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Die letzte Hinrichtung in Reutte

Eine geschichtliche Begebenheit



Ein lesenswertes Zeitdokument mit tiefen Einblicken in die zeitgenössischen Probleme und religiösen Ansichten

Es war am 18. November 1819. Ein kalter Herbst-Abend lag über Zwischentoren, graue Nebelschwaden erfüllten das Ehrwalder Moos und jählings brach schon die Nacht herein, als sich ein einsamer Wagen die Fernpaßstraße hinaufschleppte und in der Gegend zwischen Weißensee und Blindsee, eine und eine halbe Stunde von Lermoos entfernt, halt machte. Dem Gefährte entstieg ein gutes Dutzend Leute, die sich, 2 Männer mit Fackeln voran, auf einem schmalen Steige den Weg durchs Dickicht links von der Landstraße bahnten und auf einen Feuerschein zu bewegten, der aus dem Walde herausblinkte. Nach ungefähr 150 Schritten waren sie in die Nähe des Feuers gelangt, das sich in einer Vertiefung befand und neben dem 2 Männer standen. Einer von ihnen trat nun auf einen Herrn der Gruppe zu, die plötzlich stillstand, und meldete ihm, daß er und sein Begleiter, den Auftrag der Bezirksvorstehung erfüllt, wie ihnen geheißen ward, und treulich Wache gehalten hätten, bis er gekommen war. Dann deutete er stumm nach einem leblosen Frauenkörper, der in einer kleinen Bodenmulde und hart an einem stärkeren Abhang ausgestreckt war. Der k. k. Kreisuntersuchungsrichter des Landgerichtes Ehrenberg Balthasar Marberger - denn das war der Herr, den der Mann soeben angesprochen hatte, - wies die anderen an, auf ihrem Platze zu verweilen und ging nun auf die Leiche zu, die blutbefleckt in dem vom Feuer erleuchteten Waldesdunkel einen gräßlichen Anblick bot.

blindsee fernpass
am Blindsee

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Steineberg
Welche Ursache hatte den Tod dieses Weibes, das wenig Jahre über 20 zählen durfte, herbeigeführt? War es ein Unglück oder hatte eine verbrecherische Hand ihrem Leben ein Ende bereitet? Genau besah der Untersuchungsrichter die Tote. Sie lag auf dem Gesichte in einer etwas schiefen Richtung ausgestreckt. Der linke Teil der Stirn ruhte auf einem Hutstulpen, der mit vielem Blut bespritzt war. Ein ungefähr 40 Pfund schwerer Stein bedeckte beinahe den ganzen Kopf, dessen Haare von geronnenem Blut zusammenklebten, und stark mit einer längeren, stumpf schneidenden und stark hervorragenden Ecke im Hinterhaupte. Neben dem Kopfe des Leichnams erblickte er 2 Steine, die etwa 8 und 20 Pfund schwer sein durften und einige Blutstropfen aufwiesen, auch der Boden war auf eine Entfernung von 2 Schuh etwas blutig. Nachdem er die bezeichneten Steine mit aller Behutsamkeit aufgehoben und auf die Seite gelegt hatte, war der Richter voll davon überzeugt, daß diese Weibsperson auf gewaltsame Weise ihr Leben verloren haben mußte, denn der Ort war keineswegs so beschaffen, daß auf eine Tötung durch herabrollende Steine geschlossen werden konnte, und auch die Art der Verletzung - das Haupt zeigte an 3 verschiedenen Stellen Wunden und ferner 2 Knochenzerschmetterungen - bewies klar und deutlich, daß hier eine Gewalttat vorlag. Beiläufig zwei Schuh hinter der Leiche lehnte an einem ziemlich großen Stein ein offener Sack mit Kleidungsstücken, die zweifellos der Erschlagenen gehörten. Da eine ärztliche Untersuchung am Tatorte nicht vorgenommen werden konnte, ließ der Richter die Ermordete samt dem aufgefundenen Sacke und den 3 Steinen auf eine aus 2 Stangen und 3 Querhölzern gebildete Tragbahre auf die Straße bringen, dortselbst auf den mit Strohsack versehenen Wagen legen und in das Spital nach Lermoos überführen, damit dort bei hellichtem Tage die Sektion vorgenommen werde.

Unter den Personen, die am Augenschein teilnahmen, befanden sich auch Simon Wörz aus Biberwier und seine Gattin, welche die Leiche zuerst entdeckt hatten. Diese sagten als Zeugen einvernommen aus, daß die Ermordete die letzte Nacht d. i. vom 17. auf 18. November mit 2 jungen Burschen bei Emanuel Wilhelm in Ehrwald genächtigt habe. Emanuel Wilhelm selbst des anderen Tags vom Untersuchungsrichter vernommen, konnte keinen weiteren Aufschluß geben, als daß er glaube, einer der Burschen stamme aus der Patrimonalgerichtsbarkeit Imst. Erst aus dem Munde weiterer Zeugen erfuhr man, daß die Ermordete die ledige Dienstmagd Josefa Hauser von Kappl im k. k. Landgericht Landeck, der eine ihrer Begleiter ein gewisser Matthias Frank von Prutz im selben Landgericht und der andere Taglöhner Johann Schaffenrat von Wenns im gräflich Ferrarischen Landgericht Imst war. Inzwischen war im Spital zu Lermoos die gerichtliche Obduktion der Leiche vorgenommen worden, die ebenfalls den Verdacht eines Mordes bestätigte.

