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Die Schneider- und Schusterzunft in Reutte

geschichtliche Erinnerungen von Universitätsprofessor Dr. I. Ph. Dengel (1930)

Serie aus: Außferner Bote (Sep. - Okt)
In früherer Zeit war das Handwerk zunftmäßig geordnet. Der Grundgedanke der Zunft war die Gleichberechtigung. Keiner sollte den anderen wirtschaftlich zu weit überragen. Jede Zunft bildete eine zwangsweise Rechtsgenossenschaft, die durch sich selbst den Betrieb nach innen und nach außen regelte. Es gab eigene Bestimmungen für die Lehrlinge, Gesellen und Meister und in den Handwerksordnungen spiegelt sich das ganze soziale und Wirtschaftliche Leben dieser Zeit wider. Zwischen dem Zunftwesen und der Kirche bestand die engste Verbindung. Ein Heiliger wurde als Schutzpatron gewählt, die Zünfte bildeten eine Art religiöse Bruderschaft.

Die ältesten Zünfte im Gebiete von Außerfern waren die der Schneider und Schuster sowie der Müller und Bäcker im Markt Reutte und in der Pfarre Breitenwang. Die erstgenannten hatten sich bereits im 16. Jahrhundert zu einer Bruderschaft zusammengetan, ohne aber noch eine Handwerksordnung zu besitzen. Infolgedessen stellten sich verschiedene Mißbräuche ein, so daß die Meister auf Gutheißen der Vorgesetzten Pflegsobrigkeit und mit Vorwissen von Bürgermeister und Rat von Reutte im Jahre 1616 beschlossen, 'zur Erhaltung guter Polizei unter ihnen' sich selbst eine 'Ordnung' zu setzen. An der Abfassung derselben nahmen teil Georg Ertl, Wolf Jeckh, Georg Schnitzer, Mathäus Zimmermann, Hans Nöstler und Jakob Ammann, alle Meister des Schneiderhandwerks, sowie Georg Schletterer, Oswald Selb, Lorenz Rümele, Martin Renn, Andreas Mayr und Hans Schletterer, alle Meister des Schusterhandwerks, zu Reutte seßhaft und wohnhaft. Nachdem sie unter sich beschworen hatten, diese vorgenommene Ordnung und Bruderschaft fest und getreulich zu halten, erschienen sie damit vor ihrem Landesherrn, dem Erzherzog Maximilian dem Deutschmeister mit der Bitte um deren Bestätigung. Der Erzherzog, der bekannte Erneuerer der Festungswerke von Ernberg, an den noch heute die Inschrift am Nordportal der Ernberger Klause erinnert, gab dem 'offenen Ordnungsbrief' der Schneider und Schuster zu Reutte nach Vornahme einiger Aenderungen Rechtskraft, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt, solche 'Ordnung' jederzeit nach Notwendigkeit zu mindern oder zu mehren oder auch ganz zu widerrufen und abzutun. Zugleich erging an Burkard Laymann von und zu Liebenau, Pfleger der Herrschaft Ernberg, und an Bürgermeister und Rat des Marktes Reutte die Weisung, das Handwerk der Schneider und Schuster frei dieser ihrer bestätigten Ordnung festiglich zu schützen und zu schirmen, sie auch darwider nicht zu beschweren und auch keinem anderen zu gestatten, dies zu tun.

Diese Handwerksordnung der Schneider und Schuster zu Reutte und in der Pfarre Breitenwang, deren Original mit dem Datum: Innsbruck, den 9. Oktober 1616, in der bei Herrn Zunftmeister Josef Geiger verwahrten Zunftlade erhalten ist, hat den folgenden Wortlaut:

1) Sollen vor allen Dingen alle Meister, Knechte und Jungen mit ihren Weibern und Kindern allein der alten wahren katholischen Religion zugetan und mit keiner ketzerischen Religion behaftet sein.

2) Wer sich in die Schneider- und Schuhmacher-Bruderschaft begeben oder einkaufen will, soll alle Quatember zur Erhaltung eines Gottesdienstes in die Lad oder Bruderbüchse 2 Kreuzer zu erlegen schuldig sein.

