Dieser See befindet sich an der Stelle, wo vor Zeiten sich eine schöne, grasreiche Wiese ausbreitete, die drei Schwestern gehörte. Da wollten die Fräulein die Wiese unter sich teilen, damit jede ihren Teil besonder habe. Da aber jede das Stück haben wollte, das gegen Sonnenaufgang liegt, so gerieten sie in argen Zwist, und in der Hitze des Streites that eine die Verwünschung: Wenn nur die ganze Wiese versänke und zu Wasser würde! Die frevelhafte Rede ging in Erfüllung; die ganze Fläche versank in die Tiefe, und an ihre Stelle trat der See.
Reiser, 1895
Dort wo heute der Haldensee liegt, lebte einst ein reicher Bauer. Nicht fassbar, welcher Reichtum ihn umgab und wie groß sein Anwesen sich ausmachte. Hoch auf einem "Bichl" stand sein Haus, ausgestattet mit einer großen Altane, großen Fenstern und grünen Fensterläden. In den vielen Räumen standen Dutzende von Truhen, gefüllt mit Geld, Flachs und Wolle, feinstem Tuch. Im oberen Haus konnte man ein glitzern und funkeln ausmachen, von Gold und Silber. Auf dem Heuboden lagerten dreihundert Fuder bestes Heu. Die Stallungen waren voll des Besten Viehs.
Ein Sommerregen hinterlässt einen Regenbogen über dem Seespiegel
Eines Tages jedoch starb der Bauer, damit gingen seine einzigen beiden Töchter rasch daran das große Erbe unter sich aufzuteilen. Eine der beiden Töchter war jedoch blind. Sie konnte nicht sehen, dass ihre Schwester sie zu betrügen versuchte. Die Sehende stellte also vor eine jede einen Messkübel, der Blinden jedoch hatte sie diesen umgedreht hingestellt, sodass nur der Bodenrand wenige der vielen Münzen fassen konnte.
So betrieb es die Sehende eine ganze Weile. Sich selbst scheffelte sie das volle Maß, der Blinden aber immer nur ein paar wenige Münzen - gerade halt soviel in den Bodenrand passten. Voller Vorfreude und Gier hielt es die Blinde aber nicht mehr aus und wollte mit beiden Händen in den Messeimer fahren um in den herrlichen Goldmünzen zu wühlen.
Auf der Stelle bemerkte sie den Betrug. Ihre zuvor vor Gier grinsenden Gesichtszüge verfinsterten sich schlagartig. Die Wut kroch durch ihr Antlitz und zu einem Schrei ansetzend verformte sich ihr Gesicht zu einer wüsten Fratze. Mit unermesslichem Zorn zischte sie einen Fluch über die Schwester aus. Laut brüllend wiederholte sie einen dieser Flüche und verwünschte alles um sie herum - "Wenn nu grad all's z'Grund giang!"
Kaum hatte sie diese Worte hinausgeschrien, verfinsterte sich der Himmel und tiefgraue Wolken sammelten sich über dem weitläufigen Anwesen. Mit lautem Tosen regnete es darauf, bis bald die Bäche über ihre Ufer traten und riesige Wassermassen wie Wellen über die Felsen rund um den Besitz in die Tiefe donnerten. Das ganze Weideland, die Felder und zuletzt der Hof auf dem Bichl - alles war bald von dem Wasserspiegel eines damit entstandenen Sees bedeckt. Mit dem ganzen Gold und Silber, dem übrigen Reichtum, den Tieren des Hofes - gingen auch die beiden Seelen der zwei Schwestern mit unter.
Einer der gezischt ausgesprochenen Flüche der Blinden machte aber aus der Sehenden einen Drachen, welcher fortan unter der Wasseroberfläche für immer leben musste. Gerade in den Wintermonaten, wenn das Eis kracht und "schreit", kann man sich sicher sein, den Drachen in der Tiefe jammern gehört zu haben.