In den Bergmähdern hinter Steeg im Lechthal, welche nahe an einer Alpe lagen, hörten die Leute schon seit Menschengedenken bei hellem Tage abwechselnd Weinen und Lachen und sahen hie und da auf dem Berghange eine Gestalt, von welcher dasselbe ausging. Man nannte dieselbe insgemein den Alpenputz. Im Spätherbste, nachdem Senner und Wildheuer schon abgezogen, war einmal noch ein Mann allein in der Sennhütte zurückgeblieben, um Fässer zu binden, welche er für den aus Enzianwurzeln gewonnenen Branntwein benötigte. Eines Tages blickte er eben zum Fenster hinaus und sah den Alpenputz auf die Hütte zukommen. Voll Schrecken verkroch er sich hinter seine Fässer. Der Geist trat ein und blieb beharrlich mitten in der Stube stehen, so daß dem Faßbinder am Ende nichts übrig blieb, als mit einem beherzten "Alle guten Geister loben Gott den Herrn!" hervorzurempeln.
Nun machte ihm der Alpenputz die Mitteilung, er sei einst Hirte auf dieser Alpe gewesen und habe durch seine Schuld einer armen Witwe einzige Kuh, weil sie immer allein seitwärts ging und ihm viel Verdruß machte, zu Tode fallen lassen, indem er ihr Baumrinden legte. Auf die Frage, ob man nichts für ihn thun könne, antwortete er verneinend, da die Familie der Witwe lange schon ausgestorben sei. Er sei verurteilt, die Kuh hinaufzutragen und dabei zu weinen und sie dann hinunter zu werfen und dabei laut zu lachen; hundert Jahre habe er schon getragen, dreißig müsse er noch tragen. Er bitte nur um das Eine, daß die Leute im Sommer in den Bergmähdern nicht so hell und fröhlich "juchezen" möchten, denn es thue ihm unsäglich wehe. Dann verschwand er und wurde seit der Zeit nicht wieder gesehen.
Reiser, 1895