Der Untersuchungsrichter gab hierauf dem Amtsdiener Jenewein die Weisung, beide Verdächtigte zu verfolgen und einzuliefern. Jenewein ging sofort an die Ausführung des Auftrages und stellte sich, in Imst angekommen, dem dortigen Landrichter vor. Doch dieser gestattete ihm nicht, die Verfolgung im dortigen Gerichtssprengel fortzusetzen. Jeneweins Anerbieten, dem Herrn Landrichter zweckdienliche Aufklärungen zu geben, wies der Richter mit der barschen Bemerkung zurück, das stünde sowieso alles in den Akten. Vedrossen trat der pflichteifrige Diener den Heimweg an.

Nun schickte der Imster Landrichter seinen Gerichtsdiener aus, dem es gelang, Frank und Schaffenrath in Wenns zu verhaften und sie in den Arrest des Landgerichtes Imst einzuliefern, von wo sie dem Untersuchungsrichter in Reutte überstellt wurden. Während Frank den Verdacht der Täterschaft von sich abzuwälzen wußte, gestand Schaffenrath, durch die Fragen des Richters in die Enge getrieben, bald sein Verbrechen ein. Der gefesselte Inquisit — so nannte man damals den Beschuldigten —, welcher schon seit der 16. Frage die gewöhnliche Gesichtsfarbe verloren hatte und eine besondere Gemütserschütterung bemerken ließ, stürzte unter fürchterlichem Kettengerassel zu Boden und schrie: "O Gott! Ich bin verraten, ich will es bekennen: ich habe Josefa Hauser ausgeraubt — und noch mehr, ich habe sie mit Steinen totgeschlagen."

Johann Schaffenrath, gemeinlich Greiterschusterbub genannt, war in Telfs geboren, ledig und stand im 27. Lebensjahre. Schon frühzeitig seiner Eltern durch den Tod beraubt, wurde er von der menschenfreundlichen Familie Auderer in Wenns in Erziehung und Pflege genommen. Anfänglich erwarb er sich durch Fleiß und gutes Betragen die Zufriedenheit seiner Wohltäter, allein bald darauf geriet er auf Abwege, ergab sich leichtsinnigen Lügen, müßiger Gesellschaft und verschwenderischem Leben. Er wurde zwar von seinen Zieheltern zur häuslichen Wirtschaft ernstlich angehalten, doch ohne Erfolg; denn er setzte sein leichtsinniges Leben fort und entfernte sich endlich nach Bayern, wo er in Sendling bei München Arbeit fand. Auch dort entsagte er seiner verdorbenen Lebensgewohnheit nicht und verschleuderte mutwillig jeden Lohn, den er sich erworben hatte. Als er sich im November 1819 von Bayern nach Hause begab, sah er sich von aller Barschaft bis auf wenige Kreuzer entblößt und mußte, wenn er ohne Geld in der Heimat erscheinen würde, von seinem Pflegevater Vorwürfe gewärtigen. Seine Rückreise trat er in Gesellschaft Franks und der Josefa Hauser an, die mit ihm beim nämlichen Brotherrn gedient hatte. Mit Hauser stand er auf so freundschaftlichem Fuß, daß sie ihm sogar den Betrag ihres ersparten Lohnes entdeckte[*].

Die 3 Reisegefährten kamen am 18. November frühmorgens in Biberwier an. Während Josefa Hauser, von der Reise ermüdet, dort Rast machte, setzten Schaffenrath und Frank ihren Weg fort. Allein bald darauf verlieh Schaffenrath seinen Begleiter, kehrte unter dem Vorwandev, seine angeblich verlorene Tabakpfeife zu suchen, nach Biberwier zurück und erkundigte sich dort, jedoch vergebens, nach Josefa Hauser. Hernach ging er wieder dem Fern zu, kehrte nochmals um, wobei er zwischen Weißensee und Blindsee auf einen Steig gelangte, der durch ein dickes Gebüsch führte. In dieser düsteren Einsamkeit war es, wo in Schaffenrath der unselige Gedanke entstand, Josefa Hauser von der Landstraße abzuleiten, zu ermorden und ihr das Geld zu rauben. Mit solchen Gedanken trat er auf die die Landstraße hervor und sann eine Zeitlang über die Ausführbarkeit seines Vorhabens nach. Dabei fiel ihm jedoch wieder sein freundschaftliches Verhältnis mit Hauser ein und es schien fast, als wollte er aus diesem Grunde seiner räuberischen Absicht entsagen. In dieser neuen Gemütsstimmung eilte er nochmals dem Dorfe Biberwier zu, um mit Hauser die Reise gemeinschaftlich fortzusetzen.

Hauser hatte inzwischen schon Biberwier verlassen. Die Unglückliche! Gleichsam in einem Vorgefühl des drohenden Verhängnisses hatte sie sich beim Aufbruch erkundigt, ob sich kein böses Gesindel auf der Fernstraße herumtreibe, doch wurde sie beschwichtigt, daß sie keine Gefahr zu fürchten brauche. Unterdessen hatte sich Schaffenrath, unschlüssig, ob er seine Mordabsicht ausführen solle, nochmals in das abseitige Gebüsch zurückbegeben. Da erwachte neuerdings sein früherer grausamer Entschluß, und in dem Augenblicke, als er wieder aus dem Dickicht hervortrat, erblickte er auf einmal, die unglückliche Hauser, auf der Landstraße dem Fern zugehend. Ueberrascht von ihrem plötzlichen Auftauchen, jedoch schnell gefaßt, näherte er sich ihr mit freundlichen, schmeichelnden Worten, und tatsächlich gelang es ihm, sie von der Landstraße abzulenken und sie zu veranlassen, den kürzeren Weg einzuschlagen.

