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Anna Stainer-Knittel

Die echte Geierwally






Maria Anna Rosa Knittel, verehelichte Stainer-Knittel
Geboren: 28. Juli 1841 in Elbigenalp
Gestorben: 28. Februar 1915 in Innsbruck/Wilten
Beruf: Malerin

Anna Knittel, die liebevoll "Nanno" genannt wurde, wuchs als zweites von vier Kindern in der Ortschaft Untergiblen der Gemeinde Elbigenalp im Lechtal auf. Ihre Eltern, Josef Anton und Kreszenz Knittel, lebten als angesehene Leute von der Landwirtschaft und der Büchsenmacherei, die der Vater betrieb. Schon in ihrer Grundschulzeit fiel Annas Talent für das Zeichnen und Malen auf. Sie karikierte ihre Mitschüler auf originelle Weise, was ihre künstlerische Begabung unter Beweis stellte. Die Kunst lag in der Familie, denn ihr Großonkel, Josef Anton Koch, war ein bekannter Maler, der später in Rom lebte und arbeitete.

Berühmt wurde Anna 1858 durch eine mutige Tat: Sie ließ sich in der gefährlichen Saxerwand zu einem Adlerhorst abseilen, um einen erlegten Adler und dessen Jungtier zu bergen. Diese spektakuläre Aktion machte sie weit über das Lechtal hinaus bekannt. Fünf Jahre später, im Jahr 1863, wiederholte Anna dieses waghalsige Manöver, als sie erneut in die Saxerwand hinabstieg, um ein weiteres Jungtier aus demselben Adlerhorst zu holen.
In der Tiroler Volks- und Schützenzeitung wird in der Ausgabe vom 22. Juni 1863 berichtet:
"...nur kühne Jäger würden sich sonst in so ein Wagnis einlassen..."

Auch ansonsten war Nanno Abenteuern nie abgeneigt, etwa als oberhalb der Gibler Alm im Bereich der Böden rund um die sogenannten "Klingellöcher" ein Rind in ein solches gefallen war wurde zunächst ihr Bruder Honnus ein Stück weit abgeseilt. Als diesen der Mut verließ und wieder hochgezogen worden war, wurde Anna in die finsteren Höhlen abgeseilt. Sie konnte dann ziemlich weit unten an einem Vorsprung Blutspuren ausmachen und feststellen, daß es hier noch sehr weit hinuntergeht, wohin das Tier gestürzt sein musste und an eine Bergung nicht mehr gedacht werden brauchte[1].

Diese Entschlossenheit und ihr Streben nach Unabhängigkeit ermöglichten es ihr, sich durchzusetzen und als eine der ersten Frauen an der Kunstakademie in München aufgenommen zu werden. Ein wichtiger Förderer auf diesem Weg war ihr früherer Lehrer und Mentor Johann Anton Falger. Schon in jungen Jahren erhielt Anna von ihm Zeichenunterricht, den sie anfangs jedoch nur widerwillig besuchte und sogar manchmal schwänzte. Mit der Zeit entwickelte sie sich jedoch zur engagierten Musterschülerin.

Einmal zog Nanno mit dem Dotele (ihrer Patin) zum Wallfahrten. In der Bregenzerwälder Gemeinde Schwarzenberg kam es für sie zu einem Schlüsselerlebnis, als sie in der örtlichen Pfarrkirche die Bilder und Werke der Malerin Angelika Kaufmann erblickte: "Ein kaltes Riseln ist mir aufgestiegen. Da bat ich den lieben Herrgott, wenn es doch sein sollte, daß ich halt auch einmahl etwas ähnliches zuwege brächte! Und von da an schwebte mir immer ein Zil vor!"

Als Anna 1859 ihr Kunststudium an einer privaten Kunstschule, der "Vorschule der Akademie" unter den Arkaden im Münchner Hofgarten begann, wurde sie zunächst noch von Falger finanziell unterstützt. Trotzdem litt Anna häufig Hunger und verspürte manches Mal Heimweh. Später wurde sie durch eine Nachlässigkeit Falger gegenüber darüberhinaus gezwungen, ihren Lebensunterhalt künftig als freischaffende Künstlerin zu verdienen, was anfangs sicherlich mehr als herausfordernd war.
Von Annas Mutter kommt dennoch weiterhin Unterstützung. Hatte sie doch ein paar Kühe verkauft und den Ertrag für Annas weitere Ausbildung aufgewandt. Dennoch machte bald die Kostspieligkeit der Studien dem Ganzen ein Ende und Anna begab sich zurück ins Lechtal.

