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Otto mit dem Bart


Kaiser Otto der Große wurde in allen Landen gefürchtet, er war streng und ohne Milde, trug einen schönen roten Bart; was er bei diesem Barte schwor, machte er wahr und unabwendlich. Nun geschah es, dass er zu Babenberg [Bamberg] an seinem Hof weilte, an welchem geistliche und weltliche Fürsten des Reichs in großer Zahl vorsprachen. Am Ostermorgen zog der Kaiser mit allen diesen Fürsten in das Münster, um die feierliche Messe zu besuchen. Zur selben Zeit wurden auf der Burg für das anstehende Gastmahl die Tische bereitet. Man legte Brot und stellte schöne Trinkgefässe darauf. An des Kaisers Hof diente zu jener Zeit auch ein edler und freundlicher Knabe, dessen Vater war Herzog in Schwaben und hatte nur diesen einen Erben. Der Jüngling ging an den Tischen vorüber und griff mit seinen noch zarten Fingern nach einem Brot und wollte schon damit beginnen es zu essen, wie eben Kinder sich gerne schöne Dinge nehmen und davon kosten wollen.

Wie er nun schon einen Bissen genommen hatte, sprang des Kaisers Truchsess herbei und schlug dem Knaben mit einem Stock auf den Kopf, sodass dieser blutend zu Boden sank und bittere Tränen weinte. Das sah ein sich am Hofe aufhaltender Ritter und ging zu dem Truchsessen hin und stellte ihn wütend zur Rede. Der Truchsess hingegen erwiderte, dass er Kraft seines Amtes zu dieser Tat berechtigt gewesen sei und funkelte den Ritter aus zornigen Augen heraus an. Da griff der Ritter zum Schwert und hieb dem Truchsessen den Schädel entzwei, dass er wie ein Ei zerbrach und der Mann tot zur Seite kippte.

Unterdessen kehrten die hohen Herrn von dem Gottesdienst zurück, als der Kaiser beim Eintritt in den Saal den blutverschmierten Fußboden bemerkte. Die Diener erzählten ihm, was sich zugetragen hatte und Heinrich von Kempten wurde sofort zum Kaiser zitiert. Otto tobte vor Wut und rief: "Dass mein Truchsess hier erschlagen vor mir liegt, schwöre ich bei meinem Bart an euch zu rächen!".
Heinrich wusste, dass es nun bitter bestellt war um sein Leben. Er fasste sich und sprang schnell auf den Kaiser zu und ergriff dessen Bart. Mit einem Ruck schwang er den Mann auf den Tisch, dass die Krone im hohen Bogen durch den Raum flog. Als die anderen im Raum stehenden Fürsten dem Kaiser zu Hilfe eilen wollten, zückte Heinrich sein Messer und schrie: "Keiner rührt mich an, oder der Kaiser wird sein Leben hier und jetzt aushauchen!".
Da traten sie zurück und schauten, wie Heinrich dem Kaiser das Messer an den Hals hielt. "Kaiser, wenn ihr weiterleben wollt, so schwört mir, dass ich unbehelligt davon komme!" Der Kaiser, der das Messer an seiner Kehle blitzen sah, hob die Hand zum Schwur und gelobte dem Ritter bei kaiserlichen Ehren, dass ihm dass Leben geschenkt sein solle.

Heinrich ließ, sobald er sich seiner Sicherheit gewiss war, vom Kaiser ab und diesen aufstehen. Der setzte sich ohne großes Aufhebens auf seinen Thron und strich sich den Bart glatt: "Ritter, Leib und Leben hab ich euch zugesagt, damit fahrt eurer Wege. Aber geht mir aus den Augen und verschwindet vom Hof und meinem Land! Eure Gegenwart ertrag ich nicht, mein Bart liefe immer Gefahr von euch gestutzt zu werden!"
Da verließ Heinrich des Kaisers Hof und zog zurück auf sein Land in Schwaben, welches er vom Stift Kempten zu Lehen hatte. Er lebte dort weiterhin einsam aber in Frieden.

Zehn Jahre später führte Kaiser Otto südlich der Alpen einen schweren Krieg und lag mit seinen Truppen vor einer schwer befestigten Stadt. Die Kämpfe kosteten viele seiner Ritter das Leben und langsam gingen dem Kaiser die Soldaten aus und er sah sich gezwungen, sämtliche Lehensnehmer des Reichs ausheben zu lassen. Sie sollten ihm rasch zu Hilfe kommen, denn sonst würden sie Rang und Lehen verlieren. Da kam auch ein Bote zu dem Abt nach Kempten, welcher unverzüglich seine Dienstleute aussandte und alle Leute die ein stiftisches Lehen inne hatten aufforderte, sich zum Kaiser gegen Süden zu begeben. Auch an Heinrich trat man heran, da er als erfahrener und kampferprobter Ritter für die Sache von besonders großem Wert war. "Ach edler Herr, was soll ich? Ihr wisst doch, dass ich des Kaisers Gunst verwirkt habe; so nehmt doch lieber zwei meiner Söhne in Dienst, ich werde sie mit euch ziehen lassen." Der Abt entgegnete jedoch: "Ihr aber seid mir nötiger, als die beiden zusammen, ich darf euch von diesem Zug nicht entbinden. Ansonsten müsste ich euer Lehen einziehen und einem anderen verleihen, welcher es besser zu schätzen wüsste!"

