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Chronik



für das Jahr 1922


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Der Vilsfall bei Schattwald wird zur Stromgewinnung genutzt und das neue E-Werk eröffnet. Im Tannheimer Tal (ausgenommen Jungholz) gibt es erstmals elektrisches Licht
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Am 12. Juli zieht ein Gewitter über das Tannheimer Tal. In dem Dorf Haldensee schlägt ein Blitz in ein Bauernhaus ein, welches in kurzer Zeit nieder brennt
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Die Gimpelhütte (Gimpelhaus) wird erbaut
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Am 3. September kommt der Hirte Ludwig Knit(t)el von der Schochenalpe um den sonntäglichen Gottesdienst zu besuchen. Hinter dem Dorf wird er von der Finanzwache angehalten, seinen Rucksack her zu zeigen um diesen auf Schmuggelware zu durchsuchen. Nach einer kurzen verbalen Auseinandersetzung entreißt der Oberkommissar Knittel den Rucksack mit Gewalt und zieht gleichzeitig seine Dienstwaffe. Dabei löst sich, angeblich versehentlich, ein Schuss. Knittel sackt daraufhin zusammen und versucht sich noch fort zu schleppen, verstirbt aber wenige Minuten nach dem Vorfall.
Der Oberkommissar Scharf, ebenfalls aus Holzgau stammend, meldet das Unglück sofort. Das Geschehene hat sich aber inzwischen im Tal herumgesprochen und so empfängt den Beamten anderntags eine aufgebrachte und wütende Menge. Selbst im Beisein zweier Gendarmen wird Scharf angegriffen und nur mit Not kann der vorläufig entkommen. Mehrere Burschen verfolgen und attackieren ihn jedoch abermals.
Scharf kann sich bis Elbigenalp durchschlagen und verstecken. Eilig wird von Innsbruck aus eine Mannschaft von 50 Gendarmen in das Lechtal entsandt, die kommt aber am selben Tag nur bis Reutte und muss dort Quartier beziehen. Als sie am nächsten Tag ins Lechtal weiter wollen, wird ihnen von den hiesigen Fuhrleuten der nötige Vorspanndienst versagt. Umständlich werden zwei Omnibusse und ein Lastkraftwagen organisiert, um die Fahrt doch noch antreten zu können.
In Elbigenalp stellt sich ihnen jedoch ein großer Teil der Talbewohner in den Weg. Es werden nochmals 30 weitere Gendarmen herbei gerufen um die angespannte Situation in den Griff zu bekommen. Letztlich behielt die Staatsgewalt die Oberhand und verhaftete in Summe fast 40 der Aufständler.
Das Ereignis war nicht nur im Außerfern in aller Munde, sondern sorgte in ganz Österreich für Gesprächsstoff.

Aus: Allgemeiner Tiroler Anzeiger vom 19. April 1923

Die Folgen eines Schusses.


Gestern früh wurde die Verhandlung gegen die Lechtaler Bauern fortgesetzt und in den Nachmittagsstunden beendet. Der Verhandlungsgang ergab, daß von den Angeklagten speziell die jungen Burschen starken Widerstand gegen die staatliche Autorität geleistet haben; die älteren der Angeklagten waren diejenigen Elemente, die zur Ruhe und Besonnenheit mahnten. Den letzteren dürfte es zu verdanken sein, daß die Exzesse am 3. September 1922 in Holzgau, Stockach, Bach und Elbigenalp nicht noch schwerere Folgen nach sich gezogen haben.

