Ernährungsnot im Bezirk Reutte (1918)
Aus: Außferner Zeitung vom 3. Aug. 1918
Am 31. Juli mittags, dreiviertel 12 Uhr, versammelte sich eine nach Hunderten zählende Volksmenge, Männer, Frauen und Kinder vor dem k. k. Amtsgebäude, welche sich unter Führung des Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten Müller zum Herrn Bezirkshauptmann Dr. Peer begaben. Der Bürgermeister gab namens der anwesenden Bevölkerung dem Herrn Bezirkshauptmann kund, daß die letzten Zuweisungen von Lebensmitteln kaum für zwei Tage ausreichten und die Leute schon derart hungern müssen, daß sie vor dem Zusammenbruch stehen, geschweige denn noch ihren schweren Berufspflichten verschiedener Art nachgehen zu können. Es sei hier rasche und ergiebige Hilfe durch sofortige Ausgabe von Lebensmitteln unerläßlich, um nicht Hungers sterben zu müssen. Ferners wies derselbe auf rasche Durchführung ausgiebiger Wildabschüsse, Auflassung der vielfachen Sonderzuweisungen an Wirte für die sich täglich mehrenden Fremden hin, für welche der Bedarf an Lebensmitteln dem Konsum der hiesigen Bevölkerung entzogen wird und zudem noch nebenbei Hamsterei betreiben. Viele der Anwesenden brachten ihren Unwillen separat noch mündlich in markanten Worten auf Grund tatsächlicher Begebenheiten von Sonderzuweisungen durch die k. k. Bezirkshauptmannschaft zum Ausdrucke und verlangte entschiedene Abstellung derselben. Die Beschwichtigungen des Herrn Bezirkshauptmannes unter Hinweis der mangelhaften Zuschübe vermochte die hungernde Bevölkerung nicht zufrieden zu stellen und versprach derselbe dem Verlangen des Bürgermeisters nachzukommen: Se. Exz. den Statthalter sofort von der herrschenden Notlage
zu verständigen und ungesäumt Lebensmittelzuschübe zu verlangen und andererseits heute noch Lebensmittel zur Ausgabe gelangen zu lassen. Dem Bürgermeister mit dankerfüllten Herzen zujubelnd, zerstreute sich die hungernde Bevölkerung in dem Bewußtsein, doch etwas wieder zu bekommen.