3) Man soll 4 Zunftmeister erwählen, davon 2 Schneider und 2 Schuster.

4) Wenn ein Bruder beim Gottesdienst, der jährlich zu Michaeli gehalten wird, nicht erscheint, sondern (außer Gottes Gewalt) ungehorsamlich ausbleibt, der soll zur Strafe in die Büchse 6 Kreuzer zu erlegen schuldig sein.

5) Wenn ein Meister oder Bruder mit Tod abgeht, sollen alle von der Bruderschaft die Leiche in die Kirche begleiten und sie zu dem geweihten Erdreich bestatten helfen. Nachher wird für den verstorbenen Bruder von der Bruderschaft ein Seelenamt gehalten, wozu jeder bei Strafe von 4 Kreuzern zu erscheinen schuldig ist.

6) Es soll kein fremder Gesell, Schneider oder Schuster, so sich in Reutte verheiraten und Meister werden will, zugelassen werden, wenn er nicht katholischer Religion und zuvor 3 Jahre lang gewandert ist.

7) Jeder Schneider und Schuster, der das Meisterstück machen will, soll frei, ledig und unverheiratet sein. Kein Handwerk soll die Macht haben, einen solchen anzustellen, wenn nicht zuvor Bürgermeister und Rat von Reutte die Erlaubnis geben.

8) Jeder Schneidergesell und Schusterknecht, so sich mit haushäblichen Wesen allhier in Reutte niederlassen will, ist schuldig, über seine erstandenen Lehrjahre einen ordentlichen Geburts- und Lehrbrief aus einer Bruderschaft, wie solche in Städten und Märkten allgemein gebräuchlich sind, vorzulegen und daraus zu erweisen, daß er sein Handwerk 2 Jahre lang nach Handwerksbrauch redlich ausgelernt hat. Er soll auch keiner anderen als der katholischen Religion sein.

9) Kein Meister, sei er Schneider oder Schuster, darf einen Lehrjungen annehmen, der nicht ehelicher Geburt ist. Im Falle aber einer sich über Geburt und Herkommen genugsam ausweisen tut, soll das Geding des Lehrjungen, wie auch die Ledigzählung des erwanderten Handwerks, im Beisein zweier Meister auf 2 Jahre lang beschehen. Wenn dann der Lehrjunge seine bestimmte Zeit erstanden hat, ist er schuldig, zum Gottesdienst 1 Pfund Wachs zu geben, dagegen soll der Meister nach Ledigzählung des Lehrknaben mit der Wiederannahme eines anderen ein Jahr lang Stillstand halten, jedoch in allweg sollen die Meister verbunden sein, ein ordentliches Verdingbuch zu halten, und soll solche Andingung, mit welcher Condition ein Lehrjunge verdingt wird, ordentlich beschrieben werden, widrigenfalls er zu keinem Meister versprochen werden darf. Woferne ein Schneidergesell oder Schusterknecht mit dem Madören (Prüfung), wie Handwerksbrauch und die Landordnung mitbringt, nicht besteht, alsdann soll er auf demselben Handwerk noch ein halbes Jahr wandern und solches besser erfahren, und hernach mag er vor dem Handwerk wieder um Aufnahme anhalten und demselben vorstehen.

10) Wer nach vollbrachtem Madören (Prüfung) zu einem Meister ausgenommen wird, soll einem jeden in seinem Stand, Armen und Reichen, der ihm Arbeit zubringt und vorlegt, treulich, fleißig und um einen gebührlichen Pfennig arbeiten, wie das von Altersher beschehen, und ihm das Seinige treulich wiederantworten. Wenn aber einer solches überführt und jemand mit seinem Handwerk steigert, übernimmt oder einem das Seinige verdirbt, und solches dem Zunftmeister oder dem Handwerk vorgebracht wird, alsdann sollen die Meister desselben Handwerkes mit 2 verordneten Ratsfreunden und mit dem Büchsenmeister (Kassier) der Lade darüber sitzen, beide Teile gegeneinander anhören, und im Falle der Strafwürdigkeit soll die Strafe nach Erkenntnis der Meister und der beiden Ratsfreunde bestimmt werden.

