Vermutlich wurde der westliche Teil des Tannheimer Tales schon vor dem 13. Jahrhundert unter den Grafen von Montfort zu Rot(h)enfels - mit Herrschaftssitz in Immenstadt - von Bewohnern des Ostrachtales als Alpe genutzt. Am Übergang in das 14. Jahrhundert dürften die vormaligen Alpen dann als Dauersiedlungen ausgebaut worden sein. Der Überlieferung zufolge gelten Berg und Innergschwend als erste festen Siedlungsplätze von Tannheim.
aus: Der Bote von Tyrol (1826); Magnus Beyrer "...Kleidung, Dialekt und Gebräuche zeigen schwäbische Abkunft. Die Ersten mögen sich in der Gegend, wo jetzt das Dorf Thannheim steht, als Alpenhirten niedergelassen, und von dort aus den übrigen Bezirk des Thales bevölkert haben, welche Vermuthung durch die daselbst herrschende Sage verbürget wird, daß vor mehrern Jahrhunderten an der Stelle des erwähnten Dorfes einzelne Sennhütten gestanden, das gesammte Thal aber eine Viehweide gewesen seye..."
I di Höf
Noch bis vor wenigen Generationen wurde eigentlich selten die Ortsbezeichnung Tannheim benutzt, sondern wesentlich öfter als 'i di Höf' benannt. Als Hof wird auch heute noch häufig im Umfeld der Alpwirtschaft der Sammelplatz der Weidetiere auf zumeist ebener Fläche bezeichnet.
Aus dem Buch 'Algäu, Lechthal und Bregenzerwald - Handbuch für Reisende' von Joseph Buck (1866) "...von Zöbeln gelangt man nach Thannheim, welcher Ort eine Vielheit von einzelnen Häusergruppen und Weilern in sich faßt und deßwegen auch 'in den Höfen' genannt wird... [...] ...es werden da mehrere gut besuchte Viehmärkte gehalten und hat daher mehrere Wirthshäuser, von welchen das zum wilden Mann das beste ist..."
Die Allgäuer Vorherrschaft endete erst zur Mitte des 15. Jahrhunderts, als die Habsburger immer mehr Grundbesitz erwarben. Speziell die Herren von Burgberg veräußerten große Teile ihrer Besitztümer im Tannheimer Tal an Herzog Friedrich IV. von Österreich.
1477 verkaufte Jörg von Heimenhofen seinen Anteil am Vilsalpsee und die Taverne zu Tannheim (heute das Hotel Ritter) an das Bistum Augsburg. Nur acht Jahre später erwarb Erzherzog Sigmund diese Güter und verleibte sie der Pflegschaft Ehrenberg ein.
Kirchengeschichte
Filialkirche Liebenstein bei Hindelang
Pfarrkirche St. Nikolaus
'Das Jüngste Gericht' - Deckenfresko der Pfarrkirche St. Nikolaus in Tannheim
der Gasthof Ritter
Durch die Besiedlung aus dem Raum Sonthofen und Ostrachtal gehörte die Bevölkerung jener Orte westlich des Haldensees der Pfarrei Sonthofen an. Der Kirchgang gestaltete sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts dadurch als langwieriges Unterfangen, wenn es daran ging den etwa 6-stündigen Marsch (einfach!) zu dem kleinen Kirchlein in Liebenstein - zwischen Hindelang und Sonthofen gelegen - zu absolvieren. Gerade in der Winterzeit dürfte dieser Umstand zu unsäglichen Mühen geführt haben, woraufhin 1377 eine eigene Pfarrei Tannheim gegründet und mit dem Bau der ersten St. Nikolaus-Kirche begonnen wurde. "...weil im Winter selbst junge Leute in diesem Tal nicht immer im Stande waren, den weiten Weg nach Sonthofen zurückzulegen und dort dem Gottesdienste anzuwohnen..." [1]
"...da dieses Thal erst vor kurzem bewohnt zu werden anfieng und die wenigen armen Bewohner, weil sie selbst einen eigenen Priester zu erhalten nicht im Stande gewesen, sich zur nächsten Pfarre Sonthofen zählen liessen, aber auch von dieser so weit entfernt waren, dass selbst auch gesunde und starke Leute nicht immer besonders zur Winterszeit den Gottesdienst besuchen konnten, und daher nun den Wunsch gehegt, da sie an Zahl und Vermögen zugenommen, einen eigenen Priester zu haben..." [2].
Als erster Kapellenbau im Ort gilt St. Leonhard bei dem Weiler Berg, welcher schon vor 1377 bestanden hat.
