilsalpthales gefesselt, gerade dort am Bognerberg durch bricht wo er freien Pass findet, und was ihm dann in den Weg kommt, etwas lümmelhaft bei Seite schiebt..."
Algäu, Lechthal und Bregenzerwald, Josef Buck (1878)