In Haldensee lebte einmal ein Bauer. Auf den Namen Anselm war er getauft, aber Selmus benannt. Neben seiner kleinen Bauernschaft betrieb er einen Käsehandel und übte, als gelernter Senner, während der Sommermonate wohl selbst da und dort auf einer Sennalpe die Käserei aus. Bei einer seiner Geschäftsreisen kam er auch einmal in das hintere Bregenzerwaldtal. Unweit Schröcken übereilte ihn unterwegs die Nacht und er mußte in einem einsam gelegenen Bauernhause, das nur von einem spitznäsigen, alten, häßlichen Weibe und einem schwarzen Kater bewohnt war, übernachten. Das Weib, das einen feuerroten Kittel trug, gewährte ihm Unterkunft und richtete ihm in einer Kammer ein Lager zurecht. Von Müdigkeit übermannt, schlief Selmus bald auf der Strohschütte ein. Am anderen Morgen war er aber schon zeitig wach und begab sich in die rauchgeschwärzte Küche hinaus, wo er das Weib antraf, das sich zum Rühren (Buttern) anschickte. Es stand hinter einem offenen Herde, über dem ein großer Kessel an einer hölzernen Stange hing, der ihr Gesicht vollends verdeckte und daher sein Kommen in ihrem Eifer gar nicht bemerkte. Selmus aber konnte beobachten, wie das Weib aus einem kleinen Hafen ein paar Löffel voll Rahm nahm und ihn in den Rührkübel leerte und darauf aus einem hölzernen Büchslein mit den Fingern ein wenig Salbe in das Butterfaß strich und gleichzeitig die Worte murmelte:
"Üeberall a von der Kueh im Stall, überall a bizla".
Zu seinem Erstaunen wurde das Butterfaß nun im Augenblick über und über voll Rahm und das Weib erhielt eine Unmenge Butter. Nun wußte er, wen er vor sich hatte und er schlich unbemerkt wieder in seine Kammer zurück. Doch der Wunsch, auch in den Besitz einer solchen Zaubersalbe zu kommen, ließ ihm keine Ruhe und nach einiger Zeit kehrte er wieder in die Küche zurück, nachdem er sich vorher durch einige kräftige Sprüche vor dem Verhexen gefeit zu haben glaubte und bot der Alten einen recht freundlichen "Guten Morgen". Während die Hexe nun ahnungslos in die Speis (Speisekammer) ging, eine Schüssel zum Auskneten der Butter zu holen, steckte Selmus unbemerkt ein wenig von der Salbe in ein Papier gewickelt zu sich, verabschiedete sich von ihr und setzte dann seine Reise fort. Am dritten Tage abends kam er unbehindert wieder nach Hause und sein erstes Beginnen war nun, das Hexenstück zu versuchen.
"Weib, hosch it a bizla Rohm (Rahm)?
sprach er seine Frau an.
"Was hosch denn auf uamol? Zu was willsch iaz du auf d'Nacht an Rohm?"
"Dös wiarsch noch schu seacha, also, hoscht a bizla?"
"Ei ja, aber dös mecht i iaz schu wissa, was d'r do zmol akumme isch?"
Und sie brachte ihm den Rahmhafen, woraus Selmus eine kleine Kaffeetasse voll in den Rührkübel leerte und sodann die heimlich entwendete Salbe hinunterstrich und dabei ebenfalls die Worte murmelte: "Ueberall wo Küah im Stall, überall a alls (alles)".
Er hatte den rechten Hexenspruch nicht mehr genau im Gedächtnis. Kaum war das letzte Wort aus seinem Munde, war nicht nur das Butterfaß bis zum Rande voll Rahm, alle Häfen, Töpfe, Teller und Schüsseln im ganzen Hause füllten sich; der Rahm floß selbst von Tischen, Bänken und Stühlen herab, sodaß Selmus angst und bange wurde. Gleichzeitig war aber im selben Augenblick in ganz Haldensee aus jedem Hause jedes Tröpflein Rahm "bei Butz und Stiel" verschwunden. Erst als Selmus den so entstandenen Schaden vergütet hatte, erhielt er in der Beicht die Absolution.