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Ein Dorfidyll (1927)
Aus: Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 13. Mai 1927
Wie der "Außferner Bote" aus Schattwald berichtet, ist vergangene Woche dort die ganze Bevölkerung in Aufruhr gebracht worden.
Jung und alt war auf den Beinen längs der Vils. Von Zöblen (Pflöglmühle) brachte der hochbejahrte Ambros Wötzer (Pflöglmüller) im Laufschritt die Kunde, daß an seinem Rechen eine Leiche vorbei schwamm. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Kunde in ganz Schattwald und alles lief mit Stangen und Grießhacken zur Vils hinunter, um die Leiche zu bergen. Nur mit größter Mühe gelang es an der Staumauer des Elektrizitätswerkes den vermeinten Verunglückten aufzufangen. Als man die in rote Fetzen gehüllte "Leiche" hervorzog — es ist nur schade, daß es nicht der 1. April gewesen —, war es nichts anderes als ein Wagenteil, der irgendwo unterwegs an einer Staude einen alten abgeworfenen roten Unterrock aufgegriffen hatte. So ging nun die unnötig alarmierte Menschenmenge mit der "Leiche", von Knaben gezogen, in das Dorf zurück. Hier war bereits die Desertation des Wagens telephonisch von Tannheim gemeldet worden.
In Tannheim war nämlich die ehrsame Jungfrau Anna Kleiner (vulgo Köllehanse Anna) wieder einmal vom Putzteufel ergriffen und hatte ihr Augenmerk gerade ihrem alten Dungwagen zugerichtet, beförderte ihn in Hennemüllers-Tränke, um ihn dort einzuweichen. Bei den heißen Mittagsstunden der vergangenen Woche stieg das Wasser zusehends und die Fluten der sonst ziemlich harmlosen Vils waren nicht zufrieden mit dem Schmutz, der sich vom Wagen loslöste, sondern wollten auch ihn selbst haben und entführten ihn deshalb.
das alte Gasthaus zur Traube in Schattwald - etwa um 1900
