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Von der Nagelschmiede in Tannheim

von K. Kuntscher (1957; Tiroler Heimatblätter, Heft 4/6, S. 44)





In Schmieden, einer Fraktion von Tannheim, fallen dem etwas aufmerksameren Beobachter zwei kleine, freistehende Baulichkeiten auf, die sich nicht recht in den Baustil der dortigen Wohn- und Wirtschaftsgebäude einfügen: ebenerdige, einräumige Häuschen von etwa 6 mal 6 Meter Grundfläche, aus immer noch solid scheinendem Mauerwerk, die heute als Wirtschaftsgebäude zum Aufbewahren von Wagen, Geräten oder Heu verwendet werden. Es sind alte
in der Nagelschmiede
Schmiedewerkstätten, Nagelschmieden, von denen diese Häusergruppe wohl auch ihren Namen hat; bis in die Zeit nach dem ersten Weltkrieg stand hier noch eine dritte solche Schmiede, die in den zwanziger Jahren abgetragen wurde. Auch in der benachbarten Häusergruppe Bogen stand, wie man von alten Leuten erfährt, noch um die Jahrhundertwende eine Nagelschmiede und aus der Grundbuchmappe sowie aus einem Bauparzellenverzeichnis kann entnommen werden, daß auch in Oberhöfen, dem unserer Fraktion zugewendeten Teile der Gemeinde Tannheim, drei Nagelschmieden waren. Auf engem Raum also sieben Nagelschmiedewerkstätten, in denen man Schuhnägel einfacher Art erzeugte, die wohl auch im Land, der Hauptsache nach aber im benachbarten 'Bayerischen und Schwäbischene' abgesetzt wurden.

Wenn man hört, daß in jeder dieser Werkstätten manchmal zwei oder gar mehrere Leute arbeiteten, wahrscheinlich auch abwechselnd - an Jahresbetriebe oder Vollbeschäftigung in unserem heutigen Sinne darf man natürlich nicht denken -, dann kann man von einer recht beachtenswerten Kleinindustrie sprechen, die nicht unerheblich zu den Unterhaltskosten der Bewohner dieses landschaftlich schönen, aber eben nur für Gras- und Viehwirtschaft geeigneten Hochtales beitrug.

In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant, in das sogenannte 'Bau-Parzellen-Protokoll der Gemeinde Thannheim...' aus dem Jahre 1856 Einsicht zu nehmen, das die Gliederung der Bewohner nach Berufen in der damaligen Zeit widerspiegelt: Sind die Ortschaften Bogen, Geist, Kienzen, Kienzerle und Untergschwend mit ihren 45 Hausnummern rein bäuerlich, da 43 Hauseigentümer als Bauern genannt werden, so ist Schmieden, wie schon eingangs bemerkt, die Fraktion der Nagelschmiede, da bei 18 Hausnummern außer neun Bauern und einem Hirten sowe zwei Leuten vom Baugewerbe (je ein Stukkateur und Zimmermann) gleich fünf Nagelschmiede verzeichnet werden. Innergschwend mit seinen 13 Häusern könnte man die Fraktion der Maurer nennen, da neben nur drei Bauern fünf Maurer, ein 'Stukator' und ein Steinhauer als Hauseigentümer angeführt sind, während ein Müller und Bäcker für deren leibliches Wohl sorgten. Die Ortschaft Berg mit 40 Häusern weist neben 31 bäuerlichen Hauseigentümern vier vom Baugewerbe (Maler, Glaser, Tischler) auf, während gleich fünf Schuster und Schneider als Bekleidungskünstler tätig waren. Bei den Hauptortschaften Unter- und Oberhöfen, rings um Kirche und Schule, zählt das 'Protokoll' bei 72 Hausnummern 43 Bauern und nicht weniger als 29 Gewerbetreibende als Hauseigentümer auf: Je ein Schmied, Schlosser, Spengler und zwei Nagelschmiede repräsentieren das metallverarbeitende, ein Tischler und vier Zimmerleute das holzverarbeitende Gewerbe. Ein Schneider, zwei Schuster, zwei Gerber und ein Weber sorgen für Bekleidung und Webwaren und fürs 'Leibliche' waren zwei Müller, drei Bäcker, drei Krämer, vier Wirte und sogar ein Brauer - bemerkenswerter Weise aber kein Fleischer - tätig.

Über die Gesundheit der Tannheimer wachte in Unterhöfen im Haus Nr. 40 ein Wundarzt und Wege und Straßen - die Kommunikationsmittel, wie man damals sagte - hielt der Wegmacher in Ordnung. Daß alle diese Tätigkeiten auch ihre zeitliche Richtigkeit hatten, war Sache des Uhrmachers.

Nun, da hundert Jahre vergangen sind, hat sich mancherlei geändert. Unsere Nagelschmiede sind längst dahin, auch die 'Stukatore', der Brauer und der Wundarzt damaliger Prägung. Manche Berufe werden heute mehr, andere weit weniger oder gar nicht ausgeübt, neue Berufe und mechanisierte Betriebe sind, den Zeitläufen entsprechend, dazugekommen, ziemlich unverändert aber blieb, als ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht, das bäuerliche Element.


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