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Der Scheidbachmann im Vilstal

Im Vilsthal bei Pfronten ließ sich ehedem in der Nähe des Scheidbaches an den Gehängen gegen Jungholz zu oft der "Scheidbachmann" hören. Er johlte und jauchzte, daß man es weithin vernahm, und wenn man ihm dann angab, war er fast augenblicklich zur Stelle und verfolgte die Vorlauten auf weite Strecken, dabei laut brüllend und johlend, oder er brachte sie vom Wege ab und jämmerlich in die Irre. Einmal hatte ihm einer, den der Uebermut plagte, zugejohlt. Sogleich kam ein großmächtiger Mann mit gar abschreckender Gestalt daher und ganz nahe auf ihn zu, worüber der Mann so erschrak, daß er später oft beteuerte, in seinem Leben möchte er es nicht mehr wagen, den Scheidbachmann zu reizen, so viel Angst habe er damals ausgestanden.

Ein andermal geschah es, daß mehrere Buben, die in der Nähe des Scheidbaches im Holz gearbeitet hatten und die abends in einer Heuhütte zum Uebernachten beisammen waren, ebenfalls Juche! schreien hörten. "Die Buben, wie sie eben sind, antworteten sogleich mit einem Juchezer. Da aber rappelts plötzlich über ihren Köpfen, als wenn ein Haufen Steine über das Dach ausgeschüttet würde. Jetzt sind die drinnen in der Hütte freilich nicht wenig erschrocken und haben kein Wörtlein gesagt, sondern sind mäusleinstill geblieben. Da ruft der wilde Mann von außen: "Gebt mir nur ein Härlein heraus von eurem Haar, so habe ich euch samt und sonders." Ihr könnt denken, daß sie das wohl haben bleiben lassen."

Am öftesten hatten die Jungholzer früher mit dem Scheidbachmann zu schaffen, wenn sie von Pfronten herkamen, voraus bei Nacht. Da geschah es oft, daß er den Leuten auf den Rücken oder auf das Genick sprang und sich eine Strecke weit tragen ließ, daß man sich an ihm fast zu Tode schleppen mußte. Wer darum früher durch das Vilsthal mußte, nahm sich vor ihm in acht und ließ sich, wenn es nicht sein mußte, nicht in die Nacht ein.

Auch in Schattwald und Umgegend wußte man früher viel von ihm zu erzählen, nur daß man ihn hier gewöhnlich den "Alpgeist" nannte, der sein Revier bis zur Pfrontner Alpe hatte, aber auch bis in die Nähe des Fallstrudels kam. Wenn man ihm beim Johlen angab, war er gleich da, und viele mußten ihn tragen und spürten es grait, wenn er ihnen auf die "Achseln juckte" (auf die Schultern sprang). Manche wurden von ihm "verblendet" und "verführt", selbst am hellen Tag, daß sie sich gar nicht mehr zurecht fanden und stundenlang umherirren mußten. Zwei Mägde vom Sonnenwirt, die in der Nähe des Scheidbaches Streu(e) trugen, verblendete er einmal gar arg. Es sei ihnen gewesen, als wären sie "in einer Stadt" voll fremder Leute, und als ob sie bald da bald dort mit ihren Streuburden an den Häusern anstreiften, und sie kannten sich so gar nicht mehr aus, daß sie warten mußten, bis jemand sie holte.

Eine andere Magd, die einmal des Weges gehen mußte, hatte sich beim Gerstenschneiden so verspätet, daß sie in die Nacht geriet. Da verfolgte sie der Alpgeist lange Zeit, indem er "hinter ihr herjohlte und gar fürchterlich that", bis er zuletzt plötzlich verschwand. Die Magd bekam aber einen geschwollenen Hals, mit dem sie lange zu thun hatte.

Wenn es übel Wetter werden wollte, hörte man den "Alpgeist" gewöhnlich "hau! hau!" schreien, und dann hieß es, man hat den "Alpgeist" oder "Fallgeist" schreien hören, es wird schlecht Wetter.

Der Geist soll einmal an einem Fronleichnamstag sich bis in Pfronten gezeigt haben, wo ihn ein Hirte sah, wie er während der ganzen Prozession unter einem Kreuzstock eines Hauses saß, in dessen Nähe der Zug vorbei kam. Er habe "Knodestrümpfe", Holzschuhe und einen braunen Schoopen (Wolljacke) getragen und habe beständig mit den herunterhängenden Füßen geschlänkelt, bis er mit einemmal verschwunden war.

Einige wollten gewußt haben, der Alpgeist sei ein Hirte gewesen, der "mit dem Vieh etwas gethan habe", weil er hernach hat geisten müssen. Seit einmal ein so kalter Winter war, hörte man ihn nie mehr, und so wird wohl seine Zeit aus sein.
Reiser, 1895


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