11) Wenn ein fremder und einheimischer Schuster und Schneider im Gericht Ernberg, er sei ledigen Standes oder nicht, mit gemachter Arbeit bei den Bürgern und Inwohnern von Reutte oder in der Pfarre Breitenwang oder auf der Stöhr betreten wird, alsdann sollen die beiden Handwerke der Schuster und Schneider die Macht und Gewalt haben, denselben aufzuheben, ihm die gemachte Arbeit abzunehmen und ihn mit Hilf und Rat der Obrigkeit der Gebühr nach zu strafen. Nur an den Kirchtagen soll den fremden Schustern feil zu haben vergönnt und erlaubt sein. Und was also von den Strafen eingezogen wird, darüber soll ordentliche Raittung (Rechnung) gehalten und die Strafe für die Kirche und den Gottesdienst angelegt werden.

12) Wenn ein Meister bei dem Handwerk in einem oder anderem sich ungebührlich verhält, soll derselbe nach Erkenntnis der Meister gestraft werden.

13) Wenn auch ein Schneidergesell oder Schusterknecht nach Handwerksbrauch sein Meisterstück nach den Weisungen seines Meisters verrichtet hat, so soll er doch ledigen Standes nicht arbeiten. Dies ist erst nach erfolgter Verheiratung statthaft, Uebertretungen sollen nach Erkenntnis der Meister gestraft werden.

14) Die Schneider und Schuster, so in dem Gericht Ernberg zuhause sind und sich wegen ihrer Kinder oder Lehrbuben in die Bruderschaft zu Reutte einkaufen wollen, sollen nicht ausgeschlossen sein, und wenn die Kinder oder Lehrbuben solcher Meister einen Lehrbrief brauchen, soll ihnen derselbe allhier in Reutte bei einem Handwerk durch die Gerichtsobrigkeit von Ernberg ausgestellt werden. Die im Gericht Ernberg wohnenden Meister des Schuster- und Schneiderhandwerkes sollen gehalten sein, gleichfalls beim jährlichen Gottesdienst zu St. Michaeli zu erscheinen und die von der Bruderschaft vorgeschriebenen Gebühren zu erlegen.

15) Wenn ein Meister oder die Seinigen zu Ostern Beichte und Kommunion verabsäumen, soll ihm sein Handwerk solange, bis diese Pflicht vollzogen ist, eingestellt sein.

16) Stirbt ein Meister dieser Schneider- und Schusterbruderschaft, so soll man seiner verlassenen Witwe auf ihr Begehren einen Gesellen lassen, damit die noch vorhandenen oder künftig überkommenden Arbeiten verfertigt werden können.

17) Es soll auch ein jeder fremde Gesell und Bub, so bei einem Meister in Arbeit einstehen will, Einschreibgeld erlegen, der Gesell 2 Kreuzer, der Bub 1 Kreuzer. Derowegen soll ein jedwedes Handwerk, wie oben gemeldet, ein ordentliches Verdingbuch halten, aber bei dem einen Handwerk soll die Lad und Büchse sein, bei dem anderen der Schlüssel, und soll auch in allweg der jüngste Büchsenmeister sein, und jedes einzelne Handwerk soll seinen eigenen Büchsenmeister erhalten. Was zu jeder Zeit an Strafen oder Einschreibgeld in die Lad oder Büchse fällt, soll zu dem Gottesdienst und zum Nutz der Bruderschaft verwendet werden.

Die hier mitgeteilte Zunftordnung der Schneider und Schuster zu Reutte wurde im Jahre 1708 dem Kaiser Joseph I. vorgelegt, mit der Bitte, dieselbe mit Rücksicht auf den Schaden, den das Handwerk durch den bayrisch-französischen Einfall 1703 und den Brand von Reutte erlitten hat, nicht nur zu bestätigen, sondern auch in einzelnen Punkten zu verbessern. Als Antragsteller zeichneten als Schneidermeister: Franz Schletterer, Lucas Tragseil, Caspar Tiefenbrunn, Georg Kögl, Leonhard Wind, Hilari Hofer, Hieronymus Kögl und Georg Rimbl, als Schustermeister: Peter Hechenberger, Franz Pfeiffer, Johannes Nigg, Martin Lumper, Christoph Schneller, Georg Schletterer, Antoni Nigg, Johann Michael Nigg und Jacob Gärtner.