Die Zeugeneinvernahme dauerte den ganzen Vormittag. Der Gendarmeriepatrouillenleiter Valentin Eller und der Finanzwachoberkommissär Nederegger sagten über die Vorfälle aus, die sich beim Transport des Finanzwachoberkommissärs Josef Scharf nach dem unglücklichen Schuß, der dem Hirten Ludwig Knittel das Leben gekostet hat, von Holzgau nach Elbigenalp abspielten.
Diese beiden Zeugen wiesen daraufhin, daß alle 'Zoller' bei der Grenzbevölkerung mißliebig seien. Deshalb seien auch sie bedroht und geschlagen worden. Revierinspektor Schlegel schilderte die Vorgänge in Holzgau. Die Finanzwachoberkommissäre Rüdiger und Johann Krepper erzählten, wie sie von der Menge in Elbigenalp bedroht und teilweise auch geschlagen wurden. Die Menge habe von ihnen die Herausgabe der beschlagnahmten Schmuggelwaren verlangt, was sie schließlich auch infolge der Drohungen zulassen mußten. Frau Nederegger sprach über den im Grenzgebiet herrschenden Haß der Bevölkerung gegen die Finanzwache. Sie habe die Schmuggelwaren über Rat des Hausherrn herausgegeben, der befürchtete, daß sonst sein Haus beschädigt werden könnte. Frau Maria Rudigier schilderte, wie ihr Mann von der Menge bedroht worden sei. Ein Bursche sei auf ihren Mann mit offenem Bajonett losgegangen und sie habe deshalb ihren Mann mit aufgehobenen Händen gebeten, die Schmuggelwaren herauszugeben. Als letzter Zeuge wurde der Arzt Dr. Epp gehört, der den mißhandelten Scharf in ärztlicher Behandlung hatte. Nach seiner Meinung seien die Verletzungen des Scharf nicht so schwerer Natur gewesen, daß sie eine längere als 20 Tage dauernde Berufsstörung gebracht hätten. Rippenbrüche an sich seien noch keine schwere Körperverletzungen.

Nach Schluß des Beweisverfahrens beantragte der Staatsanwalt die Ausscheidung der Verhandlung gegen den 23jährigen Bauernsohn Ignaz Vonier, da neue Belastungsmomente hinzugekommen seien, deren Richtigkeit erst durch Zeugen erwiesen werden müßte. Die Anklage gegen den 82jährigen Schuhmacher und Bauern Josef Strobel zog der Staatsanwalt zurück. Der Richter gab diesen Anträgen statt und verkündete die Vertagung der Verhandlung gegen Ignaz Vonier und den Freispruch des Josef Strobel.

Nach 10 Minuten langer Pause wurden die Plädoyers gehalten. Staatsanwalt Dr. Knöpfler beleuchtete in rechtlicher Beziehung die einzelnen Tatbestände. Die Finanzwache habe ihre Pflicht erfüllt und sei in Ausübung ihres schweren Dienstes bedroht und Gewaltätigkeiten ausgesetzt gewesen. Erschwerend bei der Strafbemessung sei das Zu­sammentreffen mehrerer Straftaten und die Verletzungen besonderer Art bei Scharf; als Milderung komme die berechtigte und begreifliche Erregung in der Bevölkerung über den unglücklichen Vorfall in Betracht. Diese Erregung sei besonders den Brüdern des Getöteten zuzubilligen.
Als Vertreter des Finanzwachoberkommissärs Scharf erklärte Dr. Kneringer, daß er die Ansprüche des Mißhandelten im Zivilrechtswege geltend machen werde.

Verteidiger Dr. Aschberger trat für Freispruch seiner Klienten Erich und Adolf Knittel ein, die infolge des Unglücks, das ihrem Bruder passiert sei, in begreiflicher Erregung waren.

Rechtsanwalt Dr. Cornet beleuchtete die juridische Seite des Falles.

Die Hauptverteidigung besorgte Dr. Steidle, der in längerer Rede die Verhältnisse des Lechtales darlegte. Durch ein besonderes Ereignis sei die friedliebende Be­völkerung aufgepeitscht und aus ihre Ruhe herausgerissen worden und einer Massenpsychose unterlegen. Die Haupttriebfeder, daß die dortige Bevölkerung zum Schmuggel getrieben werde, liege in der tatsächlich vorhandenen großen Not. Die natürliche Lage des Tales, das von Oesterreich fast vollständig abgeschlossen sei, zwinge die Leute zum Schmuggel. Deshalb sei dort auch der Gegensatz zwischen Bevölkerung und Finanzwache ein viel schärferer als anderswo; leider bringe die Finanzwache nicht immer den notwendigen Takt in der Behandlung der Leute auf. Mit der Gendarmerie komme die Bevölkerung gut aus, aber mit den Finanzern stehe sie fast immer auf Kriegsfuß. Er trat warm für eine bedingte Verurteilung der Angeklagten ein.
Um 8 Uhr nachmittags verkündete OLGR. Dr. Erlacher