Nichts Arges wähnend, ging Hauser etwa 140 Schritte auf dem Steige weiter, gefolgt von Schaffenrath, der ihr das Kleiderbündel, das sie bei sich hatte, nachtrug, als plötzlich dieser einen 3 Pfund schweren Stein aufhob und gegen den Kopf der Hauser schleuderte. Hauser zwar nicht getroffen, aber äußerst erschreckt, fragte ihren Begleiter, ob er einen Stein nach ihr geworfen habe. Allein gleich wieder beruhigt durch dessen Antwort, daß der Stein vom Berg neben ihr herabgerollt sei, ging sie ihren Weg fort, worauf Schaffenrath einen zweiten 20 Pfund wiegenden Stein ergriff und diesen ihr mit solcher Kraftanstrengung hinter das rechte Ohr warf, daß sie augenblicklich zusammenstürzte. Sie raffte sich zwar wieder vom Boden auf, sank jedoch gleich darauf hin und fing schon zu röcheln an. Um seinen Raub nunmehr mit voller Sicherheit auszusühren, ergriff Schaffenrath wieder einen Stein, der 8 Pfund wog, schleuderte ihn der Unglücklichen hinter das linke Ohr, und damit noch nicht zufrieden, hob er einen vierten 41 Pfund schweren Stein auf und warf ihn der hingestreckten Hauser mit solcher Wucht an den Kopf, daß dieser ganz zerschmettert und tief in die Erde hineingedrückt wurde. Nun zog der Mörder seinem Opfer den ledernen Beutel aus dem Sacke, nahm die darin befindlichen 26 Gulden und 18 Kreuzer an sich und entfloh eilends der Straße nach dem Fern zu.

Trotzdem der Mörder schon bei der ersten Vernehmung geständig war, konnte die mit aller Gründlichkeit geführte Untersuchung vom Landgericht Ehrenberg erst am 21. Februar 1820 abgeschlossen werden, worauf die Akten an das k. k. Stadt- und Landrecht in Innsbruck als zuständiges Kreiskriminalgericht eingesandt wurden, welches am 4. März Johann Schaffenrath des vollbrachten Raub- und Meuchelmordes für schuldig erkannte und ihn zum Tode durch den Strang verurteilte. Dieses Urteil wurde dann vom Appellationsgerichtshof überprüft und bestätigt, sodann Seiner Majestät dem Kaiser vorgelegt, welcher der Obersten Justizstelle die Entscheidung überließ, von wo es im Mai als rechtskräftig bestätigt nach Innsbruck zurücklangte.

Das Todesurteil sollte erst nach Eintreffen des aus Bozen abgeschickten Scharfrichters Peter Vollmavr kundgemacht werden. Da dieser erst am 28. Mai 1820 in Reutte ankam, wo er im Gasthause zur Post abstieg, erfolgte die Kundmachung erst am 30. Mai und weil gerade das Fronleichnamsfest auf den 1. Juni fiel, wurde die Hinrichtung auf den 2. Juni verlegt.
Vor dem Gerichtshause wurde ein 6 Schuh hohes Gerüst errichtet und zu dessen Besteigung eine breite Treppe angebracht, das Gerüst über mit einer solchen Oberfläche versehen, daß nebst dem Verurteilten zwei Amtsdiener bequem darauf stehen konnten. Dann befahl man dem Gefangenwärter Jenewein, den Verurteilten mit seiner eigenen Kleidung und Hut und den gewöhnlichen 4 Eisen und Banden vor die versammelte Exekutionskommission zu führen. Diese Kommision bestand aus dem k. k. Land- und Kriminaluntersuchungsrichter Balthasar Marberger als Inquisitions- und Exekutionskommisär, den Land- und Kriminaluntersuchungsadjunkten Johann Mersi und Franz von Samern, dem k. k. Land- und Kriminal-Untersuchungsgerichts-Aktuar Alois Baldauf, die sämtliche in Staatsuniform gekleidet waren, ferner aus dem Kriminalarzt, dem Kriminalchirurg und dem Kriminalpater Johann Baptist Peintner vom Konvente der Franziskaner in Reutte.
Aktuar Baldauf las dem Verbrecher das Urteil vor, worauf der Exekutionskommissär an diesen eine ergeifende Rede hielt, des Inhaltes, daß er zwar ein böser Mensch gewesen, jedoch nunmehr eine gute Seele dem allmächtigen Schöpfer zurückstellen und er sich daher innerhalb der ihm noch gegönnten 3 Tage zum Tod gehörig vorbereiten soll. Der Verurteilte hörte das Erkenntnis mit einer Entschlossenheit an, die alle Anwesenden in Staunen setzte.

