Südlich des Reuttener Talbeckens stehen heute auf den bewaldeten Anhöhen des Gschwendt- und Schlosskopfes die ruinösen Überreste der ehemals größten Festungsanlage Tirols:
- das Fort Claudia
- die Ehrenberger Klause
- das Schloss Ehrenberg
- und der weitläufige Bau auf dem Schlosskopf
Die erste Bauperiode der Anlage
Ehrenberg - als Grenzsicherungsposten nach Norden gegen das Herzogtum Bayern - begann während des Herrschaftszeit Meinhard des II. vermutlich kurz nach 1290 und dauerte bis 1317 an. Zur selben Zeit startete auch der Baubeginn der am Fuße des Burgbergs stehenden
Ehrenberger Klause, welche die meiste Zeit (und im Speziellen während des Bestehens der Haller Salzstraße) für die Einnahme der Wegzölle genutzt wurde, im Kriegsfall aber besonderen Belastungsproben ausgesetzt war. Mit Abschluss der Errichtung von Burg und Klause wird das Gebiet nun nicht mehr „iudicium extra Verren“ (Gericht außerhalb des Fernpass) genannt, sondern fortan als „iudicium Erenberch“ (Gericht Ehrenberg) bezeichnet, welches das Gebiet zwischen den Toren (also zwischen der Ehrenberger Klause und der
Burg bzw. Klause Fernstein am Fuße des Fernpass) und die Großpfarre Breitenwang beinhaltet (das Gericht Aschau, sowie das Lechtal und das Tannheimer Tal gehören zu diesem Zeitpunkt noch nicht dazu). Aufgrund dieser Einnahmen, welche mittels der Klause lukriert werden konnten, erreichte Ehrenberg den Status eines beliebten Pfandobjekts.
Grabstein des Georg Gossembrot (Füssen)
1477 kam
Georg Gossembrot in den Besitz der Pfandschaft des Gerichts Ehrenberg, da er
Erzherzog Sigmund ein Darlehen gewährte. Auf Gossembrots Wirken hin wurde der Warenfluss von der Linie Innsbruck - Zirler Berg - Scharnitz - Augsburg auf die Strecke Innsbruck - Fernpass - Ehrenberg - Augsburg verlegt, woraufhin Reutte 1489 zum Markt erhoben wurde. Später - ab 1490 - agierte Gossembrot bei König Maximilian als Finanzberater - es verband die beiden aber auch eine Freundschaft. Im gesamten Umfeld und Einflussbereich Gossembrots, trat er als Wohltäter in Erscheinung und war beim Volk beliebt. Unter seiner Führung gelangte das Gericht, insbesondere aber Reutte, zu seiner Blüte. Gossembrot und Maximilian teilten aber auch die Liebe zur Jagd und dem Fischfang, wobei die Pflege Ehrenberg zu einem der bevorzugtesten Jagdreviere des Königs zählte und daher oft und gern von Maximilian besucht wurde.
Gossembrot, um 1445 geboren, stammte aus einer wohlhabenden und gebildeten Augsburger Kaufmannsfamilie und studierte ab 1455 in Ferrara. Später ehelichte er die
Radegundis Eggenberger, gab 1473 das Augsburger Bürgerrecht auf, um in den Dienst von Herzog Sigmund von Habsburg-Österreich zu treten [
1].
Auf Ehrenberg wurden zwischenzeitlich über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren umfängliche Baumaßnahmen vorgenommen. Am 11. Juli 1546 fielen aber die Schmalkalden über Füssen in den Talkessel ein, woraufhin die Truppenstärke geringfügig erhöht und 200 Gerichtsuntertanen bestellt wurden, wovon allerdings nur 29 antraten da sie ihre Frauen und Kinder nicht schutzlos zurücklassen wollten! Folglich war es für die feindlichen Truppen ein Leichtes die im Tal gelegene Klause einzunehmen. Die Besatzer konnten die darüber liegende Burg bis zum 4. September halten, wurden aber von der gegenüberliegenden Seite aus (dort wo sich später das
Fort Claudia befinden sollte) von den zu Hilfe gerufenen Tirolern, unter der Führung des Franz von Kastelalt, unter Beschuss genommen.
