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Hartmann Ammann
Aus: Außerferner Nachrichten vom 18. Juni 1986; Verfasser Ferdinand Fuchs
Zu den bedeutenden, leider aber schon weitgehend vergessenen Priestergestalten aus dem Dekanat Breitenwang zählt der Augustiner Chorherr, fb. Geistlicher Rat. Prof. P. Hartmann Ammann aus Lechaschau. Er hat in der Tiroler Geschichtsforschung, besonders auf archivalischem Gebiet, Hervorragendes geleistet, das in vielen Würdigungen anerkannt wurde und in ebenso vielen Publikationen in Bibliotheken und Archiven weiterlebt. Sein Leben und Schaffen sind es wert, daß man sich seiner erinnert.
P. Hartmann Ammann
Seine Wiege stand im Ammannschen Bräuhaus zu Lech Nr. 54. Er wurde dort am 21. Juni 1856 als Sohn des Bräuwirtes und Bierbrauers Josef Xaver Alois Ammann und der Maria Anna Mair geboren. Pfarrer Josef Weißhammer, Wängle, taufte den Neugeborenen auf den Namen Johann Alois. Nach der Volksschulzeit besuchte der aufgeweckte Knabe mit bestem Erfolg das Stiftsgymnasium der Augustiner Chorherren in Brixen. Die klösterliche Umgebung ließ in dem jungen Außerferner den Entschluß reifen, im Sommer 1875 in das Chorherrenstift Neustift einzutreten. Dabei erhielt er den Klosternamen Hartmann, nach dem seligen 39. Bischof von Brixen. Das Theologiestudium am Priesterseminar in Brixen war sein nächster Lebensabschnitt. Am 20. Juli 1879 zum Priester geweiht, feierte er am 27. Juli 1879 in seiner Heimatkirche St. Martin in Wängle in festlicher Weise seine Primiz.
Sein erstes Priesterjahr sah ihn als Präfekt bei den Singknaben im Stift Neustift. Nach diesem Jahr sandten ihn seine Vorgesetzten an die Universität Innsbruck, wo er Geschichte und Geographie studierte und sein Universitätsstudium mit dem Lehramt abschloß. Ab 1885 unterrichtete er Geschichte und Geographie am Stiftsgymnasium in Brixen. Mit der Schließung des Gymnasiums im Jahre 1926 zog er sich in seine klösterliche Zelle zurück und verbrachte dort mit geschichtlichen Forschungen seinen Lebensabend.
Als Lehrer genoß Prof. Ammann wegen seines reichen Wissens und seines einmaligen Gedächtnisses hohes Ansehen. Bekannt war auch seine stramme Disziplin, die er von sich selbst und seinen Untergebenen verlangte. Den vielen Studenten aus seiner Außerferner Heimat, die ihn während ihrer Studienzeit als Lehrer hatten, blieb er nicht nur als ausgezeichneter Schulmann, sondern auch als väterlicher Freund und Gönner in bleibender Erinnerung. Neben seiner Lehrtätigkeit war er auch Magister der Kleriker und half in der Seelsorge der näheren Umgebung von Neustift/Brixen aus.
P. Hartmann wandte sich schon sehr früh heimatgeschichtlichen Forschungsarbeiten zu. Bereits 1887 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der k. k. Zentralkommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmäler Österreichs in Wien ernannt. In dieser Eigenschaft wies er als erster auf die zwei mittelalterlichen Glocken seiner Heimatpfarre Aschau/Wängle hin und trat für deren Erhaltung ein, nachdem sie beide aus Unkenntnis über ihr Alter und ihre Bedeutung schon für den Schmelzofen vorgesehen waren. Seinem überzeugenden Eintreten ist es zu verdanken, daß die historisch bedeutsamen Glocken erhalten blieben und sie schließlich auch die Zwangsablieferungen in beiden Weltkriegen überlebten. Die Marienglocke aus dem Jahr 1484 wird derzeit im Schalterraum der Zweigstelle Lechaschau der Sparkasse Reutte verwahrt, und die noch ältere Christusglocke ruft heute noch, vom Turm der Heiliggeistkirche die Gläubigen zum
Gottesdienst.
Für das Schuljahr 1888/89 ließ sich P. Hartmann vom Schuldienst beurlauben und zog als kaiserlicher Stipendiat nach Rom, um dort seine historischen Kenntnisse und Forschungen zu vertiefen.