Vor dem Amtsgebäude war inzwischen eine große Menschenmenge zusammengeströmt, denn die öffentliche Verlesung eines Todesurteiles war auch in damaliger Zeit für Reutte etwas Höchstseltenes, was keiner von allen Einwohnern miterlebt hatte, lag doch die letzte Hinrichtung nicht weniger als 99 Jahre zurück. Eine Mannschaft vom Kaiserjägerregimente in Innsbruck, die in diesen Tagen sich zur Verfolgung von Deserteuren in Reutte befand, hielt die Ordnung aufrecht indem sie um das Gerüste ein Karree bildete[*]. Zur Hinrichtung selbst war weiterer militärischer Beistand angefordert worden.

Nachdem nun der Todgeweihte von 3 Knechten auf das Gerüst geführt worden war, um ihn dem Volke zu zeigen, gebot von einem Fenster im 1. Stocke des Gefangenenhauses herab der Exekutionskommissär eim eindringliches „Stille".
Hierauf verlas der Aktuar laut und deutlich einen gedruckten Auszug aus den Untersuchungsakten, worauf der Exekutionskommissär nochmals den Verurteilten in einer Rede aufforderte, sich zum Tode vorzubereiten, was dieser mit gleicher Standhaftigkeit anhörte. Der Hinzurichtende wurde hernach in das Gerichtszimmer zur ebenen Erde gebracht, an den daselbst befindlichen Eisenringen anqeschlossen, dann zu einem Tisch, auf dem sich ein Kreuz mit 2 noch nicht brennenden Kerzen befand, auf einen Stuhl gesetzt und von 2 Amtsdienern abwechselnd Tag und Nacht mit aller Strenge bewacht, bis er dem Henker übergeben werden sollte. Zugleich wurde vor dem Amtshause eine Militärwache ausgestellt, um dem Zulauf des Volkes soviel als möglich zu steuern. Johann Schaffenrath wurde in dieser Zwischenzeit von den P. P Franziskanern, vorzüglich vom Kriminalpater Johann, dann von dem Dekan und dem Pfarrprovisor Pius Langemaier besucht, belehrt und mit geistlichem Trost gestärkt. Am 2. Tage nach der Urteilskundmachung legte er die Beichte ab und empfing das hl. Abendmahl. Der Verurteilte ließ sich übrigens diese 3 Tage ziemlich wohl sein und von Stunde zu Stunde, je näher es dem Tode ging, zeigte er sich fröhlicher. Er ließ sich Wein, Bier, Schinken, Hühner, Würste, geräucherte Knödel, Kirschen und Zuckerwerk aller Art auftischen und alles sich so ziemlich gut schmecken; jedoch ohne Uebermaß, was ihm auch die Wache nicht gestattet hätte.

Am 1. Juni 1820 traf aus Innsbruck das Assistenz-Detachement vom Kaiserjäger-Regiment in Reutte ein. Am 2. Juni wurde zur Hinrichtung noch eine Landesschützen-Kompagnie dorthin abgesandt, damit keine Unordnung entstehe oder Aecker und Wiesen beschädigt werden. An diesem Tage bildeten um 7 Uhr früh vor dem Amtshause die Kaiserjäger ein Karree, um 8 Uhr früh wurde dort unter dem Kommando des Hauptmannes Nigg die Landesschützenkompagnie aufgestellt, was sich umso notwendiger erwies, als unbeschreiblicher Zulauf des Volkes und folglich großes Gedränge herrschte. Um 8 Uhr früh begab sich der Exekutionskommissär zum Armensünder und kündete ihm an, daß um 9 Uhr für ihn das Zügenglöcklein geläutet werde, nachdem zuvor die große Glocke des Freitags wegen geläutet sein werde, worauf dieser ihm noch für alles Gute dankte, ihn um Verzeihung bat und ersuchte, das ihm bereits von der Bevölkerung geschenkte oder auf dem Richtplatz noch zufallende Geld teils seinem alten Ziehvater Auderer, teils den Erben der Ermordeten, teils den Armen des Ortes zu übergeben, teils zur Lesung von hl. Messen in Reutte und Wenns zu verwenden. Das bereits zugefallene Geld befand sich auf einem Teller, der nach Verkündigung des Urteils auf dem Tische vor dem Verbrecher aufgestellt worden war und worauf beinahe jedermann eine Gabe gelegt hatte. Der letzte Wille des Verurteilten wurde in Gegenwart dreier Zeugen aufgenommen und als Vollstrecker Dekan Zobl bestimmt.

Als nun die große Glocke gezogen und dabei gebetet, nachhin aber beim ersten Zeichen des Sterbeglöckleins vom Dekan laut verkündet wurde, daß jetzt für den Armensünder geläutet und für ihn auch 3 Vaterunser und ebensoviele Ave Maria gebetet werden sollen, damit ihm eine gute Sterbstunde erfleht werden möge, da warf sich die ganze Menge des zahlreich versammelten Volkes auf die Knie und verrichtete unter häufigem Schluchzen und Weinen des weiblichen Geschlechts, wovon sich viele sogar auf den Dächern der nächstgelegenen Häuser befanden, dieses für den Missetäter bestimmte Gebet. Hierauf begab sich der Exekutionskommissär zum Armensünder und eröffnete ihm, daß seine letzte Stunde geschlagen und er den Weg zum Tode zu betreten habe. Dieser zeigte sich hiezu gleich bereit. Er nahm nochmals von allen Anwesenden einen rührenden Abschied, ergriff das vor ihm liegende Kruzifix und ließ sich von den Amtsdienern, die ihn vorher von den Eisen und Banden losgemacht hatten, bis zur Türe des Amtsgebäudes führen, wo er dem Henker übergeben wurde. Dieser band mit seinen Knechten ihm nicht nur beide Arme mittels eines Strickes fest um den Leib, sondern schnürte auch seine Hände mit einem 2. Stricke noch fester gegeneinander und ließ diesen Strick unter die Füße durchlaufen, damit er daran von hinten geführt und bei der ersten Widersetzlichkeit zu Boden gerissen werden könne.

