Bauerntabak (Herba nicotinea rustica)
Erwischte Schmuggler
aus: Tiroler Volkstypen, Ludwig Hörmann von Hörbach (1877)
"Fast in allen Gegenden, welche nahe an einer Landesgrenze liegen, gibt es Leute, die sich mit dem gefahrvollen, aber einträglichen Handwerk des Schmuggelns oder 'Schwärzens' beschäftigen.
Das Volk kann es nun einmal nicht begreifen, wozu das Gesetz der Verzollung gut sein soll, und will es auch nicht begreifen; es dünkt ihm ganz natürlich und recht, die Waren dort zu kaufen, wo sie billiger zu haben sind. Was nicht im Katechismus direkt verboten ist, gilt nicht als Sünde, und von den moralischen Verpflichtungen eines Staatsbürgers haben die Wenigsten einen klaren Begriff. Dass das 'Schwärzen' ein Vergehen sei, denkt kein Mensch, um so mehr, als sich selbst die Geistlichkeit aus der Übertretung des Zollgesetzes, so wie beim Wildern auch, häufig nicht viel daraus macht, wenn nur nicht Sonn- und Feiertage dadurch entheiligt werden.
Wen wundert es, wenn sich arme Leute, besonders kräftige junge Burschen, den die Strapazen und haarsträubenden Gefahren dieses lichtscheuen Handwerks ein Kinderspiel scheinen, durch den lockenden Gelderwerb zum Schleichhandel verleiten lassen..."
Da im alpinen Raum schon aufgrund der rauen klimatischen Verhältnisse kaum ein Anbau von Feldfrüchten möglich war, waren die Menschen gezwungen diverse Güter wie Getreide, Zucker, etc. von außerhalb herbei zu schaffen. Auf den Höfen in der Gebirgsregion herrschte jedoch meist finanzielle Not, weshalb zu Beginn noch mit Sachgütern getauscht wurde. Die Pfade über die Jöcher standen schon seit jeher als Verbindungswege in Gebrauch, die Bewohner des Gebirges standen mit jenen des Alpenvorlandes im regen Kontakt und tauschten ihre Güter untereinander oder erwarben diese.
Die Einführung einer Steuer auf den ordentlichen Warenverkehr ergab wohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts das Startsignal für den Schmuggel, welcher auch bald zu einem recht einträglichen Broterwerb wurde. In einem Steuerakt über Zölle und Mauten aus dem Jahr 1790 aus Reutte wird auch der Schleichhandel aufgeführt.
Kaffee, Zucker, Salz, Baumwoll-, Seidenstoffe und Steingutwaren zählten zu den gefragtesten und meistgeschmuggelten Gütern, welche bei Nacht und Nebel über die Grenze getragen wurden. Allen voran aber stand der Tabak, da nach Einführung des Tabakmonopols im Jahr 1836 der Anbau eigenen Tabaks verboten wurde. Lediglich vereinzelt wurde das Gelbe Lauskraut oder auch "Bauerntabak" genannt angebaut.
Von dieser Tätigkeit des Schmuggels zeugen noch heute zahlreiche Flurnamen oder Bezeichnungen für Pfade und Steige im alpinen Gelände. Etwa die Schwärzerscharte zwischen Urbeleskar- und Bretterspitze, der heute wieder touristisch belebte Schmugglersteig bei Schattwald oder auch der Schwärzerweg zwischen Vils und Füssen.
Die stark frequentierten Übergänge wurden stets auch von den sogenannten Cordonisten oder Gendarmen begangen und überwacht. Den Schwärzern blieben also meist nur die entlegensten Winkel und Durchschlupfe um auf die andere Seite zu gelangen. Über Wild- und Gamssteige mogelten sie sich über die Grenzlinie. Oft auch sehr früh in der Dämmerung oder in den Abend- und Nachtstunden, vorzugsweise bei Vollmond, was das Unterfangen aber nicht weniger schwierig und gefährlich machte.
Innsbrucker Zeitung vom 15. Dezember 1851
"...worunter wir die Gegend am Lech mit seinen Seitenthälern bis hinauf nach Nauders und Graun und an die Quellen der Etsch verstehen, ist der Bedarf am stärksten wegen der Unfruchtbarkeit des Bodens sowohl, als der Uebervölkerung. Der Stappelplatz dieses Handels ist Reutte, wo von Ober-Schwaben her in der sogenannten Schwäbischen Zeit auf der dortigen Schranne die Kornvorräthe verkauft oder nach Umständen auch aufgespeichert werden.
Diese wichtige Schranne wird von den Bauern selbst besucht und die Konsumenten kaufen unmittelbar von ihnen, mitunter werden wohl auch von armen Leuten kleine Quantitäten herein geschmuggelt und es hat mit der Gefällenwache schon so manchen Kleinkrieg in Tanheim und Binswang gegeben, wie die Kriminalakten leider weisen..."
In einigen Familien geriet das Schmugglerwesen gar zur Familientradition. Der Sohn tat es dem Vater gleich und übte sich schon früh im Tragen schwerer Lasten, lernte listig vorzugehen und unerschrocken zu sein. Fast immer waren die Schwärzer in Gruppen unterwegs und nur äußerst selten allein. Wenn sie dann doch einmal von der Grenzstreife ertappt wurden, folgte auch schon einmal eine handfeste Auseinandersetzung. Sogar zur Schusswaffe wurde gegriffen wenn sich die Verfolgten zu arg bedrängt fühlten. Gegenseitig beschossen sich die Gesetzeshüter und die Gesetzesbrecher. Auch Tote forderte dieses Geschäft. Es war eben auch ein Grenzgang zwischen Leben und Tod, Freiheit und Zuchthaus.
Auch zu den übrigen Bewohnern der Bergregion unterhielten die Schmuggler meist ein freundschaftliches Verhältnis. Die Senner, Jäger und Wildschützen halfen oft dabei die Grenzer zu täuschen und in die Irre zu führen. Als Lohn für den Dienst gab es dafür auch immer wieder einmal ein Päckchen des besten Tabakes.
"...einmal hatte sich ein Schwärzer einem Grenzer ergeben müssen, der ihm wie üblich seinen schweren Pack abnahm und in Richtung Wachposten trug, den Gefangenen bei der Hand. Unterwegs kamen sie in's 'huagarten' (miteinander ein Schwätzchen halten) und wurden schließlich ganz vertraut miteinander. Da meinte der Schwärzer: 'Geh, ist schon ein schweres Ding, ich will ihn für dich tragen.' Der arglose Grenzjäger, froh, der schweren Bürde entledigt zu sein, gab den Pack an den anderen ab. Keuchend schleppte der Gefasste die schwere Ladung den Weg weiter. An einem schmalen Wegstück, dort wo der Steig knapp an einem Bach vorbeiführt, stieß der vermeintliche 'Freund' den Grenzer in's Wasser und nahm mit seinem Pack eilig Reißaus..."
In der Folgezeit des Krieges herrschte auf den Höfen die blanke Not, da war der Schleichhandel nicht mehr nur eine Einnahmequelle, sondern überlebensnotwendig. Vor allem Vieh wurde über die Jöcher getrieben, die Hufe in Fetzen gewickelt, damit man ihre Spur nicht verfolgen konnte.
Auch bei den christlichen
Bittgängen, welche einst etwa von Pinswang aus nach Füssen abgehalten wurden, transportierte man Waren über die Grenze. Meist banden sich Frauen Bündel um den Leib oder versteckten unter dem Rock die zu schmuggelnde Ware. In Füssen fanden sich die geeigneten Abnehmer für die oft aus österreichischen Tabakwaren bestehenden 'Lieferungen'.