Start » Schnippsel » Die ehemalige Ansiedlung auf der Alpe Madau
Die ehemalige Ansiedlung auf der Alpe Madau
(Gemeinde Zams)
Aufsatz des F. Kraft - in 'Allgemeiner Tiroler Anzeiger' vom 30. Oktober 1920; S. 9
Kapelle in Madau (Risch-Lau,
VLB)
Eckhöfe im Madautal
"Zu den zahlreichen abgekommenen Siedlungen in Tirol zählt auch die in die Gemeinde Zams gehörige Alpe Madau. Der alte Staffler fügt der Erwähnung der Alm die Bemerkung an, daß auf der Alm ehemals zwei Einzelhöfe, Madau und Eck (1230 Meter) bleibend bewohnt waren. „Vor mehreren Jahren aber zogen die Leute weg u. nach Bach im Lechtale hinab", fährt er weiter; also ist die Siedlung vor etwa 100 Jahren aufgegeben worden. Verschiedene Urkunden, in den Landecker Verfachbüchern vor 1800 beweisen eine größere Ausdehnung der Siedlung, als sie Staffler vermuten läßt. Über Ausdehnung und Güterzahl ergibt sich daraus freilich nichts Sicheres. Am ehesten könnte darüber für die Zeit des ausgehenden 18. Jahrhundert der mir nicht zur Verfügung stehende theresianische Kataster des Landecker Gerichtes Aufschluß gewähren.
Madau gehört seit jeher zur Gemeinde Zams, kirchlich aber anfänglich zur Pfarre Imst. Die weite Entfernung davon brachte die Zuweisung der Madau zur Pfarre Elbigenalp im Lechtal mit sich (bezeugt in den Jahren 1630, 1645 und 1701 durch Tinkhauser, Beschreibung der Diözese Brixen, 5. Bd., S. 599 und die Verfachbücher Landeck 1644-45 und 1732 Bl. 48); 1745 wird dagegen Zams als Pfarre von Madau erwähnt (Verfachbuch 1745, Vl. 140).
Die Ansiedlung in der Madau dürfte entweder kurz vor 1479 oder bald darnach ins Werk gesetzt worden sein. Am 7. Juni 1479 (Erchtag vor Fronleichnam) gab ein Hans Lang der Pfarrkirche Zams als Grundherrschast für die gegen Darreichung eines jährlichen Zinses gewährte Ueberlassung von MadaU, Sachs und Reichenlaner einen Revers (Archivberichte aus Tirol, 1 . Bd. S. 332, Nr. 1796. Die Originalurkunde liegt darnach im Gemeindearchive Zams).
Die Annahme vom Beginne der Ansiedlung zur damaligen Zeit stützt sich auf das Fehlen von älteren Nachrichten von ihr als dieser und darauf, daß die Madauer bei ihren späteren Streitigkeiten mit der Gemeinde Zams als älteste ihrer Urkunden nur die von 1479 vorlegten.