Von ihrem waghalsigen Ausflug zu dem Adlerhorst ins Saxer'Gwänd wurde 1863 von Ludwig Steub ein Bericht verfasst, welcher auf dem Erinnerungsprotokoll von Anna beruhte und dann von Matthias Schmid illustriert wurde. 1875 griff diesen Stoff die Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern auf und verarbeitete diesen zu dem Roman "Die Geierwally".
Mit der Figur der Geierwally in dem Buch hat Anna aber wohl nur eine Gemeinsamkeit - den Eigensinn.
1921 wurde der Stoff der "Geierwally" erstmals mit Henny Porten als Hauptdarstellerin als Stummfilm gedreht. 1940 kam es zur wohl bedeutendsten Neuverfilmung mit der damals 22-jährigen Schauspielerin Heidemarie Hatheyer, wobei die Dreharbeiten zu großen Teilen im Ötztal statt fanden. Inzwischen gibt es zahlreiche Filme zum Thema "Geierwally", die vom kitschigen Heimatfilm bis zum billigen Sexfilm alle Genres abdecken.

1863 zog Anna nach Innsbruck, zunächst um den Feierlichkeiten des 500. Jahrestags der Vereinigung Tirols mit Österreich beizuwohnen, versuchte Matthias Schmid im Hintergrund einige Kunden für Annas Bildnisse zu gewinnen. So kam es, dass das junge Mädchen bald den Auftrag erhielt, für den neu errichteten Landeshauptschießstand in Mariahilf den ehemaligen Statthalter von Tirol, Erzherzog Karl Ludwig, zu malen.
Dies bedeutete den Durchbruch der Lechtaler Malerin, von nun an konnte sie sich ihren Unterhalt selbst verdienen.

Sie lernte schließlich ihren zukünftigen Mann, den Gipsformer Engelbert Stainer (Steiner), kennen. Die Eltern waren zunächst gegen eine Heirat, da der künftige Schwiegersohn ein uneheliches Kind zu bezahlen hatte - damals eine Ungeheuerlichkeit, aber Anna setzte sich gegen den Willen der Eltern durch. Sie wollte für sich selbst entscheiden, was für sie in ihrem Leben gut oder schlecht war und scheute auch die Konfrontation mit ihrem Vater, weitum unter dem Spitznamen "zorniger Loises" bekannt, nicht.

Stainer-Knittel Zeichenschule Innsbruck
Aus: Innsbrucker Nachrichten vom 4. Okt. 1873

Sie und ihr Mann gründeten ein Geschäft in Innsbruck und lebten von ihrer Malerei und seinen Arbeiten als Gipsformer. Vor allem durch Portraits und Blumenmalerei wurde Anna bekannt und so wurden Werke bis nach Großbritannien verkauft. Auch auf Ausstellungen, wie etwa 1868 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, wurden Annas Bilder ausgestellt. 1873 ging sie schließlich daran, ein Bild für die Weltausstellung in Wien anzufertigen. Ein großformatiges Ölbild, zwei Lechtaler Frauen darstellend, welche vor dem Hintergrund der Passeiergruppe Edelrauten pflücken. Das Motiv umgeben von einem üppigen, farbenreichen Kranz aus Alpenblumen. Das Werk ging für stattliche 500 Gulden an einen Käufer aus England.

Annas Bilder gelangten schließlich bis nach Nordamerika und in Innsbruck wurden die Gemälde in mehreren Ausstellungen der Öffentlichkeit vorgestellt[2]. Doch um die Mitte der 1870er Jahre begann sich die Fotografie immer mehr ihren Weg zu bahnen. Das Interesse an gemalten Bildern kam immer mehr ins Hintertreffen. Auf Anraten ihres Mannes Engelbert versuchte sie sich zunächst zögerlich an Blumenbildern. Da sich das schon bald gut anließ, brachte Engelbert ein kleines Alabasterschüsselchen nach Hause und bat Anna darum eine schöne Alpenrose daraufzumalen. Nach einigen Schwierigkeiten gelang auch dies und kaum hatte sie das "Blumenschissele" in das Schaufenster gelegt, war es auch schon verkauft.
Daneben gestaltete Anna eine Serie "Botanischer Blätter", zur Dokumentation verschiedenster Alpen- und Gartenblumen als eher wissenschaftliche Sammlung, welche auch bei Sektionsversammlungen des Alpenvereins vorgestellt wurden[3]. Karl tauschte bald seine Herbare ein, da die "Farben und lebenden Formen der [echten] Pflanzen so sehr [vergingen]", so dass er sich schließlich an die Mutter wandte, um die Blumen lieber in farblicher Schönheit und Form auf Karton gebannt in einer Mappe zu sammeln.

