Aus: Illustrierte Technik für Jedermann - Heft 50 (1927)
Zu dem eben in Ausführung begriffenen Plan einer Ueberleitung der Vorarlberger Großwasserkräfte nach Deutschland tritt ein Projekt amerikanischen Ausmaßes. Der Lech soll vor seinem Uebertritt über die bayerische Grenze durch ein Wehr gestaut und in einer 29 km langen, teils aus Stollen, teils aus offenem Kanal bestehenden Ueberleitung dem landschaftlich so schönen Heiterwangersee und Plansee an der Bahnlinie Garmisch—Reutte in einer Menge bis zu 18 m³/Sek. zugeführt werden.

Der Plansee soll, nachdem die Ortschaft Heiterwang durch einen Damm gesichert ist, um 9 m gestaut einen nutzbaren Stauraum von 75 Mio m³ ergeben. Von hier soll ein 5,9 km langer Stollen und mächtige Rohrleitungen das für 130 000 PS ausgebaute Kraftwerk an der bayerisch-tiroler Grenze bei Griesen speisen. Die hier vorbeifließende Loisach soll ihre größeren Wassermengen in die Weiterführung dieses Kanals abgeben, bei Niederwasser dagegen umgekehrt aus dem Abwasser des Kraftwerks Zuschuß erhalten. Eine 35,7 km lange weitere Ueberleitung aus Stollen und Kanälen soll 17 m³/Sek. dem Walchensee zuführen, wonach in einem zweiten Kraftwerk neben dem Walchenseewerk mit 180 000 PS Maschinenleistung eine zweite Ausnutzung erfolgt, so daß fast 500 Mio kWh jährlich gewonnen würden. Man sieht, wie die heutige Energiewirtschaft weder vor Entfernungen noch vor Landesgrenzen Halt macht.
Aus: Ausferner Bote vom 12. Mai 1927
Wir haben kurz über den geplanten Bau eines Riesenelektrizitätswerkes am oberen Lech berichtet. Das neue Projekt erinnert in seinen Ausmaßen an amerikanische Projekte. 400-Tsd-Pferdekräfte soll es liefern, Dörfer sollen einfach verschwinden. So schön die Erstellung eines solchen Werkes auch wäre, muß man doch auch den klaren Blick nicht verlieren. Süddeutschland, das den Strom abnehmen will, hat kürzlich mit den Achenseewerken einen Stromlieferungsvertrag abgeschlossen. Trotz dieser beträchtlichen Stromabnahme hat aber das Achenseewerk heute schon neuen abgebbaren Strom, nach dem vollständigen Ausbau jedoch einen ganz ungeheuren Stromüberschuß. Wozu also dann ein neues Werk, wenn die Abnahme nicht gesichert ist? Wieviele Industrien müßten nach Süddeutschland wandern, um diese 400000 PS zu verbrauchen? Wie man aus Erfahrung der letzten Jahre weiß, haben sich in die meisten Projekte Rechenfehler eingeschlichen. So ist es bekannt, daß das mit Riesenkosten erbaute Werk am Arlberg nicht annähernd so viel Kraft gibt wie berechnet; nun soll auf einmal auf ein so ungewisses Projekt hin ein ganzer Bezirk landschaftlich zerstört werden. Denn der Lech hätte dann in seinem Mittellauf bis unter Reutte keinen Tropfen Wasser; auch würde sich sein Geröll so ober Reutte aufstauen, daß dort eine Geröllmauer sich auftürmte. Heiterwang verschwindet einfach ganz. Sind die 400000 PS wert, einem ganzen Dorfe die Heimat zu nehmen? Was Väterfleiß durch Jahrhunderte im Schweiß dem Boden abrang, soll in den Fluten verschwinden.
Die betroffene Bevölkerung setzt sich gegen dieses Vorhaben zur Wehr, da sie den Verlust ihrer Heimat und ihrer angestammten Höfe befürchtet. Man ist entschlossen, sich mit allen verfügbaren Mitteln gegen das Vorhaben der "Württemberger-Gesellschaft" zu verwehren.
Man ist sich beispielsweise in Häselgehr sicher, dass eine Stauung des Lechs eine ganze Litanei an Problemen aufwerfen würde: Anstieg des Grundwasserspiegels, ständige Verlegung des Stauwehres und der Abläufe mit Geschiebe, Versumpfung der Weideflächen und Felder und viele andere mehr.