Hundert Jäher später war die Siedlung größer, im Jahre 1580 lagen die Madauer mit den Zamsern wegen unbefugter Nutzungen der ihnen eingeräumten Baurechte „des Hofs und der Alm in dem Gebirge genannt Madau, Sachs, Reichenberg und die Röht beide samt den Stücken, genannt Unterlede, in dem Gerichte Landeck" im Streite; über Aufforderung des Gerichtes wurde damals die Urkunde von 1479 vorgelesen. Inhaber „der Alm und Güter Sachs" waren 1580 Hans Rideli und Hans Rainer. Rideli hat nach seiner Versicherung einen Teil von Sachs (Sax) von seinem Vater zum Heiratsgut bekommen, einen Teil aber um 150 Gulden gekauft. Die „Güter und Gebirge in Mazigg" hatten damals Wolfgang Koler, Stefan Reusch, Hans Singer und Peter Wolf inne. Koler hatte seinen Besitz „Hof und Gut auf Matzig genannt, in Madau gelegen", 1573 von Hans Ruedele zu Holzgau, dem Gerhaben (Vormund) der sechs ungenannten Kinder des verstorbenen Hans Reichart in Madau um 300 Gulden Rheinisch gekauft; dem Preise nach war das ein ausgedehnter Besitz. 1583 verzeichnet das Landecker Gericht folgenden Viehstand Kolers: 4 Kühe, 2 Stiere, 1 Hailerl (junger, geschnittener Stier), 3 Kälber, 5 Kitze und 4 Bäcke. Ueber Koler und seinen Besitz ist aus einem besonderen Grunde etwas mehr überliefert. Er hatte sich auf Einfluß seines Bruders mit seiner Familie der Wiedertäuferei angeschlossen und deshalb 1582 Tirol verlassen müssen. Sein Gut verfiel dem Fiskus, der es durch den Pfleger, Gerichts-Vorsteher Leonhard Gienger in der Hoffnung auf eine Rückkehr Kolers innerhalb Jahresfrist den Brüdern Peter und Hans Wolf zu Madau auf ein Jahr verpachtete. Der Fiskus suchte dann das Gut an die Anzeiger Kolers, zwei Kammerschreiber in Innsbruck, zu verkaufen (Akten darüber im Innsbrucker Landesregierungsarchiv, Amraser Akten 1583).
In der Redt war damals ein Pächter, Christian Singer. Alle diese Güter lagen nach dem Verfachbuche von 1580 in der Madau.
Im Jahre 1606 zählten zu dem „in die Baurecht des Lehens in Madau" gehörigen Besitz des außer Land geflohenen Georg Singer folgende Stücke: Ein Haus mit Stadel, Stallung , Hofmark samt einem Angermahd das Hag, in Madau in Mazigg gelegen. Angrenzer waren im Osten, Süden und Westen Wolfgang Scharf, im Norden der Maziggerbach. Mit anderen aufgezählten Anger- und Bergmähdern kostete der Hof damals schon die bedeutende Summe von 800 fl.; Pfarrkirche und Gemeinde Zams bezogen 1 fl 12 kr. jährlichen Grundzins davon. Der Besitzer Georg Singer traf der Verdacht der Falschmünzerei der ihn unter Zurücklassung von Frau und Kindern zur Flucht aus dem Lande veranlaßte (Verfachbuch 1606, Bl. 284—287).
1630 geht gelegentlich einer Streitverhandlung mit den Zweiteilen des Gerichtes Landeck (am 20. November 1630) ganz allgemein die Rede von den Nachbarn in Madau. Die Kläger warfen den Madauern Uebertretung der alten Vergleiche vor, begangen unter anderem auch dadurch, daß die Geklagten neue Behausungen und Feuerstätten erbauten, obgleich nur eine Behausung vergönnt und zugelassen ist. Das Gericht trug den Madauern zu anderm auf, „die zwei jüngst wider die Verträge erbauten Behausungen bis Georgi 1631 von Grund aus abzubrechen" (Verfachbuch 1330). Die Madauer taten das offenbar nicht, sonst könnten 1657 nicht „die am unteren Hof in Madau", dann die Egghöfer und Saxer Vorkommen (Verfachbuch 1657). Ein Vergleich dieser Nachrichten mit einem Landecker Kataster von 1627 bezw. 1638 ergibt keine rechte Uebereinstimmung beider Quellen. Bei der 1627 erfolgten Anlage des Katasters fanden Madauer Güter keine Berücksichtigung. 1638 wurde der Kataster geprüft. Damals kam auf Blatt 204 ein allgemein gehaltener Nachtrag hinzu, der besagt: „Folgen die Güter in Madau, der Gemeinde oder Gedingstatt Zams inkorporiert. Als ein Hof, der Mattighof genannt, mit dessen Rechten und Gerechtigkeiten angeschlagen per 1800 fl.; mehr ein Hof, der Rethof genannt, und Alb Sachs per 600 fl.; dann die Bergmähder, 70 die Singerischen innenhaben und die von den Nachbarn zu Zams erkauft sind, per 100 fl." Das Gericht wich hier von der Gepflogenheit, Einzelbesitz und Lasten genauer einzutragen ab, vielleicht mit Rücksicht auf eine wirtschaftlich schwierigere Lage der Madauer.