schlimme Zeiten
Gerade in der Mitte des 16. Jahrhunderts brachen harte Zeiten für die Bevölkerung entlang der Durchzugsstraße an. 1546 wurden im Verlauf des Schmalkaldenkrieges große Verwüstungen angerichtet. Die Menschen etwa in Lermoos, Bichlbach und Breitenwang litten unter Plünderungen und Gewalt. Dies war allerdings lediglich ein Vorgeschmack auf das Jahr 1552, als die Soldaten des Kurfürst Moritz von Sachsen derart wüteten, dass die einfache Bevölkerung in die Wälder und Regionen fernab der marodierenden Truppen floh. Sämtliches Hab und Gut wurde entweder geraubt oder zerstört. Das Vieh für die Versorgung der Streitmacht beschlagnahmt, die Häuser angezündet und die Anbauflächen für die dringend benötigten Nahrungsmittel unbrauchbar gemacht.
Als die Welle der Gewalt mit dem Abzug der feindlichen Soldateska endlich abebbte, fanden die noch lebenden Menschen ein Bild des Schreckens vor. Die Lebensgrundlage war vollends genommen, Leichen säumten die Wege und lagen auf den Schlachtfeldern verteilt umher und viele der Schutzsuchenden erlagen schon in den Wäldern der Not durch Hunger. Auch die Erwerbsmöglichkeiten für das Rodfuhrwesen waren ihnen durch die Wegnahme von Pferden und Wagen genommen worden.
Kriegsrat zur Zeit des schmalkaldischen Krieges
Quelle: wikimedia; Hans Döring; Federzeichnung auf Papier (1545)
Noch dazu suchten sich in der Folgezeit die Händler und Frächter Ausweichrouten für den Frachtverkehr. Viele der Straßen waren unpassierbar geworden und die Bevölkerung kämpfte mit Hunger und Krankheit. Übergriffe aus der Not heraus sind sicherlich nicht auszuschließen. Wer körperlich noch dazu in der Lage war und die nötigen Fähigkeiten als Handwerker besaß, versuchte sich in der Ferne durchzuschlagen.
Die Menschen der Region kamen auch weiterhin nicht zur Ruhe. So werden auch für das Jahr 1555 Kriegszüge durch das Außerfern genannt. Die vom Landtag versprochenen Steuervergünstigungen wurden nicht gewährt, da "die Kammer die Steuern nicht entbehren könne". Selbst die Kräfte für einen notwendigen Wiederaufbau der Wohnhäuser wurde nur allzu oft in Form von Frondiensten auf den Burgen und Schanzen gebündelt.
Claudia de´ MediciLandesfürstin von Tirol (1632-1646)
Die Besatzung flüchtete heimlich und zurück blieb eine schwer beschädigte Burg. Der verantwortliche Pfleger und Hauptmann Jakob von Thun wurde daraufhin sofort durch Tristan Furtentaler ersetzt. Fünf Jahre dauerten die Wiederherstellungsarbeiten an. Doch schon 1552 folgte der nächste Überfall durch Moritz von Sachsen, diesmal konnte jedoch eine feindliche Übernahme der Burg verhindert werden. Allerdings wurde die Klause abermals geplündert und stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Reparaturarbeiten dauerten diesmal „nur“ 3 Jahre. Seitens der Regierung schmiedete man danach zwar Pläne für einen weiteren Ausbau der Burganlage, aber auch zahlreiche Bauten im Hinterland (Zwischentoren). Das Zeitalter der Burgen war aber im Begriff seinem Ende entgegen zu gehen und so wurde die Umsetzung vorerst nicht mehr vorangetrieben.