Nach der Uebergabe setzte sich der Zug in Bewegung. Voran schritt die halbe Schützenkompagnie, sodann kam der Armesünder, begleitet von Dechant Zobl, Provisor Langemaier, P. Theobald und Kriminalpater Johann Baptist Peintner und umgeben von 24 Mann Kaiserjägern, welche beim Abmarsch scharf luden und die Bayonette gegen das Volk richteten.

Hierauf sorgte der sogenannte Armesünderwagen, mit 2 Pferden bespannt und mit mehreren Sitzen versehen, damit im Falle, daß der Armesünder wegen Schwäche nicht mehr vorwärts zu gehen im Stande sein sollte, er mit der Geistlichkeit und den zwei Henkersknechten, die ihn führten, daselbst Platz nehmen könnte. Dann erschien die Exekutionskommission, insgesamt zu Pferd und in Uniform, wovon Exekutionskommissär Marberger auf einem Schimmel zur Rechten und der Aktuar auf einem Rappen zur Linken ritt, ferner andere Gerichtspersonen, Geistliche und die Aerzte. Den Zug schloß die andere halbe Schützenkompagnie. Die Amtsdiener begleiteten die Kommission mit gezogenem Säbel und hielten den Andrang des Volkes ab. Vor dem Aufbruche wurde das Urteil vom Aktuar noch einmal verlesen und gedruckte Untersuchungsauszüge an die Menge verteilt.

Der Zug bewegte sich ziemlich schnell der Richtstätte zu, die von dem Orte Mühlen (Mühl ) hinab, auf einer kleinen Ebene, gerade am Steinbergl (Steinerberg) lag und mit Schranken umgeben war. Die Errichtung des Galgens samt Zugehör wurde dem herrschaftlichen Zimmermeister Franz Lutz und dem Maurermeister Konrad Dreher aufgetragen, mit dem Versprechen, daß die Abtragung von den Vorstehern sämtlicher Hauptladen von Bichlbach und Reutte angeordnet werden würde. Am Richtplatze hatten sich 7000 bis 8000 Leute eingefunden, um der Vollstreckung des Todesurteiles beizuwohnen. Dort angekommen wurde der Armesünder in die Schranken von den Henkersknechten hineingeführt und dem Henker übergeben. Dieser hatte sich bereits in der Frühe unter Bedeckung von 6 Kaiserjägern zum Amtshause begeben, hierauf aber, nachdem er den Verbrecher gebunden und seinen Knechten anvertraut hatte, war er, von der nämlichen Wache geschützt, vorausgeeilt, um die nötigen Veranstaltungen zur schnellen Hinrichtung zu treffen. Als die Exekutionskommission beim Galgen ankam, stand er schon vorbereitet da, bekleidet mit einem gelben Beinkleid, Leibchen und Stiefeln. Im Gürtel trug er ein Hirschmesser. Hut und Stock hatte er bereits auf die Seite gelegt.

Bevor nun die Hinrichtung stattfand, wandte sich der Verurteilte an das Volk, warnte es mit noch vernehmlicher Stimme vor Lügen, forderte aber zugleich die Eltern und Vormünder auf, die Nachtschwärmereien und die unerlaubten Bekanntschaften beiderlei Geschlechts mit Nachdruck ihren Kindern abzustellen, weil er auf diesem Wege zur gegenwärtigen Todesart gekommen sei. Hierauf wurden ihm vom Henker die Haare am Genicke abgeschoren und das Röckl am Rücken samt dem Hemd aufgeschnitten, um das Brechen des Genickes besser vollführen zu können. Dann bestieg der Armesünder mit dem Scharfrichter, den er schon am Tage vor der Hinrichtung zu sehen verlangt hatte, was ihm auch gestattet worden war, das Gerüst, richtete sich unter fortwährendem Zuspruch der Geistlichen sowie unter beständigem Beten und lautem Weinen und Heulen des Volkes nach dem Willen des Henkers und nach wenigen Augenblicken hörte man das Krachen des abgestoßenen Genickes, wodurch der Verbrecher zum schnellen Tode befördert wurde. Der Henker blieb noch eine Zeitlang auf des Hingerichteten Körper in gleicher Stellung und ließ sich auch fortwährend von seinen 2 Knechten dessen Füße anziehein, um so zu verhindern, daß sich noch einige Spuren von Lebensgeistern zeigen könnten.

