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Was geschah mit Adelheid? (1916)
Während der Zeit des
1. Weltkrieges wird in den Blättern der Außferner Zeitung wiederholt die mutmaßliche Verrohung und der sittliche Verfall der Jugendlichen, bis hin zu den noch kleineren Kindern, angeprangert.
So wird dort in den Ausgaben des Blattes im Juli 1916 folgender Fall berichtet:
Aufsicht auf die Kinder. Täglich kann man in verschiedenen Zeitungen von zunehmender Verrohung und sittlicher Verkommenheit der Jugend lesen. Ob da nur der Krieg schuld ist oder ob nicht der Keim dazu schon vorher im Herzen wucherte, ist nicht so leicht festzustellen. Die Hauptschuld daran ist jedenfalls das schlechte Beispiel der Eltern und die mangelhafte Beaufsichtigung. Man läßt die Kinder ganz nach ihrem Willen laufen, wohin sie wollen und mit wem sie wollen. Alle Vorgänge im Hause, im Stalle, Geburts- und Ehesachen, Liebesgeschichten, sonstige tolle Streiche, werden vor den Kindern abgeredet, von allem dürfen sie wissen, bei allem dürfen sie zusehen. Wie weit solche Kinder kommen, beweist ein Vorkommnis der jüngsten Zeit. Man sollte es kaum für möglich halten, daß zehn- und elfjährige Buben so frech, schamlos und grausam handeln können. Ihr Opfer, ein sechsjähriges Mädchen, liegt rettungslos darnieder. Die Schwester dieses sauberen Brüderpaares — ein zwölfjähriges Mädchen — hat das Kind festgehalten, damit die zwei Buben leichter hantieren konnten. Solche verwahrloste, sittlich verkommene Kinder wirken ansteckend wie die Pest und sind in Besserungsanstalten unterzubringen. Darum, Eltern, paßt auf eure Kinder auf! Von euch verlangt der Schöpfer die zarte Kinderseele zurück. Die Klagen über die schlechten Kinder werden verstummen, wenn ihr mit gutem Beispiel vorangeht und sie strenge bewacht. „Laßt uns besser werden, — Bald wirds besser sein. "
In der Zeitungsausgabe der nächsten Woche war zu lesen:
Aus Häselgehr, Lechtal, wird uns geschrieben: "Der schnellste Reiter ist der Tod, er überreitet das Morgenrot," sagt der Dichter. Schon in den Morgenstunden des letztvergangenen Freitags verkündeten zwei kleine Glöcklein vom Kirchturm, daß das sechsjährige, auf bekannte schamlose und grausame Weise mißhandelte Mädchen Adelheid Stoß ausgelitten hat und im Klange dieser Sterbeglöcklein lag einerseits etwas ungemein Vorwurfsvolles für die Schuldigen an diesem tragischen Ende des armen Kindes, andererseits aber auch etwas Warnendes und Flehendes für alle Eltern, ihre Kinder besser in Aufsicht und Zucht zu nehmen, als es bisher meistens geschah.
- Friede den Toten und Trost den Lebenden!
In den Matrikelbüchern von Häselgehr ist das Ableben der kleinen Adelheid (gebürtig von Lähn bei Bichlbach) notiert - bei dem Eintrag für 'Krankheit und Todesart' ist jedoch 'Miliartuberkulose' als für den Tod ursächlich eingetragen.
Was stimmte also? Und was nicht?