Joseph I. erteilte den Artikeln mit Brief vom 25. Februar 1708 (Original in der Zunftlade in Reutte) um so bereitwilliger die Bestätigung, als sie 'vor allem zur Beförderung der Ehre Gottes, zur Erhaltung der gebührenden Manneszucht und Ehrbarkeit unter den Handwerkern und zum Nutzen des Landes' eingerichtet seien. Nur fügte er hinzu, daß der Obrigkeit die Mitunterfertigung der Lehrbriefe Vorbehalten sein soll. Auch Kaiser Karl VI. bestätigte am 16. April 1720 die Artikel und Freiheiten der Schneider- und Schusterzunft (Original in der Zunftlade in Reutte).

Am 2. Mai 1725 erschienen in Reutte vor dem Kommandanten und Pfleger von Ernberg, Herrn Johann Gaudenz, Baron v. Rost, die Strumpfstricker Lorenz Rief und Antoni Zobl von Tannheim und Georg Weyrather von Weißenbach und brachten vor, daß sie im ganzen Ernbergischen Pfleggericht dermalen die einzigen Strumpfstricker seien, mithin für sich selbst kein Handwerk mit den gebräuchlichen Artikeln aufrichten können. Weil es ihnen als Uneingekaufte verwehrt sei, auf den Jahrmärkten und Kirchweihen feil zu halten, bitten sie die Pfleggerichts-Obrigkeit als oberste Zunftherrschaft um die Erlaubnis, sich bei dem Schuster- und Schneiderhandwerk in Reutte einkaufen und zünftig machen zu dürfen, damit sie auch Gesellen und Lehrjungen führen können. Diese Bitte wurde bewilligt, bis so viele Stricker in der hiesigen Herrschaft beisammen seien, daß selbige imstande wären, für sich selbst ein Handwerk aufzurichten. Auch das Schuster- und Schneiderhandwerk zu Reutte, in dessen Vertretung die Zunftmeister Michael Nigg, Lucas Tragseil, Martin Lumper und Georg Kögl erschienen waren, stimmte zu, die genannten Strumpfstricker gegen die Gebühr als rechtmäßige Zunft- und Mitmeister aufzunehmen. Da aber die Stricker eine freie oder geschenkte Hantierung waren, was bei den Schustern und Schneidern nicht zutraf, wurden zwischen den beiden Teilen die folgenden besonderen Punkte vereinbart:

1) Sollen die Handwerksgenossen der Strumpfstricker der alten katholischen Religion zugetan und mit keinem ketzerischen Glauben behaftet sein.

2) Wenn die Stricker einen Lehrjungen annehmen wollen, soll derselbe drei Jahre bei einem Meister verbleiben, nachher ist dieser Meister verbunden, drei Jahre lang Stillstand zu halten und keinen dergleichen Jungen anzunehmen. Von diesem Punkt sind jedoch die eheleiblichen Söhne der zunftmäßigen Meister ausgenommen, da dieselben mit kleinem Gelderlag aufgedingt und sogleich ledig gezählt werden können.

3) Soll kein Gesell befugt sein, nach seiner Auslernung Meister zu werden, sondern soll schuldig sein, vorher 3 Jahre lang auf seiner Hantierung zu wandern.

4) Kein Gesell, ledigen oder verheirateten Standes, darf für sich selbst als Uneingekaufter arbeiten, widrigenfalls er gestraft werden soll.

5) Wer Meister werden will, soll ledigen Standes dem Handwerk vorstehen und die Meisterstuck, so ihm das Handwerk angeben wird, machen. Sobald dies geschehen, muß er noch eineinhalb Jahre zur besseren Erlernung seines Handwerkes wandern, und erst dann kann er zur Meisterschaft angenommen werden.

6) Soll auch derjenige, der Meister werden will, wegen seiner ausgestandenen Lehrjahre einen ordentlichen Lehrbrief beibringen und dem Handwerk vorzeigen.