Die Leiche, welche nun bereits kalt geworden war, wurde am Nagel frei hängend gelassen, der Henker aber sprang vom Gerüste herab und verneigte sich tief vor dem Exekutionskommissär, der mit den übrigen Beamten und Praktikanten sich zu Pferde dem Galgen gegenüber aufgestellt hatte. Da nun die stumme Verbeugung anstatt der Frage galt, ob er recht gerichtet habe, wurde ihm vom Exekuttionskommissär die Antwort "Ja" mit dem Kopfe zugenickt; denn die Hinrichtung war wirklich gut und schnell vollzogen worden. Das Volk warf sich auf den Boden und betete für die Seele des Armensünders 3 Vaterunser und 3 Ave Maria. Inzwischen begab sich Dechant Zobl auf eine dem Galgen gegenüberliegende und von diesem ungefähr 20 Schritte entfernte Bühne, um eine Rede an das Volk zu halten, die später auch in Druck gelegt wurde.

"Wir haben nun", sprach der Priester mit lauter deutlicher Stimme, "ein schreckliches Schauspiel gesehen, ein Schauspiel, das ich in meinem Leben nicht vergessen werde, ein Schauspiel, das seit 99 Jahren in dieser Gegend nicht gesehen wurde, — nämlich einen Menschen — durch Menschenhand — den Menschen zur Warnung und zum Schrecken hingerichtet.

Wenn aber dergleichen Auftritte gleich schaudervoll sind, so sind sie einmal und allemal in der Welt doch notwendig geworden; denn, was würde aus der Welt werden, wenn die Bösen über die Guten die Oberhand gewönnen? Wenn die größten Verbrecher auf dieser Erde ungestraft blieben? — Kein Mensch würde mehr weder des Lebens noch des Eigentums sicher sein, die Welt würde eine Mördergrube werden, und der Stärkste, Verwegenste, Verschlagenste würde über die Guten triumphieren.

Danken wir also der alles leitenden Vorsicht Gottes, daß sie in der Welt zum Wohle der Menschen Obrigkeiten aufgestellt hat, welche den Ruchlosen nachspüren, selbige festsetzen, und solche Anstalten treffen, daß sie für die menschliche Gesellschaft entweder unschädlich gemacht, oder wenn es nötig ist, auch aus derselben weggeschafft werden; wie gerade dies bei diesem unglücklichen Mörder der Fall war, wo durch die schnelle Rastlosigkert des k. k. Landgerichts Ehrenberg der Mörder beinahe am Lager des verübten Mordes schon aufgegriffen, eingeführt, und zum Geständnis seiner Missetat gebracht wurde.

Ziehen wir aber für uns hieraus die heilsame Lehre: Lieber durch Gehorsam und Untertänigkeit den Schutz der Obrigkeit zu verdienen, als durch Strafmittel zur Gerechtigkeit gezwungen zu werden: Denn der Fürst (oder die Obrigkeit in seinem Namen), spricht Paulus, ist ein Befehlshaber Gottes zu deinem Guten, tust du aber Böses, so fürchte dich; denn er trägt das Schwert nicht ohne Ursache, weil er ein Befehlshaber Gottes ist, um an demjenigen Rache zu nehmen, der Böses tut. (Röm. c. 13. V. 4.)

Warum fiel aber Schaffenrath so tief, daß die Obrigkeit dieses gewaltsame Mittel, ihn durch den Strang wegzuschaffen, ergreifen mußte? — Er fiel so tief, weil er ein Mensch war, und — dies soll uns alle zittern machen: Wo doch der Mensch hinkommen kann. — Er fiel so tief, weil er kleine Fehler verachtete, und endlich in die Tiefe gekommen nicht mehr sah, bis ihn die Hand Gottes züchtigte.

Nachdem Schaffenrath seine Schuljahre sehr gut zurückgelegt, überließ er sich einem jugendlichen Leichtsinn, er bekam eine ziemliche Gewandheit im Lügen, floh die Arbeit, und suchte nur jugendliche Zerstreuungen. Fehler, aus denen man heutzutage nicht viel macht, welche man manchmalen zu entschuldigen pflegt, und wobei man sich mit dem tröstet: Dieser Jüngling, dieses Mädchen wird schon gescheiter werden, wenn es älter wird, wenn es in die Not gerät, wenn es für sich selbst sorgen muß. Allein ist denn das Samenkörnlein nicht klein, aus dem der größte Baum hervorwächst? Ist denn der Feuerfunken nicht klein, aus dem die größte Brunst entsteht? Sagt nicht das Sprichhwort: Wer lügt, der stiehlt, und wer stiehlt, um nicht entdeckt zu werden, was wagt er nicht? Mord und Tod, und nichts bleibt ihm heilig, bis er am Ende seines Lebens am Richtplatz endet; sagt nicht das ewig wahre Sprichwort: Der Müßigang ist der Anfang aller Laster; denn Arbeitscheue bringt kein Brot, leben aber soll und muß man, also richtet man seine Gedanken auf allerlei Kniffe, Betrüge, Uebervorteilungen, heimliche Entwendungen, und wenn diese nicht mehr hinreichen, auf gewaltsame Räubereien, bis Fessel und Kerker und das Schaffot zu verdientem Lohn nachfolgen.

Man erzählt sich: Es hat einer eine Nadel gestohlen, und er hat sein Leben am Galgen beschlossen: und ich sage euch: Kinder! Schaut diesen unglücklichen Menschen an: Eine Lüge war der Anfang seines Elends, er hat das Lügen angefangen und fortgesetzt. er kam soweit, daß er mußte hingerichtet werden; schaut ihn an: er hat sich dem Faulenzen ergeben, und er brachte es soweit, daß er im 27. Lebensjahr sein Leben gewaltsam lassen mußte, schaut ihn an: Er suchte nur jugendliche Zerstreuungen, Unterhaltungen, Zeitvertreibe, und diese rissen ihn so dahin, daß er in die Tiefe kam und nicht mehr sah, wohin ihn seine Leidenschaften stürzten.