das Urteil

Es wurden verurteilt:
Nikolaus Hammerle, 35 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau, zu 6 Monaten strengen Arrest; die Strafe wird vorläufig aufgeschoben und eine Probezeit von 3 Jahren gewährt
Ferdinand Hammerle, 21 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau, 5 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Prüfzeit
Alois Knittel, 26 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau, 2 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit
Erich Knittel, 35 Jahre alt, verehel. Bauer in Holzgau, 1 Woche strengen Arrest, 1 Jahr Probezeit
Adolf Knittel, 32 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau, 1 Woche strengen Arrest, 1 Jahr Probezeit
Josef Bader, 32 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau, 2 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit
Ludwig Dengel, 23 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau, 8 Monats strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Josef Wolf, 36 Jahre alt, verehel. Schmiedmeister in Stockach, 3 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit
Heinrich Wolf, 32 Jahre alt, Bauer in Stockach, 3 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit. Wegen Wollschmuggels über die Mädelealpe wurde er zu einer Woche strengen Arrest verurteilt; diese Strafe hat er sofort abzubüßen und die Wolle wurde für verfallen erklärt
Otto Walch, 37 Jahre alt, verehel. Bauer in Bach, 2 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit
Josef Kaufmann, 24 Jahre alt, Bauernsohn in Elbigenalp, 3 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit
Emmerich Hammerle, 28 Jahre alt, verehel. Gastwirt und Bauer in Stockach, 2 Monate strengen Arrest, 1 Jahr Probezeit
Bernhard Feuerstein, 33 Jahre alt, Frächter und Händler in Bach, 2 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit
Johann Butz, 28 Jahre alt, Bauernsohn in Bach, 8 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Albert Wolf, 28 Jahre alt, Bauer in Stockach, 8 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit. Wegen Schmuggels von Eiern nach Bayern zu einer Woche strengen Arrest; diese Strafe ist sofort abzusitzen
Eduard Walch, 43 Jahre alt, verehel. Gipser in Elbigenalp, 8 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Josef Walch, 34 Jahre alt, Bauer in Grünau, 3 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Rudolf Gottselig, 27 Jahre alt, Bauernsohn zu Hägerau, 3 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Roman Wolf, 29 Jahre alt, verehel. Bauer in Stockach, 2 Monate strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit. Wegen Schmuggels 1 Woche strengen Arrest ohne Strafaufschub
Bernhard Reich, 20 Jahre alt, Holzknecht in Holzgau, 2 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Ulrich Wohlfahrt, 30 Jahre alt, verehel. Bauer in Bach, 4 Monate strengen Arrest, 3 Jahre Probezeit
Josef Anton Huber, 63 Jahre alt, verehel. Bauer in Holzgau, 1 Monat strengen Arrest, 1 Jahr Probezeit
Alfred Kappeller, 26 Jahre alt, Bauernsohn in Bach, 1 Monat strengen Arrest, 2 Jahre Probezeit

Freispruch erfolgte für Karl Knittel, 25 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau; Anton Blaas, 25 Jahre alt Bauer in Holzgau; Guntram Hauser, 23 Jahre alt, Bauernknecht in Steeg; Edmund Hammerle, 40 Jahre alt verehel. Bauer in Holzgau; Othmar Bader, 32 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau; Albert Lumper, 19 Jahre alt, Bauernsohn in Holzgau; Gottfried Dengel, 60 Jahre alt, verehel. Bauer in Bach.

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Am 18. Dezember kommt es in Schattwald zu einem Brand des Widums, wobei dieses zum größten Teil eingeäschert wird
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Mit Ende Dezember wird das Bergwerk Silberleithen in Biberwier stillgelegt

aus: Innsbrucker Nachrichten, 20. Dezember 1924
bergbau silberleithen schließung stillgelegt stilllegung rentabilität

Elbigenalp
elbigenalp, pfarrkirche

Zöblen
zöblen, winter

Reutte
ernberg, gasthof, breitenwang, reutte, gehrenspitze, schneid


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