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Das Unwetter im Talkessel (1872)
Aus: Tag- und Anzeigblatt für Stadt und Land, vom 7.8.1872
Füssen. 30. Juli. Das von einem orkanähnlichen Sturme begleitete Gewitter, das sich am 28. d. in der achten Abendstunde über unsere Gegend entlud, hat an manchen Orten arge Verwüstungen angerichtet. Der Sturm brach so plötzlich los, daß Fenster und Thüren nicht schnell genug verschlossen werden konnten und daher von ersteren viele zertrümmerte; Dachschindeln, Ziegeln und allerleid andere Gegenstände wirbelten in der Luft untereinander, die es zum Theil gegen die Fenster schleuderte; die stärksten Bäume brachen entzwei oder wurden entwurzelt, und wer sich auf offener Straße befand, mußte sich niedersetzen oder legen, um nicht vom Sturme fortgerissen zu werden. Besonders aber hat der benachbarte Markt Reutte gelitten. Durch das Herabstürzen von Steinen und Ziegeln und das Zertrümmern der Fenster war man in den Wohnungen nicht mehr sicher und flüchtete sich zum Theil in die Keller oder verkroch sich in's Heu. Das Vieh in den Ställen brüllte und war so unruhig, daß man es kaum bändigen konnte.
Die schönen Alleen von Reutte nach Breitenwang stehen nicht mehr, die Bäume liegen umgeworfen und zertrümmert untereinander. Während des furchtbaren Tobens der Elemente brach dann auch noch im dortigen Spitale Feuer aus - man weiß nicht recht, ob durch einen Blitzschlag oder durch Veranlassung - das aber glücklicher Weise bald wieder gelöscht wurde. Daß das Getreide auf den Feldern durch diese Verheerung leider eine wenig günstige Aussicht bietet, ist ganz begreiflich.