7) Haben die Stricker all dasjenige zu halten und zu vollziehen, wie es an anderen Orten bei dem Strickerhandwerk beobachtet wird.

8) Soll den Strickern außer auf den Jahrmärkten und Kirchweihen das Hausieren bei den Häusern verboten sein. Wer dem zuwiderhandelt, dem soll die Ware verfallen sein. (Urkunde vom 2. Mai 1725 in der Zunftlade in Reutte).

Infolge der bei den Zünften immer mehr überhandnehmenden Mißbräuche und Streitigkeiten erließ Kaiser Karl VI. am 19. April 1732 eine 'General-Handwerksordnung', die so manche Freiheiten schmälerte und der Obrigkeit größere Rechte auf die Handhabung des Zunftwesens einräumte. Diese kulturhistorisch interessante, gedruckte Ordnung, von der sich ein Exemplar in der Zunftlade des Schneider- und Schusterhandwerkes in Reutte befindet, enthält die folgenden Bestimmungen:

1) Die Handwerkszusammenkünfte dürfen nur in Gegenwart eines von der Obrigkeit hiezu Verordneten abgehalten werden. Die ohne landesfürstlichen Consens errichteten Zunft- und Handwerksartikel sind annulliert. Zuwiderhandelnde werden bestraft und für handwerksunfähig erklärt. Sie können erst nach Abbüßung der Strafe mit obrigkeitlicher Bewilligung zum Handwerk wieder zugelassen werden.

2) Um das Auftreiben der Gesellen und deren unvernünftiges Aufstehen und Austreten zu regeln, muß bei den Zünften jeder Lehrjunge so aufgedungen werden, daß er seine Geburtsdokumente in die Meisterlade legen läßt. Wenn er losgesprochen wird, wird der Lehrbrief ebenfalls in die Lade gelegt und dieser bleibt im Original solange dort, bis er an einem Ort sich niederläßt und Meister wird. Begibt er sich auf die Wanderschaft oder will er sich an einem anderen Orte um Arbeit umsehen, so bekommt er nur eine beglaubigte Abschrift des Lehrbriefes mit, gegen Erlag von 30 bis 45 Kreuzer Schreibgebühr, außerdem ein gedrucktes Attestat, in welchem seine Personalien eingetragen sind. Sobald er irgendwo während der Wanderschaft Arbeit bekommt, muß er dieses Handwerks-Attestat und den abschriftlichen Lehrbrief in der dortigen Meisterlade zur Verwahrung niederlegen und solange dort belassen, bis er den Dienst verläßt. In letzterem Falle muß er die Abreise seinem Meister wenigstens 8 Tage vorher anzeigen.

3) Weil bei Bestrafung der Gesellen durch die Handwerke oft Exzesse vorgekommen sind, soll künftig kein Meister allein mehr bestrafen, sondern nur in Verbindung mit den von der Obrigkeit Verordneten. Die Untersuchung muß unentgeldlich geschehen. Bei Strafen von mehr als 1 bis 2 Gulden darf das Handwerk für sich allein nicht judizieren, sondern ist auf die Obrigkeit angewiesen.

4) Wenn ein Gesell seinen Dienst verläßt, muß ihm neben den Urkunden ein neues Attest über sein Verhalten ausgefolgt werden, während das ältere als erloschen gilt. Findet derselbe an dem neuen Orte keine Arbeit, dann ist dies auf seinem Atteste zu vermerken, damit er weiterwandern kann. Bei Verlust des Attestes wird durch die Obrigkeit nach vorheriger Anfrage an der früheren Dienststelle ein neues ausgestellt.

5) Wenn ein Gesell über sein Handwerk schimpft oder sich rächen will oder sich sonst übel verhält, so wird er als ein Frevler und Aufwiegler zur Haft gebracht. Solches Schimpfen und Schmähen wird nach Befinden mit Gefängnis, Zuchthaus oder Festungsbaustrafe belegt, wenn nicht ein öffentlicher Widerruf erfolgt. Begibt er sich aber durch Flucht in fremde Lande, so wird an seinen Geburtsort geschrieben und von den dortigen Gerichten sein Vermögen konfisziert und er als infam erklärt und sein Name an den Galgen geschlagen.