"Nun gut, wenn Land und Ehre auf dem Spiel stehen, so will ich mich aufmachen um dem Kaiser zu Hilfe zu eilen. Möge er auch seine Drohungen an mich wahrmachen", sagte Heinrich, rüstete sich zum Heerzug und gelangte auch bald an die besagte Stadt im Wälschland. Er reihte sich in das Gefolge ein, blieb aber mit seinem Schlaflager stets am Rand des Lagers. Eines Abends lag er in einem Zuber und badete unter freiem Himmel. Von seinem Bad aus konnte er auch in die Gegend blicken. Da sah er eine Ansammlung von Bürgern aus der Stadt treten und der Straße entlang in Richtung des Lagers der Deutschen gehen. Kaiser Otto ritt ihnen auf derselben Straße zu einem Treffen entgegen. Abseits der Szene bemerkte Ritter Heinrich bewaffnete Männer und er erkannte den Hinterhalt, in welchen der Kaiser gelockt werden sollte.

Der Kaiser war einer Abmachung zufolge unbewaffnet zu diesem Treffen aufgebrochen und war ihnen damit schutzlos ausgeliefert. Sogleich zogen sie Otto vom Pferd und rangen ihn nieder, da sprang Heinrich aus seinem Badezuber und griff nach seinen Waffen. Nackt rannte er, nur mit Schild und Schwert bewaffnet, so schnell ihn seine Beine trugen dem Gemenge zu. Beherzt schlug er dann auf die Feinde ein und verwundete viele der Männer, der Rest floh und lief zurück in Richtung der Stadt. Er löste noch des Kaisers fesseln, eilte dann aber ohne sich zu erkennen zu geben zurück zu seinem Lager und legte sich rasch zurück in sein Bad.

Als der Kaiser sich in das Lager der Deutschen zurückgeschleppt hatte, wollte er wissen, wer ihm da in seiner Not beigestanden habe. "Wer diesen nackten Mann kennt, der mir das Leben gerettet hat, der bringe ihn zu mir!" Nun wusste wohl der ein oder andere, wer der nackte Ritter war. Diejenigen wussten aber auch, dass der Kaiser diesem Ritter einst den Tod geschworen hatte, sollte er ihm noch einmal unter die Augen treten. Da sprachen sie zu Otto: "Mit dem Ritter steht es so, dass schwere Ungnade auf ihm lastet, möchte er deine Huld wieder gewinnen, so ließen wir ihn vor dir stehen." Da raunte der Kaiser: "Und wenn er meinen Vater selbst erschlagen hätte, so solle ihm vergeben sein."

Da nannten sie ihm mit Heinrich von Kempten den Namen seines Retters in höchster Not und Otto befahl, dass derselbe vor ihn treten möge. Froh über seine Errettung war der Kaiser fröhlich gestimmt und er wollte Heinrich natürlich das Gewesene vergeben, nicht aber ohne ihm noch einen Schrecken einzujagen.
Als Heinrich hereingeführt war, gebärdete sich der Kaiser zornig und sprach: "Wie getraut ihr euch mir unter die Augen zu treten? Ihr wisst doch wohl noch, warum ich euer Feind bin, der ihr meinen Bart gerauft und ohne Schermesser geschoren habt, dass er noch heute ohne Locke ist. Welch hochfährtiger Übermut hat euch jetzt daher geführt?" Da zuckte Heinrich zusammen und sprach: "Gnade Herr, ich kam gezwungen hierher und mein Fürst der hier steht, gebot es mir. Gott sei mein Zeuge, wie ungern ich diesen Gang getan, aber meinen Diensteid musste ich lösen. Wer mir das übel nimmt, der soll also sein letztes Wort über mich gesprochen haben." Ernst blickte Otto dem Heinrich in die Augen und fing nach einer Weile zu lachen an. "Seit mir tausendmal willkommen, ihr auserwählter Held! Mein Leben habt ihr gerettet, dass hätte ich ohne eure Hilfe wohl verloren, seliger Mann." So ging er auf Heinrich zu und küsste ihm Augen und Wangen. Ihre Feindschaft war damit dahin und alles vergeben und vergessen. Den Ritter Heinrich beschenkte der Kaiser fürstlich, gab ihm große Ländereien zu Lehen und brachte ihn zu hohen Ehren, deren man noch heute gedenkt.
Deutsche Sagen; Gebrüder Grimm


Tegelberghaus
tegelberghaus, jagdhaus, branderschrofen

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adorant, bronze, votivfigur, imst, gramais, pfafflar, parzinn-männchen, eisenzeit

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