Anna Stainer-Knittel - Blick ins Stubai
Blick ins Stubai
Anna wandte sich nun verstärkt der Porzellanmalerei zu und verzierte Kaffee- und Tafelgeschirr, genauso wie Servierplatten und Obstschalen mit detail- und farbenreichen Blumenarrangements. Das Sortiment an Souveniergegenständen wurde ebenfalls erweitert und auch im Eigenverlag gefertigte Ansichtskarten, mit jeweils durch gemalte Blumenbouquetes eingerahmten fotografischen Aufnahmen von Innsbruck und Umgebung, zählten dazu.
Die schiere Anzahl der Werke ihres Schaffens jener Zeit muss mindestens als erstaunlich betrachtet werden. So manches Mal dürfte das überbordende Schaffen aber auch einfach nur eine Ablenkung von ihrem privaten Kummer gewesen sein. Auch eine Art des seelischen Befindens, ausgedrückt in so manch düsterem Bildnis der Jahre 1892/93.

Die Tochter Rosa erkrankte 1892 schwer und litt noch lange Zeit, bis sie schließlich im 23. Lebensjahr am 1. Mai 1893 im Kreise der Familie verstarb. Mit dem Tod des geliebten Rosele enden auch Annas Aufzeichnungen. Mit fast siebzig Jahren schrieb sie ihre Lebenserinnerungen nieder, eigentlich nur für die eigene Familie. Die Kinder hatten jedoch einen anderen Plan, sie waren stolz auf ihre Mutter und wollten deren Andenken in Erinnerung halten.

Stainer Engelbert, Innsbruck
Engelbert Stainer
Am 13. September 1903 muss sie sich nun auch von ihrem Mann Engelbert verabschieden. Er verstarb "nach längerem, starkmütig ertragenem Leiden [...], versehen mit allen heiligen Sterbesakramenten" an einem Magenleiden.
Annas Sohn Karl ordinierte von 1894 bis 1984 als angesehener Gemeinde- und Sprengelarzt in Wattens und machte sich auch als Heimatforscher verdient - speziell um die vorgeschichtlichen Fundstätten auf dem "Himmelreich" bei Wattens, als auch jenen bei Fritzens, welche einer ganzen Kulturepoche ihren Namen "Fritzens-Sanzeno-Kultur" einbrachte. Sein Bruder Leo übernahm 1894 das Geschäft in der Maria-Theresien-Straße und deren Schwester Emma heirate achtzehnjährig in 1. Ehe den Mittelschulprofessor Ernst Pechlaner, nach dessen Tod schließlich den Rechtsrat der Sparkasse, Dr. Karl Forcher-Mayer.

Matriken Tirol - Sterbebuch 1912-1938 Wilten / Innsbruck
Auszug aus dem Totenbuch 1912-1938 Innsbruck / Wilten

Am 28. Februar 1915 starb die in einem Zeitungsartikel jener Zeit als "Brunhilde des Lechtals" bezeichnete Frau im Hause ihres Sohnes Dr. Karl Steiner in Wilten nach einer nicht ganz ausgeheilten Lungenentzündung. In der Heimatgemeinde von Anna wird heute auf der Geierwally-Freilichtbühne das Bühnenstück von Schauspielern aus der Region inszeniert.

Danksagung - Innsbrucker Nachrichten vom 5. März 1915
Danksagung - Innsbrucker Nachrichten vom 5. März 1915

Aus: Innsbrucker Nachrichten vom 28. Feb. 1925
"Der 10. Todestag der Innsbrucker Malerin Anna Stainer-Knittel fällt auf den heutigen 28. Februar. Frau Stainer-Knittel, eine geborene Lechtalerin, besuchte als junges Mädchen die Münchener Akademie, zeich­nete sich im Porträtfach aus und betätigte sich später, als Gattin des Formators Engelbert Stainer in Innsbruck, mit großem Erfolg auf dem Gebiet der Alpenblumenmalerei, das sie zu ihrer künstlerischen Spezialität ausbildete. Als kernige Persönlichkeit von gemütvollem urwüchsigen Humor war Frau Stainer eine weitbekannte originelle Alt-Innsbrucker Erscheinung, deren menschlichem und künstlerischem Andenken u. a. auch ein illustrierter Aufsatz des "Bergland-Kalender 1925" gewidmet ist."

Bilder


geierwally filmplakat 1940geier-wally bauerntheater pradl innsbruck 1902

Quellen


Die Geierwally - Leben und Werk der Malerin Anna Stainer-Knittel; Helga Reichart

Einzelnachweise


1. Außerferner Nachrichten vom 2. März 1985 - Die wahre Geschichte der Geierwally (Adolf Rauch)
2. Innsbrucker Tagblatt vom 23. Nov. 1875
3. Innsbrucker Nachrichten vom 18. Apr. 1891

Links


Details zu Anna Stainer-Knittel in der Wunderkammer in Elbigenalp


Lermoos
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Gasthof Post
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Bad Faulenbach
Füssen


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