6) Die Zünfte sollen sich keine erste Instanz oder Judikatur anmaßen, denn dadurch ist viel Streit, Eigennutz, Neid und Haß entstanden. Um dem abzuhelfen, sollen Streitigkeiten zwischen Handwerkern und Meistern bei der Obrigkeit vorgebracht werden, die ihnen gemäß den Statuten Rechtsbelehrung erteilt. Dem beschwerten Teil steht der Rekurs an die höhere Instanz offen, wie überhaupt die Gerichte alle Zunftstreitigkeiten ohne weitläufiges schriftliches Verfahren, auch ohne Zulassung eines Advokaten, durch mündliches Verhör schleunigst erledigen sollen.

7) Wegen des Lehrortes soll kein Unterschied gemacht werden, d. h. wenn ein Gesell aus einem Orte kommt, wo eine bestimmte Handwerksordnung besteht, und in dem anderen Orte eine davon verschiedene Ordnung giltig ist, z. B. mehr Lehrjahre festgesetzt sind, so darf deshalb kein Unterschied gemacht werden. Dies gilt auch bezüglich Aufnahme von Gesellen aus fremden Ländern.

8) Von dem Rechte, ein Handwerk zu erlernen, darf niemand ausgeschlossen werden, auch nicht die Kinder der Gerichts- und Stadtknechte oder der Fron- und Turmwächter. Nur die Schinder und Abdecker sind ausgenommen, jedoch mit Vorbehalt der Legitimation ihrer Kinder.

9) Wird ein Meister oder ein Gesell bezüchtigt, etwas Unredliches und dem Handwerk Nachteiliges begangen zu haben, so darf niemand darüber schimpfen, sondern man soll die Sache bei Gericht anzeigen und die dortige Untersuchung abwarten. Wer sich untersteht, der Obrigkeit vorzugreifen und dem Angeschuldigten bei Ausübung seines Handwerkes hinderlich zu sein, wird für unredlich gehalten und von der Handwerksarbeit provisorisch suspendiert.

10) Kein Meister oder Gesell soll einen Jungen in der Lehr behindern. Geschieht dies, so hat sich der Betreffende bei der Obrigkeit zu rechtfertigen.

11) Gesellen, die unter irgend einem Vorwand Aufstand machen, sich zusammenrotten oder rebellieren, werden als große Frevler oder Missetäter mit Gefängnis, Zuchthaus, Festungsbau- oder Galeerenstrafe belegt, unter Umständen sogar am Leben gestraft. Solchen rebellierenden Handwerksburschen darf an keinem Orte Unterschlupf gegeben werden, widrigenfalls die Mithelfer denselben Strafen verfallen.

12) Meister und Gesellen sollen sich gegenseitig nicht schelten. Wenn dies geschieht, so darf der Gesell deshalb nicht aus der Arbeit austreten, sondern muß das gerichtliche Erkenntnis abwarten.

13) Durch die Unterscheidung zwischen Haupt-, Neben- und Viertellade wird viel Konfusion angerichtet, indem ein Handwerk an dem einen Orte sich besser dünkt und die Gesellen an sich zieht, während die Lehr- und die Meisterschaft an anderen Orten für minderwertig gehalten wird. Diese Unterscheidung zwischen Haupthütte ober Hauptlade (in Städten und Distrikten) und Filiallade wird daher aufgehoben. Alle Laden sollen künftighin als gleichwertig gelten.

14) Handwerke verschiedener Orte und Länder, die miteinander korrespondieren, müssen ihre Briefe mit der Signatur der Obrigkeit versehen lassen. Die Gesellen dürfen keine Bruderschaftssiegel führen, auch dürfen keine Meister und Gesellen zu Zünften anderer Orte abgeschickt werden ohne Erlaubnis der Obrigkeit. Um die verbotene Korrespondenz zwischen den Zünften untereinander zu hindern, müssen künftighin die Handwerks- oder Bruderschaftssiegel in obrigkeitlicher Verwahrung bleiben. Die Handwerks-Zusammenkünfte in größeren Orten dürfen nur im Beisein eines Kommissärs der Obrigkeit abgehalten werden.


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