Wenn ein Mensch in einen reißenden Strom fällt, so wird er fortgerissen, da er nicht mehr weiß, noch sieht, wohin er komme. Und so geht es dem Menschen, der eine Leidenschaft überhand nehmen läßt; (und wie geschwind hat sie die Oberhand!) sie reißt ihn fort, bis er in den Abgrund fällt, und ihm die Vernunftaugen leider zu spät aufgehen. Ein warnendes Beispiel haben wir an diesem unglücklichen Schaffenrath. Nachdem er mehr erwachsen war, verschwendete er wie der verlorene Sohn seinen Taglohn, er fing zu spielen und zu tanzen an, ließ sich in Liebschaften mit dem anderen Geschlechte ein, bot seinen Pflegeeltern statt des Dankes nur Trotz, und als er sich ohne Geld nicht mehr nach Hause getraute, (denn seinen Sommerverdienst hatte er ganz zersplittert) verfiel er auf den schaudervollen Gedanken, einen Menschen zu ermorden um Geld zu bekommen, einen bekannten Menschen zu ermorden, einen bekannten Menschen unter dem Schein der Freundschaft zu morden Und wie er es gedacht, so geschah es.

Es scheint, gerade auf diesem unglückseligen Wege wandelt ein Großteil unserer Jugend, die ihren Verdienst entweder durch Putz und Eitelkeit, oder durch Schwelgen verzehrt, oft ohne Verdienst in das väterliche Haus zurückkehrt, wo diese Nichtswerten von den ergrauten Eltern müssen zur Winterszeit ernähret werden; oder sie getrauen sich gar nicht mehr in ihre Heimat zurück, und wenn man nach ihrem Betragen nachfrägt, so hört man nichts als vom Schlechten, von Schulden, von Unzufriedenheit, oder kommen sie endlich wieder zum Vorschein, so bringen sie die schöne Kunst mit sich, ihre Eltern zu kränken, ihnen zu gebieten, andere zu ärgern, allenthalben den Großen zu spielen.

Diese Leute entfernen sich von der Religion, weil sie anderswo solche Beispiele sehen, sie fliehen die heiligen Sakramente, weil sie sich dadurch bessern sollten, was sie nicht tun wollen, sie streiten jene Gebote Gottes, die ihrem Wandel im Wege stehen, gegen die Stimme ihres Gewissens an, sie denken weder an Tod und Ewigkeit, und so kommen sie in die Tiefe, daß sie den Abgrund ihres Unterganges nicht sehen.

Schaffenrath hat diesen Abgrund auch nicht gesehen, mußte aber seine Blindheit heute strenge büßen, weil an ihm der Ausspruch Gottes in Erfüllung gegangen: Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch vergossen werden: (Genes. c. 9, 46). Er hat Menschenblut vergossen, und ist deswegen an seinem Blute ersticket worden. So fordert es die Gerechtigkeit; Leben für Leben und Tod für Tod.

Kommet nun her, ihr Mütter! und schaut dieses Werkzeug der Gerechtigkeit recht an; denn dieser Lohn gehört auch euch, die ihr durch euer Betragen eure Kinder im Mutterleibe ermordet, weil ihr Kindermörderinnen seid; kommet her, ihr Wollüstigen und Schwelger, die ihr euch selbst dadurch das Leben abkürzet; denn ihr seid Selbstmörder, kommet her, ihr Verführer! denn ihr mordet unsterbliche Seelen, die nach dem Ebenbilde Gottes erschaffen, und mit dem Blute Jesu erlöst sind; ihr seid Seelenmörder; kommet her ihr Eltern, die ihr alles verschwendet, daß am Ende eure Kinder nichts haben, womit sie sich nach eurem Tode ehrlich ernähren können; und die vielleicht aus Armut auf Wege geraten, daß man sie mit blutigen Zähren beweinen möchte, und wer anderer als ihr hat dazu die Anstalten gemacht?

Bei allem dem aber, daß die göttliche und menschliche Gerechtigkeit diese öffentliche Genugtuung von Schaffenrath forderte, blicken doch in seiner Geschichte die herrlichsten Strahlen der Barmherzigkeit Gottes hervor. Und wie dies? Gerechtigkeit und Barmherzigkeit nebeneinander? Ja neben- und miteinander; denn der Herr hat dieses verlorene Schaf gesucht, weil er ihn gleich nach der ersten Tat aufkommen ließ, sonst, bekannte Schaffenrath selbst, wäre er noch mehr in die Tiefe und am Ende in Verstockung und Verzweiflung geraten: — weil ihm der Herr ein halbes Hahr im Gefängnis gönnte, wo er viele geistreiche Bücher las, reumütig wie ein Manasses betete, sein Gewissen aufs genaueste entfaltete und die heiligen Sakramente mit Eifer empfing: — weil ihm der Herr sein Gefängnis so erleichterte, daß er selbst eingestand, er habe nie Langeweile gehabt: — weil ihm der Herr das Licht gab, es geschah ihm ganz recht, und er sei unendlich zufrieden, wenn sich Gott mit der Aufopferung seines Lebens begnügen werde. Freunde! Diese Gesinnungen kommen nicht von Fleisch und Blut, sondern sie sind Wirkungen der Gnade Gottes, welche auch das rohe und wilde Herz eines Mörders umzuschmelzen weiß.

