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Die alte und die neue Jochstraße


Aus: Außerferner Nachrichten vom 25. Sep. 1954
jochpass salzstraße hindelang
die sogenannte alte Jochstraße ist heute den Wanderern vorbehalten

gacht kuhn gaicht gaichtpass weißenbach
unter der Gacht - Max Kuhn (um 1865)

passant schotterstrasse nesselwängle strommasten
das alte Straßendorf Nesselwängle

genhofen stephanskapelle montfort salzstraße
im Inneren der Kapelle bei Genhofen - an der alten Salzstraße gelegen - das Wappen der Montforter ist hier allgegenwärtig

scharfe eck biberwier geleisestraße
Spuren der alten Salzstraße bei Biberwier (Fernpass)
Die Jochstraße ist ein Teil der großen, völkerverbindenden Handelsstraße von Italien und Tirol über das Joch nach Hindeland zum oberen Illertal und weiter hinaus zum Bodensee und zum Rheingebiet. Sie wurde ebensosehr berühmt durch ihre Verkehrswichtigkeit und durch ihre herrliche Landschaft wie durch ihre reiche Geschichte.

Wenn auch den Autofahrer vor allem die interessanten Bauten der neuen Straße beeindrucken, sollte er sich doch die Zeit nehmen, um einmal die alte Jochstraße zu erwandern. Da werden jene Kräfte laut, die der Jochstraße das Leben gaben. Zwischen Lechtal und Illertal sind zwei tiefe Senken in die Gebirgsmassive eingeschnitten, das Tannheimer Tal und das Ostrachtal. Ihre leichte Verkehrserschließbarkeit verlockte schon in mittelalterlichen Zeiten dazu, den weiten Weg der damaligen Handelsstraße vom Fernpaß, der über Reutte - Kempten - Lindau führte, durch den zwar beschwerlichen Weg über das Ostrachtal wesentlich abzukürzen. Das war ein Saumweg, rauh, steinig, steil und mit dem Aufstieg von Reutte über die 1660 m hohe Schneetalalpe hinab nach Nesselwängle. Denn der tiefe, unwegsame Gachtpaß wurde wegen seiner Gefährlichkeit gemieden. Gegen 1309 wurden große Salztransporte über den damals erschlossenen Arlbergpaß zum Bodenseegebiet hinübertransportiert. Das ließ den geschäftstüchtigen Grafen von Montfort, die hoch über Immenstadt auf der Burg Rotenfels herrschten, keine Ruhe. Sie sannen, wie sie die wohlstandsversprechende Salz-Handelsstraße in ihr Gebiet herüberziehen könnten und nahmen das für die damalige Zeit gewaltige Risiko auf sich, von Hindelang "über die Jöcher" eine recht gute Straße zu bauen, die heute zum Teil in Dämmen und Einschnitten als "Montfortstraße" noch gut sichtbar ist. Der große Tag für das Geschick der Jochstraße war das erzielte Übereinkommen mit dem Landesnachbarn, Erzherzog Sigismund von Österreich, der nun seinerseits statt des schmalen und steilen "Gachtwegleins" eine Straße durch den Gachtpaß baute.

Damit war zum ersten Male ein zusammenhängender Straßenzug vom Lechtal zum Illertal geschaffen worden, dessen Steigungen zwar stark, aber nicht schwierig waren. Infolgedessen wurden Montfortstraße und Gachtpaßstraße immer beliebter und zogen den Warenverkehr immer stärker an sich. Freilich betrachteten der Bischof von Augsburg und die Reichsstadt Kempten, durch deren Gebiete die eigentliche Reichsstraße führte, die neue Jochstraße mit scheelen Augen, und sie ließen es auch an immer wiederkehrenden bissigen Angriffen nicht fehlen, aber das änderte nichts an der Tatsache:

Die neue Straße über Gacht und Joch wurde bald zur unumstrittenen wichtigsten Handelsstraße zwischen Tirol und Rhein!

Die Straße wurde Dienerin der damaligen "Weltmacht Salz" und blieb es bis 1823. Die entlang des ganzen Straßenzuges in einheitlicher Gestaltung gültigen Rottvorschriften, d. h. die Anordnungen für die Durchführung und Weiterreichung der Salztransporte, schufen ein Gemeinschaftsgefühl für alle Siedlungen an der Straße, das noch heute über die Grenzpfähle hinwegreicht.

Weil man am Aufstieg zum Joch die Steigungen der alten Straße immer wieder verbesserte und milderte, kann man verschiedene Straßenführungen der alten Straße beobachten bis zu jener, die heute die "alte Jochstraße" heißt. Sie wird gerne als Wanderaufstieg nach Oberjoch benützt, denn sie ist nicht nur wesentlich kürzer als die kurvenreiche neue Straße, sondern bietet auch landschaftlich ein intimeres Bild des Gebietes am Joch. Interessant ist vor allem die Wanderung durch die tiefeingeschnittene Felsenschlucht der Wand, benannt nach dem sperrenden Wachthäuschen, das hier stand und die Straße zu verteidigen hatte.

Der Verkehr auf dieser Straße war für damalige Verhältnisse ungeheuer. Ein Durchblättern der alten Speditionsbücher ergibt z.B. für die Zeit vom September 1779 bis Juni 1780 einen Transportumfang von 12853 Fässern auf 6348 Wagen, jedes Faß zu 5 Zentnern gerechnet, jeden Wagen mit zwei Fässern beladen. Oder auf den Zeitraum einer Woche umgerechnet z.B. in der 33. Etatswoche des Jahres 1813: 370 Frächter mit 814 Fässern! Auf der Strecke Nesselwängle - Hindelang waren durchschnittlich täglich 60 - 80, nicht selten aber sogar 100 und mehr Frächter tätig.

Im Jahre 1894 begann man mit den Vorarbeiten zu einer neuen Jochstraße und im Jahre 1895 mit ihrem Bau. Den Höhenunterschied von 300 Metern von Hindelang nach Oberjoch überwand man mit 103 Kurven. Es erfüllt noch heute mit Bewunderung, mit welcher Einfühlungsgabe vielleicht fast unbewußt, diese neue Straße in die Landschaft eingefügt wurde, so daß sie heute geradezu zur Landschaft gehört.

Die Vernachlässigung der Straße während der Nachkriegszeit führte zum Beinamen "Lochstraße". Nach unendlich vielen Eingaben und Besprechungen wurde im Sommer 1952 die Straße mit einer neuen, griffigen Decke überzogen und am 2. Oktober konnte endlich das Band zerschnitten werden, das die prachtvoll erneuerte Jochstraße dem modernen Verkehr freigab.
Erich Günther


Votivkapelle
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