Chronik
für das Jahr 1908
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Aus: Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 10. März 1908
"...Tatbestand
Am Abend des Neujahrstages wurde in einem Gasthause zu Höfen Karten gespielt; nach Schluß des Spieles begann der betrunkene Maurer Josef Singer auf Frick zu schimpfen, bis dieser etwa um 10 Uhr das Gasthaus verließ. Eine Stunde später ging auch Singer in Begleitung des Lehrers und eines anderen Maurers nach Hause. Als sie dabei an dem Hause des Frick vorbeikamen, hörten sie diesen darin streiten. Beim Hause Singer verließen die beiden diesen, hörten ihn aber noch lauf auf Frick hinüberschimpfen. Frick kam zu dem Fenster und es entstand ein Wortwechsel, in dessen Verlauf Frick aus dem Hause trat und mit einem Griff drohend dreimal den Singer aufforderte, er solle nur kommen, wenn er von ihm etwas wolle.
Indessen hatten sich beide gegenüber gestanden; dann war es einen Augenblick still, worauf man einen dumpfen Fall und bald darauf jemanden in Fricks Haus treten hörte. In dem Augenblicke, als Singer niederstürzte, kam dessen Sohn und Tochter aus dem Hause, um nach dem Vater zu sehen, den sie bewußtlos mit blutendem Kopf auf der Straße liegend fanden. Frick hörten sie noch sagen: 'So, jetzt habe ich Ruhe vor dir.'...
Das Verhör mit dem Angeklagten
'Ja, schuldig bin ich schon, aber nicht so. Es hat sich anders zugetragen...
...bin ins Bett gegangen. Das war so nach 10 Uhr. Nach einiger Zeit habe ich einen Lärm gehört. Ich machte das Fenster auf und schaute hinaus. Da stand der Singer draußen und schimpfte und fluchte: 'Die ganze Bande muß hin sein! Ich mach sie alle hin!'
Ich rief ihm zu, daß er mich in Ruhe lassen solle, ich habe einen 'Griff' vor der Türe.'
...Ja, ich bin (die Treppe) herunter, und zwar im Hemd und barfuß... [...] ...ich musste (die Tür) aufsperren. Ich fürchtete, er werde durch den Stadel eindringen. Ich stand unter der Türe, stieß den 'Griff' mehrmals auf die Schwelle...
...da kam er schnell auf mich zu und ich sah ein Messer blitzen, da schlug ich ihn nieder...
Das Urteil
lautete auf Verbrechen des gemeinen Todschlages, begangen an Josef Singer... [...] ...zwei Jahre schweren Kerker, verschärft durch einen Fasttag im Vierteljahre und Dunkelzelle am 1. Jänner [...] am Jahrestag der Tat..."
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Ein Gebäude mit angebauter Käserei brennt am 22. Februar in Schattwald ab
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Anfang März will Erzherzog Eugen mit seinem Automobil über den Fernpass zur Truppeninspektion nach Bregenz fahren. Er bleibt auf der Fahrt gegen die Passhöhe aber wegen schlechter Wegverhältnisse stecken. Das Gespann der Eilpost befreit ihn aus seiner misslichen Lage - über die einzige Straßenverbindung in das Außerfern weiß er von da an nichts Gutes mehr zu berichten
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Am 23. April kommt es zu einem Brand in Unterletzen, wobei ein Bauernanwesen samt Stadl des Johann Beirer ein Raub der Flammen wird
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Am 5. Mai wird im Gasthof Post die Gründung des Fremdenverkehrsvereins für den Bezirk Reutte beschlossen
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Am 23. Mai wird im Schattwalder Ortsteil Kappl die Schmiede des F. Braito ein Raub der Flammen
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Unwetter die ganze Woche über bis zum Pfingstsamstag (7. Juni): unwetterartige Regenfälle und Hagelschlag ziehen über weite Teile des Außerferns, einzelne Straßenzüge sind unterbrochen, der Hahlebach (? - eher Sababach) vermurt den Musauer Ortsteil Roßschläg