Endlich muß ich mich noch eines Auftrages entledigen, den er als wie ein Testament bei mir hinterleget hat: Ich soll alle jungen Leute in seinem Namen bitten, sie sollten aus seinem Beispiele erlernen, das Lügen, den Müßigang und die Liebschaften zu fliehen, damit sie nicht in das Elend verfallen, in das er verfiel: Ich soll die Eltern in seinem Namen beschwören, doch über ihre Kinder zu wachen, das nächtliche Herumschweifen, nächtliche Besuche nicht zu dulden, denn mit Bösen sei er noch böser, noch kecker geworden. Ich soll dem Herrn Landrichter in seinem Namen öffentlich danken; denn dieser hat zwar das Gerichtsurteil über ihn veranlaßt, er hat aber doch an ihm einen überaus guten Vater gehabt. Ich soll allen Priestern, besonders aber dem Kloster in Reutte, für ihre Mühe und Besuch, Lehren und Zusprüche, Schritte und Tritte danken. Danken soll ich jenen, die ihm zur Zeit seines Hierseins Gutes erwiesen, für ihn, ohne daß er es früher wußte, viel gebetet, und wenn er dorthin komme, wo der ewig barmherzige Gott, wohne, wolle auch er für uns alle beten; dies trug er mir auf, um dies bat er mich öfter mit weinenden Augen.

Vielleicht ist er nun angekommen, wo Gott wohnet, — vielleicht hat er jetzt schon aus Gottes Mund selbst wie der zur Rechten unseres Erlösers gekreuzigte Mörder, die Worte gehört: Heute noch wirst du bei mir im Paradiese sein; (Luc. c. 23. V. 43.) denn Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern nur, daß er sich bekehre und ewig lebe.

Bevor wir nun von diesem Orte in unsere Wohnungen zurückkehren, wollen wir den Verstorbenen noch einmal ansehen: sehet, er ist todblaß geworden, aber auch wir werden einmal so werden; leben wir daher so, wie wir im Tode wünschen gelebt zu haben; denn im Tode ist die Wahrheit , sprachen schon die Heiden, vergesset dieses Totenbild nicht, sondern erzählet es euren Kindern und Kindeskindern. Betet für den Verblichenen; denn er war ein Christ, wie wir, er war ein Sünder, und sündige Menschen sind auch wir. Vergesset es endlich nie: Vom Kleinen kommt man zum Großen, und von diesem Kleinen und von diesem Großen wolle uns alle Gott bewahren. Amen".


Nachdem die Menschenmenge unter unausgesetztem Weinen und Schluchzen die eindringlichen Worte des Dekans angehört hatte, wurde die Hinrichtung als vollzogen erklärt und bloß zur Bewachung des Körpers der Amtsdiener Wechselberger aufgestellt, der aber Zugleich beauftragt war, auch auf die Geschenke Obacht zu geben, die auf ein neben dem Galgen vom Scharfrichter selbst ausgebreitetes Tuch hingelegt worden waren. Kaiserjäger und Schützen rückten hierauf ein, auch die Exekutionskommission ritt insgesamt nach Hause, begab sich aber nach Sonnenuntergang wieder auf den Richtplatz, wo bereits der Henker zu Stelle war und gerade neben dem Galgen ein 6 Schuh tiefes Grab** durch seine Knechte und den Wasenmeister Georg Miller von Vils, der als gerichtlicher Abdecker vormittag den Armensünder-Wagen als Fuhrmann besorgte, hatte aufwerfen lassen, um den Körper des Hingerichteten Schaffenrath vorschriftsmäßig zu verscharren.

Kaum war die Kommission beim Galgen angelangt, wurde auf Befehl des Exekutionskommissärs die Leiche abgenommen und von den beiden Henkersknechten samt den Kleidern in das Grab geworfen, das dann von diesen und dem Wasenmeister zugemacht wurde. Der Exekutionskommissär erklärte hierauf, daß nun die Exekution gänzlich vollzogen sei, und lud den Freimann mit seinen Knechten zum Beweise der besonderen Zufriedenheit auf einen Trunk ein, den er im Postwirtshause angeschaffen hatte. Diese bedankten sich hiefür, worauf der Henker das geschenkte Geld samt dem Tuche zusammenraffte und es in den Dekanatswidum nach Breitenwang trug, wo es nach dem letzten Willen des Hingerichteten verteilt werden sollte.

Das Volk, welches noch immer zahlreich beim Galgen versammelt war, ging nun ganz auseinander, und auch die Kommission entfernte sich nach Hause, nachdem zuvor der Galgen samt Zugehör von sämtlichen Vorstehern der Hauptladen von Bichlbach und Reutte abgetragen und verbrannt worden war, wogegen diese anfänglich Einspruch, erhoben, sich aber schließlich doch dem Willen des Gerichtes gefügt hatten.


Petersberg
silz, inntal, st. petersberg

der Reichsarbeitsdienst
tannheim, rad, reichsarbeitsdienst

Stanzach
stanzach, ludwig reiter


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