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Der Bankkrach im Allgäu (1913)

und seine Rückwirkungen auf Außfern



Aus: Außferner Zeitung vom 18. Jan. 1913
Ein gut Teil der Außferner Viehhändler und Milchproduzenten verspürt die lähmenden Folgen der Finanzkrisis im Allgäu.
kempten, allgäu, oberallgäu
Kempten
Zuerst brach das Bankgeschäft Gerhauser in Kaufbeuren zusammen und da man im Publikum wußte, daß die genannte Firma mit den meisten kleineren Banken des Allgäu in engen geschäftlichen Verbindungen gestanden war, so entstand ein sogenannter Run auf die Banken in Kempten, Füssen und Mindelheim, d. h. die Sparer, welche dort ihr Geld eingelegt hatten, verlangten es plötzlich zurück. Bei gesunden Verhältnissen hätte dieser Run wohl eine vorübergehende Erschütterung des Geldmarktes, nicht aber eine so verheerende Krisis hervorrufen müssen. Das Ungesunde am Allgäuer Bankwesen aber lag darin, daß die Bankiers das Geld ihrer Kunden zu Privatspekulationen benützt hatten. Nicht aus Bosheit — diese Absicht wird den meisten, wie man wohl mit Recht annehmen darf, fernegelegen haben — sondern deshalb, weil sie glaubten, wenn ihre Spekulationen auch mehreremale fehlschlugen, müsse doch endlich auch eine gut ausgehen. Die Spekulationssucht ist aber ähnlich wie die Spielwut. Wer sich einmal in ihre Klauen begeben hat, kommt nicht so leicht los. Gerade aber in den letzten Monaten waren infolge der lauernden Kriegsgefahr sogar die sichersten Wertpapiere recht tief gesunken und man wird zur Annahme gezwungen, daß die Allgäuer Bankiers Opfer dieser allgemeinen Finanzkrise geworden sind.

So hatten die Banken also das Geld ihrer Kundschaft verspielt und konnten darum ihren Verpflichtungen gegenüber den durch den Fall Gerhauser geängstigten Sparern nicht mehr Nachkommen. Die traurigen Fälle in Füssen, Kempten und Mindelheim zeigen uns die klare Entwicklung der Krisis, welche jetzt wohl ihren Höhepunkt noch nicht überschritten haben wird. Denn mit dem Zusammenbruche dieser Banken ist ein großer Teil des Vermögens der strebsamsten und finanzkräftigsten Bevölkerungsklasse des Allgäu zugrundegegangen. Die Käsebranche und die Viehhändler sind besonders hart mitgenommen worden. Die naturgemäße Folge wird sein, daß einige dieser Firmen zusammenbrechen und ihre Kunden in Mitleidenschaft ziehen werden. So weitet sich die Welle der wirtschaftlichen Zerstörung bis hinein in die Kreise der kleinen Leute.

Besonders wird der an das Allgäu angrenzende Teil Außferns die Geißel dieser wirtschaftlichen Katastrophe zu verspüren bekommen. Es wird sich die geldwirtschaftliche Bedrängnis besonders in den Milchpreisen stark fühlbar machen, da die Großkäsehändler besonders in Kempten und Kaufbeuren sich infolge des Kraches außerstande sehen werden, hohe Angebote zu machen. Die Rückwirkungen der Krisis werden sich aber besonders auf den Frühjahrsmärkten deutlich fühlbar machen, da bis dorthin eine finanzielle Erholung der betroffenen Kreise im Allgäu noch nicht eingetreten sein kann. Voraussichtlich wird aber auch das Herbstgeschäft darunter leiden, da die letzten Vorgänge auf Jahre hinaus das wirtschaftliche Leben im Allgäu lähmen werden.

Daraus ergibt sich, daß die Allgäuer Krisis unter Umständen auch für den Bezirk Reutte gefährlich werden könnte; besonders für einzelne Teile desselben, in denen aber das Wirtschaftsleben am stärksten pulsiert. Es muß ein Glück genannt werden, daß sich in dieser Zeit der Bedrängnis die Mittenwalderbahn erschließen wird. Die Außferner Viehhändler werden damit unter bequemen Bedingungen mit dem inländischen Markte verbunden und vielleicht wird es auch den Milch- und Käsehändlern des Bezirkes Reutte bei früher Umschau möglich sein, mit inländischen Interessenten bezüglich eines günstigen Absatzes ihrer Produkte in Fühlung zu treten. Darin aber liegt einer der Hauptwerte der neuen Bahn, daß sie die Außferner nicht allein von den wirtschaftlichen Verhältnissen in Bayern abhängig macht, sondern ihnen die Möglichkeit gibt, den heimischen Markt zu besuchen.

Wir haben es für unsere Pflicht erachtet, die Außferner darauf aufmerksam zu machen, welche Gefahren für sie infolge des engen Wechselverkehres mit Bayern, aus der Katastrophe im Allgäu entstehen könnten und zugleich einen Weg gezeigt, wie der Ungunst der Lage entgegengewirkt werden soll.

Den Kenner der Allgäuer Verhältnisse haben die letzten Ereignisse nicht überrascht. Es hat sich allgemein bei vorsichtigen Beobachtern die Ueberzeugung durchgebrochen, daß das in den Banken zentralisierte, übermäßige Kreditwesen für die bäuerliche Wirtschaft nicht tauge und auch nicht ohne Gefahren sei für die finanzkräftigen Elemente. Vielleicht war es gut im Interesse einer künftigen gesunden Entwicklung, daß diese Katastrophe hereingebrochen ist, zur Reinigung der wirtschaftlichen Atmosphäre. Für uns Außferner aber gilt die Lehre des Allgäu, die kleineren, aber sicheren Gewinne der Raiffeisenkassen dem hohen Vorteile privater Unternehmen vorzuziehen. Möge unser Außfern vor einem solchen Unglück verschont bleiben wie das benachbarte Allgäu!


Feuerkatastrophe
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