Die Martins-Kapelle in Innergschwend wird 1450 erstmals erwähnt. Über Jahrhunderte wurde dort, speziell in der Zeit der Salzstraße, der Segen für die Pferde erbeten.
Ein Erdbeben erschütterte 1572 das Tal, schwerere Schäden sind aber nicht überliefert. Die Erde bebte dann noch einmal um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Es mag wohl kleinere Bruchschäden gegeben haben, große Schadensfälle sind jedoch nicht bekannt geworden.
Ein Blitzschlag in den Turm der Vorgänger-Kapelle der Nikolaus-Kirche beschädigt am 28. Juni 1721 dieselbe so schwer, dass man sich letztendlich - auf das maßgebliche Betreiben des seit 1720 in Dienst stehenden neuen Pfarrers Brugger - zu einem umfassenden Neubau entschließt. Die Bauten zweier Alt-Kapellen in unmittelbarer Umgebung (St. Michael und St. Antoni) werden dafür abgetragen. Der Kirchenneubau geschieht etwas weiter östlich des alten Gotteshauses.
Die Pfarrkirche von Tannheim basiert in ihrem Grundriss auf dem Dom zu Innsbruck und ist nach Neustift im Stubaital die zweitgrößte Landkirche innerhalb der Diözese Innsbruck. Sie wurde zwischen 1722 und 1729 von Andreas Hafenegger aus Haldensee erbaut [3]. Das Geläute mit vier Glocken stammt aus der Glockengießerei Peter Löffler. Auch das Kircheninnere wurde großteils von heimischen Handwerkern gestaltet.
Im Kirchturm befindet sich das vollständig erhaltene Geläut der Gießerfamilie Löffler mit vier Glocken. Es ist das einzige noch existierende vollständige Löffler-Geläut.
alte Gaststätten zur Zeit der Salzstraße
In Kienzen befand sich das einstige Wirtshaus "Zur Krone", das Gasthaus "Zum Wilden Mann" (auch "Baumwirtschaft" oder auch Wirtschaft "Zum Grünen Baum" genannt) im Ortszentrum ist heute als "´s Höfbräuhaus" (Montfort-Haus) bekannt.
Tirol und Vorarlberg, Johann Jakob Staffler (1841) "...das Brau- und Gasthaus des Johann Müller ist deßwegen merkwürdig, weil es einst ein Eigenthum der Grafen von Montfort war, die sich hier öfter mit der Jagd belustigten..."
Die heute 'Hotel Ritter' genannte Taverne befand sich im Besitz des Bistums Augsburg. Daneben befanden sich im Ort auch noch zwei Braugasthäuser, das 'Goldene Kreuz' und das 'Weiße Rössel'. Letztgenannte Wirtschaft wird aber schon lange nicht mehr betrieben.
Dingstuhl
Auszug aus einer Gerichtsordnung für die Amannschaft Tannheim aus dem Jahr 1705: "...Wie es entzwischen und gerichtsamman und gerichtsleuten der pfarr Tannheimb in besetzung des gerichts und sonsten zu allen zeiten und begebenheiten gehalten werden solle..."
An der Spitze eines jeden Dingstuhls stand der Amann, eine Art Anwalt, welcher für die Durchführung der obrigkeitlichen Erlässe und Gesetze Verantwortung trug.
Gericht, so wurde es in der Gerichtsordnung festgehalten, solle nur an Sonn- und Feiertagen gehalten werden. Den Vorsitz erhält der Amann, welcher "allweg der erste ist, zu oberst an sizen und praesindieren thuet", die Gerichtsleute jedoch nach einer festgelegten Sitzordnung Platz nehmen und "ieder darauf guetes aufmörken haben, nicht in der stuben hin und wider noch vil weniger aber gar zu der stuben aus- und einlauffen, zum fenster ausschauen, taback trinken, noch anders geschwäz untereinander anfangen" sollen.
Zuletzt dann im Abstimmungsverfahren "in einer sachen allezeit die maiste gleiche vota (Stimmen) das conclusum (Ergebnis bzw. Beschluss) sein und machen".
Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts war der Amann von Tannheim mit weit höherer Befugnis ausgestattet, als etwa jene in der Aschau, dem Lechtal oder im Zwischentoren. Bis spätestens 1705 wurde jedoch eine Angleichung an die Gerichtssprengel des ehrenbergischen Gebiets vollzogen. Dem Amann wurden fortan Ausschussmitglieder und Entsandte als sogenannte Gerichtsverpflichtete zur Seite gestellt.