Sein Hauptwerk, gleichsam seine Lebensaufgabe, war die Neuordnung und Inventarisierung des reichhaltigen fürstbischöflichen Hofarchives in Brixen. Dieses war im Zuge der Säkularisation des Hochstiftes Brixen 1803 und unter der bayrischen Herrschaft vollständig in Unordnung geraten. Ein großer Teil seines Bestandes wurde nach Wien, Innsbruck und München gebracht, der andere Teil blieb in einem argen Durcheinander zurück. Später kam wohl wieder ein Teil der verschleppten Akten nach Brixen zurück, aber es fehlte der Fachmann, der Ordnung in das verwahrloste Archiv bringen konnte, um es als solches benützen zu können. Diesen Gesuchten fand Fürstbischof Simon auf Empfehlung von Universitätsprofessor Dr. Redlich Oswald in der Person von Prof. Ammann, da er 'die geeignetste und billigste Kraft' für die Neugestaltung des Hofarchives sei.
Die Unsumme an Arbeit und Zeit, die P. Hartmann für die Sichtung des Archives aufwendete, mögen einige Daten ins rechte Licht rücken: Jedes der rd. 30.000
Schriftstücke bearbeitete er einzeln und legte davon einen Sach-, Personen- und
Orts-Zettelkatalog an. Viele Urkunden übersetzte er und schrieb sie ab, legte
Regesten an und machte eine Vielzahl von Siegelabdrücken. Nach dem 1.Weltkrieg mußte er nochmals 6.000 Zettel neu schreiben, da bei der Abgabe eines Teils des Archives an das Bozner Staatsarchiv sie mutwillig zerstört worden waren. Seine wissenschaftliche 'Freizeitbeschäftigung' verschlang in 40 Jahren ca. 20.000 freiwillige Arbeitsstunden. Und der Lohn? Eine geringe Entschädigung und im Jahr 1924 der Ehrentitel 'Fürstbischöflicher Geistlicher Rat'.
Sein Bienenfleiß, seine zähe Ausdauer und seine eiserne Gesundheit - die Arbeit erledigte der Gelehrte in ungeheizten Archivräumen - retteten aber das fb. Hofarchiv vor der Auflösung und erschlossen es wiederum der Geschichtsforschung.
NEBEN SEINEM LEHR- UND SEELSORGERBERUF und der Neuordnung des fb. Hofarchives fand P. Hartmann immer noch Zeit für heimatgeschichtliche Forschungsarbeiten. Die Früchte dieser Arbeit sind eine Reihe von historischen Schriften und Aufsätzen, die er teils in den Jahresberichten des Stiftsgymnasiums, teils in der 'Zeitschrift des Ferdinandeums' (Der Innsbrucker Hexenprozeß des Jahres 1485), teils in den 'Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs' (u. a. Die Hexenprozesse im Fürstentum Brixen), teils in den 'Mitteilungen des Institutes für Öst. Geschichtsforschung' veröffentlichte. Daneben wurden von ihm mehrere Aufsätze und Rezensionen in Zeitungen abgedruckt.
In seinen letzten Lebensjahren litt er an der Wassersucht. Am 17. November 1930 schied er aus dieser Welt. Als Ordensmann war P. Hartmann eine Zierde des Stiftes, als Lehrer und Historiker zählt er zu den großen Persönlichkeiten Tirols.
SEINE ENGSTE HEIMAT, die Pfarre Wängle, zu der damals noch Lechaschau gehörte, ehrte das Andenken an Prof. P. Hartmann durch eine Marmorgedenktafel an der Ostseite der Pfarrkirche in Wängle. Im Zuge der Außenrenovierung des Gotteshauses in den Jahren 1976 - 78 wurde sie entfernt und bis heute nicht mehr angebracht, nachdem sie mit anderen Gedenksteinen über ein Jahr lang an der Friedhofsmauer gelehnt und der Wiederanbringung geharrt hatte. Zur Zeit gilt sie als 'verschwunden'. Vielleicht vermag dieser kurze historische Beitrag mithelfen, die Ammann'sche Gedenktafel wieder ans Tageslicht zu bringen, um wieder den ihr zustehenden Platz an der Kirchenmauer einnehmen zu können. Die Nachwelt wäre es dem uneigennützigen, nur auf das Wohl seiner Heimat unermüdlich bedacht gewesenen Forscher und Gelehrten schuldig.
Schrifttum und Quellen:
Taufmatriken der Pfarre Wängle
Mitteilungen der k.k. Zentralkommission zur Erhaltung der Kunst- und Kulturdenkmäler Österreichs, Jg. 1889, S. 256
Eva Maria Höck, Tiroler Kleriker als Geschichtsforscher (1870 - 1914)
Dissertation 1972, Innsbruck
Kulturzeitschrift 'Der Schlern', Prof. Hartmann Ammann O. S. A., Jg. 1929, S. 386-87
A. Sp., Professor Hartmann Ammann, Tiroler Heimat 1932, S. 104