Der Landesfürst Erzherzog Maximilian III. trachtete neben dem Festungsbau auch danach seinen Grundbesitz zu vergrößern und kaufte im Jahre 1609 um 13.000 Gulden die gesamte Grundherrschaft des Gerichtes Aschau. Unter der Pflegschaft des Burkhart Laymann wurde die Bautätigkeit auf Burg Ehrenberg aufgenommen, wobei während dieser Bauphase beispielsweise der Pulverturm ganz neu entstand. Auch nach dessen Tod gab es zahlreiche Neu- und Umbauarbeiten und bis 1608 wurden mindestens 8.000 Gulden investiert. 1609 ließ Erzherzog Maximilian III. die Klause renovieren. Im Dreißigjährigen Krieg rückten die Schweden 1632 in Richtung Tirol vor, sodass die Wehranlage eiligst fertig gestellt werden musste. Als Bernhard von Weimar die Festung angriff, konnte die Besatzung wiederholt standhalten. Erzherzog Leopold persönlich hatte die Verteidigung angeführt. Da immer noch Gefahr durch die Schweden bestand, wurde 1639 das über dem Tal auf einer Erhebung gelegene
Fort Claudia (zu Ehren der Landesfürstin von Tirol und Urheberin des Forts: Claudia von Medici) errichtet. Der sogenannte Falkenberg stellte sich während der vorangegangenen Überfälle, wie bereits erwähnt, immer wieder als Schwachstelle dar. Moritz von Sachsen soll mit seinen Truppen über den zu dieser Zeit noch unbefestigten Falkenberg die Klause Ehrenberg umgangen haben (historisch nicht gesichert!).
Auszug aus: Herrschaft und Veste Ernberg, Justinian Ladurner (1870); aus dem überlieferten Bericht des Ingenieurs Elias Gump vom 7. April 1645
"...der im Gerichte Ernberg hin und wieder von Mauerwerk und Erde angelegten Fortificationen seien zwar bezüglich der nöthigen Reparaturen und neuanzulegenden Befestigungen [...] genugsame Anträge gemacht, auch was zu vollkommener Schliessung des Ernbergischen Hauptpostens und der demselben angehörigen Confinen (=Grenzen) dienlich und höchst vonnöthen, vorgeschlagen worden, welche theils ins Werk gesetzt, theils ganz unterlassen, theils zwar angefangen aber nicht vollendet worden, wie dann das Fort St. Claudia vermöge gnädigster Ratification der fürstlichen Durchlaucht vom Jahre 1639 auf dem Falkenberge zwar durch ihn gesteckt und angefangen, aber bis dato nicht vollendet worden..."
Als 1703 die Festung von den Bayern eingenommen wurde, war klar, dass auch der in südwestlicher Richtung aufragende Hornberg befestigt werden musste. 1726 wurde also mit dem Bau einer
Festung auf dem Schlosskopf begonnen. Allerdings wurden die Arbeiten für längere Zeit ausgesetzt und somit erst im Jahr 1741 fertig gestellt. 1782 wurde die Burg Ehrenberg endgültig aufgelassen und an eine Privatperson versteigert. Um etwa 1850 hoffte man, der burgenliebende König von Bayern werde die in Privatbesitz befindliche Ruine kaufen und ein Jagdschloss daraus errichten, was sich bekanntermaßen nicht ergab.
Veste Ehrenberg - nach Anton Falger
Um 1705 ließ der Pfleger Johann Gaudenz von Rost im Bereich der Klause eine zweistöckige Kaserne erbauen. Nach Beendigung der baulichen Tätigkeit wurde die Festungsgarnison in dieser Kaserne einquartiert. Um die geistlichen Bedürfnisse der Soldaten zu besorgen errichtete man schließlich in Nachbarschaft zu der neuen Kaserne eine Kapelle - die Klausenkapelle. Zunächst als St. Moritz-Kapelle genannt, wird sie bei ihrem Neubau 1807 dem 'Christus am Stein' geweiht.