So zeigt diese Gerichtsordnung auch, dass das Jahr 1705 die Selbständigkeit der Leute der Amannschaft Tannheim weitestgehend einschränkt und den Gerichtssprengel näher an die obrigkeitliche Führung Ehrenbergs rückt.
Für Tannheim selbst bedeutete dies eine Schwächung seiner Verwaltungsfunktion, woraufhin sich bald wirtschaftlich völlig selbständige Gemeinden etablierten [4].
die Pest
Der Dreißigjährige Krieg und seine Soldaten brachten den Tod auch in Form der Pest mit sich. So wird berichtet, dass annähernd zwei Drittel der Bevölkerung durch die Seuche hinweggerafft wurden. Die Tannheimer Pesttoten wurden auf den Leiterwagen, auf denen üblicherweise der Dung auf das Feld ausgebracht wurde, zu dem heute aufgelassenen Friedhof bei der St. Leonhardskapelle verbracht und dort begraben.
Dem Grauen des Krieges folgte schon bald eine katastrophale Hungersnot. Ab 1621 schnellten die Lebensmittelpreise in die Höhe, es war nicht mehr möglich die Bevölkerung ausreichend zu ernähren. Der Überlieferung zufolge galt der Kaufpreis eines Kronenthalers für eine einzige Maus als nicht selten. In größter Not starben die Leute mit Büscheln von Gras zwischen den Zähnen.
auf Wanderschaft
Auszug aus dem Buch Uiber die Tiroler von Joseph Rohrer (1796)
Tannheim mit den Gipfeln des Gimpels und der Roten Flüh
"...der aus dem Gerichte Ehrenberg wandernden Tiroler. Man rechnet die Summe der alle Jahre im Frühlinge abreisenden Ehrenberger auf nicht weniger als sechzehnhundert Köpfe - welches freylich unglaublich scheint, bis man sich selbst überzeugt hat, daß z.B. nur aus der einzigen Pfarrey Tannheim alljährig 200 Seelen durch 8 Monathe abwesend sind. Die oft 60 Mann starke Reisegesellschaft besteht aus Maurern, Zimmerleuten, Stuk(k)aturarbeitern, Vergoldern und Baumeistern..."
Etwa 400 Meter südlich von Schmieden, am Eingang des Vilsalptals befand sich einst der Kalkofen (unweit der Flur Engelars Platz).
Nationalsozialismus
Abschrift der Infotafel am Standort des Lagers bei Berg
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahre 1938 wurde in Tannheim ein sogenanntes Reichsarbeitsdienstlager errichtet. Die Arbeiter dieses Lagers wurden u.a. beim Bau des Sportplatzes im "Geister Wäldle" und zur Vilsbegradigung in Tannheim herangezogen. Das Lager befand sich am Weg zwischen der Fraktion Berg und der Fraktion Innergschwend. Die Baracken wurden im Sommer 1945 von der französischen Besatzung abgebaut und abtransportiert. Heute sind an dieser Stelle nur noch ein paar Stufen zu sehen...
...der RAD wurde für verschiedene Zwecke eingesetzt. Vor dem Zweiten Weltkrieg befasste er sich mit Forst-, Kultivierungs-, Archbau- und Entwässerungsaufgaben sowie Tätigkeiten in der Landwirtschaft.
Lawinenunglück
Am 9. Mai 1975 ging von der dem Geierköpfl nördlich vorgelagerten Bergflanke - die Blaich genannt - eine Lawine ab, schleuderte dabei 5 sich auf dem Fahrweg befindliche Menschen in den Vilsalpsee und begrub diese unter sich. Erst 5 Wochen später, als der Lawinenkegel sich langsam im Seewasser auflöste, kam der letzte Leichnam zu Tage. Heute erinnert ein Gedenkstein an dieses tragische Ereignis.
Felssturz am Vilsalpsee
Am 7. November 2012 gehen am Ostufer des Vilsalpsees mehr als 100.000 Kubikmeter Fels und Geröll als Felssturz nieder, wobei die Gesteinsmassen einen ganzen Wald unter sich begraben.
Bilder
Einzelnachweise
1. Geschichte des Allgäus, Ludwig Baumann (1883); Bd. 2, S. 450
2. Veste und Herrschaft Ernberg, P. Justinian Ladurner (1870); S. 40
3. Der alte Bezirk Reutte (S. 139)
4. Aufsatz: 'Die Amannschaft Tannheim und ihr Ende' von Dr. Rudolf Palme