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Am 2. Juni gehen über Tannheim und Nesselwängle schwere Gewitter mit Hagelschlag nieder. Auch die Bäche treten über die Ufer und richten vor allem bei dem Nesselwängler Ortsteil Getting große Schäden an
id2369Wiener Landwirtschaftliche Zeitung vom 6. Juni 1908
Das Ende eines Dorfes. Das gesamte Gemeindegebiet des kleinen Bergdörfchens Gramais bei Häselgehr, in einem Seitentale des Lechtales gelegen, wurde von einem Vorarlberger Konsortium angekauft, das die Häuser niederzureißen und eine große Alpwirtschaft sowie ein großes Fremdenhotel einzurichten beabsichtigt
Dies war dann auch der Auftakt zum Bau des sogenannten "Gramoaserwegs" auf Karrenbreite. Der Abschluss der Bautätigkeiten an dem Weg erfolgte im Jahr
1911 id2371
Am 12. Juni brennt die Mühle (Hennenmühle) im Ortskern von Tannheim. Die Wehren von Zöblen, Schattwald und Grän eilen zu Hilfe und können den Ort vor dem Schlimmsten bewahren. Einer der Feuerwehrmänner verletzt sich jedoch auf Grund eines Sturzes schwer
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"Im Jahr 1908 suchte ein wandernder Tischlergeselle Arbeit in der Tischlerei in Stanzach. Er arbeitete nicht schlecht, bis der Meister entdeckte, dass er Möbelstücke als Rednertribüne zweckentfremdete und aufhetzerische Reden führte. Der Meister gab ihm einen strengen Verweis, worauf er aber bald den Betrieb verließ. Die Episode wäre längst in Vergessenheit geraten, wenn Ambros Fuchs nicht nach Jahrzehnten sein Bild in der Zeitung wiederentdeckt hätte. Er verglich die noch vorhandenen Arbeitspapiere und stellte fest: Es war Walter Ernst Paul Ulbricht (* 30. Juni 1893 in Leipzig; † 1. August 1973 in Groß Dölln), in den Jahren von 1949 an bis zu seiner Entmachtung 1971 der bedeutendste Politiker der Deutschen Demokratischen Republik."
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Von Hinterbichl über den Frauensee wird eine Steiganlage in das Raintal zur Musauer Alm errichtet
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Am 18. Juli stürzt nahe Schattwald ein mit Torf voll beladenes Trockengestell um und trifft den 84jährigen Anton Lechleitner tödlich am Kopf - er stand über 40 Jahre lang als Jäger des Prinzregenten Luitpold von Bayern in Dienst
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Am 7. August verstirbt der aus Holzgau stammende Heimatforscher Christian Schneller in Rovereto
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Am 5. September ziehen enorme Regenschauer über das Tannheimer Tal und den nördlichen Teil des Bezirkes, es gibt Vermurungen und Hochwasserschäden zu beklagen
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Mitte Oktober scheinen die finanziellen Fragen zur Mittenwaldbahn weitestgehend geklärt. Zur projektierten Fernbahn gibt es Unstimmigkeiten über den Verlauf der Bahntrasse entlang dem Lermooser Moos, da sich die Gemeinde Biberwier in wesentlichen Punkten benachteiligt sieht
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Am 10. November kommt es bei Heiterwang zu einem schweren Unfall - der 35jährige Bauer und Viehhändler Martin Baldauf wird von einem beladenen Fuhrwerk überrollt. Er erliegt kurze Zeit später den massiven Brustverletzungen
id2375Im Krottental, einem kleinen Seitental des
Birkentals, gerät am 12. November eine Fläche von rund 350 ha (ca. 500 Fußballfelder) in Brand. Da die Brandfläche sich recht weit oben am Berg befindet, sind die Löscharbeiten dementsprechend schwierig und die Feuer fressen sich durch die Waldflächen und zerstören dabei auch die Telegraphenleitung