Die Messen werden ab dem 15. Mai 1712 von den Padres des Franziskanerklosters in Reutte abgehalten.
Um 1870 lag wohl der größte Teil der Anlage in Trümmern. Das einstige Fort Claudia wurde gar zu einem Stall umfunktioniert und nur in der im Tal liegende Klause wurden noch Räumlichkeiten von Armen bewohnt. Auch von dem einst stolzen Schloss Ehrenberg selbst ragen nur noch Mauerreste in den Himmel. Nichts ist mehr übrig von den einst 4 Kasernen, 16 Offizierszimmern, dem eingerichteten Spital und der dem hl. Nikolaus geweihten Burgkapelle [
2].
Ausferner Bote vom 1. Juli 1926
"Reutte. Wie wir soeben erfahren, beabsichtigt eine aus Mexiko stammende Gesellschaft die Schloßruine Ernberg anzukaufen und dortselbst ein Altersheim für Männer und Frauen zu errichten. Herr Bürgermeister Schretter hat bereits wegen Ankauf der Ruine mit dem früheren, um die Gemeinde hochverdienten Fabriksbesitzer Heinrich Schöner, Besitzer der Ruine, Fühlung genommen und werden wir bei gegebener Zeit über die weitere Entwicklung der Verhältnisse berichten."
Hannes Gasser schreibt zusammenfassend in seinem Buch
"Erlebnis Außerfern" kritisch zu den Ereignissen der Neuzeit:
"...sicher darf man den Tiroler Landesfürsten den Vorwurf machen, dass sie Ehrenberg nur dann wirklich unterstützt haben und sich an die grenzpolitische Funktion erinnerten, wenn sie es brauchten. Dachte niemand an Krieg, so dachte in Innsbruck auch keiner an Ehrenberg..."
Ab 1971 wurde die Ruine Ehrenberg von uneigennützigen Helfern - allen voran
Friedl Schennach aus Reutte - saniert und darüber hinaus im Jahr 2001 die bereits in Vergessenheit geratene Wehranlage auf dem Schlosskopf ausgeforstet und gesichert und ist seit 2002 der Öffentlichkeit zugänglich. Der westliche Flügel der Klause wird seit der Sanierung für das Europäische Burgenmuseum und seine Schauräume genutzt. Den Osttrakt funktionierte man zu einer Arena um, in welcher zahlreiche musikalische und kulturelle Events stattfinden. Seit 2004 wird auch das Ritterfest „Ehrenberg – Die Zeitreise“ im Bereich der Klause organisiert, welches sich sehr großer Beliebtheit erfreut und so Jahrhunderte nach dem Zeitalter der Wegzölle wieder die Kassen der Klause klingen lässt. Seit dem Jahr 2014 verbindet die „weltweit längste Fußgänger-Hängebrücke im Tibet-Style“ (highline179; maximale Höhe 115m, Länge 406m) die Ruine Ehrenberg und das ruinöse Fort Claudia.
Die Schloßfrau auf Ehrenberg
In dem umfangreichen Gemäuer der Schlossruine Ehrenberg ließ sich noch bis in unsere Zeit zuweilen "die Schloßfrau" blicken; ja es gibt in der Gegend jetzt noch Leute, die sich´s nicht nehmen lassen, sie gesehen zu haben, wenn sie auf der Straße nach Heiterwang an dem Schlosse vorbeikamen. Einige gewahrten sie, wie sie hoch auf dem Gemäuer stand, als spähte sie umher; andere erblickten sie in der Nähe des Thorbogens, wo sie, eine Schatulle in Händen, zu erwarten schien, daß man zu ihr hingehe. Vielleicht muß sie den Schatz hüten, der in der Burg verborgen sein soll.Reiser, 1895
Bilder:
Einzelnachweise
1. Der Gossembrot-Handel oder das Kloster Pfäfers in Konflikt mit seinen Schirmherren, Pascale Sutter (2008)
2. Veste und Herrschaft Ernberg, P. Justinian Ladurner (1870); S. 6