Vor uralten Zeiten hausten noch in den Schrofen und auf den Berggehängen des Hintersteinerhtales Wildfängl; die waren ganz haarig am Leibe und rauhen und feindlichen Sinnes gegen die Thalbewohner. Sie brachten diese allweg zu Schaden, stellten ihnen oft nach, ja bedrohten sogar oft ihr Leben.
Da trug es sich einmal zu, daß einige Hintersteiner oberhalb am Erzsteig beim Erzberg, wo tief unten im wilden Tobel der Erzbach fließt, Holz spalteten. Während sie im Begriffe waren, einen großen schweren Baumklotz zu klieben und in denselben einen großen Keil zu treiben, kam da ein Wildfängl herbei und sah ihnen bei der Arbeit zu. Da sagten die Holzer, sie gäben ihm das und das, wenn er die Hände in den klaffenden Spalt thäte und etwas mithelfe, und nun ließ sich der Wildfängl hiezu bereden und streckte die Hände in die Spalte. Sogleich schlugen die anderen den Keil los, und der Klotz klappte zusammen und klemmte des Wildfängls Hände gar jämmerlich ein, daß der zu heulen und zu schreien begann. Allein die Holzer hatten mit dem Gefangenen kein Erbarmen und rächten sich für all die Unthaten, die die Fängl schon verübt hatten, damit, daß sie den großen Klotz mitsamt dem Eingeklemmten in das steile, tiefe Tobel hinab springen ließen. Von da an waren die Wildfängl im Hintersteiner Thale verschwunden und wurde keiner mehr gesehen.
Reiser, 1895