1649 erscheint das Gebiet von Madau in Viertel eingeteilt; das allein genannte vierte Viertel bildeten die Nachbarn auf Retegg und Sax. Damals stritten die Gemeinde Zams und die Nachbarn in Madau wegen der letzteren Beitrag zu den Kriegs-, Straßen-, Weide- und Zuzugs(Landsturm)kosten. (Verfachbuch 1649, Vergleich vom 27. Juni 1649.)
An einem am 8. Oktober 1653 abgehaltenen Ehehalt und Gemeindetaiding (Gemeindeversammlung) zu Zams nahmen auch die Madauer teil; es wurde dabei ein Streit zwischen den Zamsern und Madauern wegen Wun und Weide ausgetragen (Verfachbuch 1653, Bl. 200—206).
1666 lesen wir von einem neuerlichen Streite zwischen der Gemeinde Zams und den Madauern (Verfachbuch 1666, Bl. 269-r-273).
Eine eigene Sache ist es um den Egghof in Madau; er dürfte schon im 17. Jahrhundert als Siedlung wieder aufgegeben worden sein. Auffallenderweise werden nämlich 1665 schon gleich fünf Inhaber des Egghofes genannt: Christian Lang, Oswald Scharf, Georg Schneller, Christian und Lukas Wolf, den Namen nach alles Lechtaler. Die Güter des Egghofes waren demnach damals aufgeteilt. Bestimmt unbesiedelt waren die Egghofgüter hundert Jahre später. Ein am 18. Oktober 1774 um den Schwäblwald in Madau abgeschlossener Kauf räumt dem Käufer das Recht zum Einlegen des Waldabnutzens ind die Behausung des Egghofes ein. Käufer und Verkäufer sitzen auch nicht in Madau (Verfachbuch 1774, Bl. 574). Damit stimmt ein Verkauf des Egghofes vom 7. April 1785 durch Johann Hel in Unterbach im Lechtale an seinen Sohn Karl in Stockach überein; der Vertrag führt beim Zugehör ein Haus mit Heustadel auf, aber keine Stallung (Verfachbuch 1785, Bl. 608).
Die im 16. und 17. Jahrhundert zeitweise auftauchenden Streitigkeiten zwischen den Leuten von Zams und Madau verstummen im 18. ganz. Bloß einige Kaufverträge geben noch Nachricht über die Ansiedlung in Madau; andere Urkunden überliefern noch zu erwähnende Namen von Madauern.
Am 31. Jänner 1742 verkaufte zu Madau ein Bartlmä Wolf seinem Sohne Peter ein ganzes Haus mit Kasten und Hofmark, 5 Kühen usw., dann den ihm gebührenden Anteil am Hause seines Vaters Adam Wolf, alles um 1340 fl. Im gleichen Jahre überläßt Johann Wolf in Madau seinem Tochtermann Anton Kerber, gebürtig von Parsier, Pfarre Fließ, nun in Madau, ein Haus mit Stadel, Stallung, Kasten usw. um 1000 fl. (Verfachbuch 1742, Bl. 638 und 645—650). Diesen Käufen schließt sich ein Besitzübergang vom 23. März 1743 an, in dem es sich um ein halbes Haus mit Stallung in Madau handelt; also auch da Häuserteilung. Im gleichen Jahre — am 22. Jänner — ändert „ein in der Inmadau auf der Wiesen stehendes Haus" mit Einrichtung und Baufahrnissen den Besitzer. Das Jahr 1743 ist an Nachrichten über Madauer Güter etwas ergiebiger; die Häuser haben Stadl und Stallung, waren daher bewirtschaftet (Verfachbuch 1743, Bl. 596, 598, 602, 604, 613). Ein reger Wechsel von Madauer Grundstücken (Weiden usw.) fand 1745 statt. In diesem Jahre sitzt auf dem Mazigghofe in Madau ein Josef Schoch (Verfachbuch 1745, Bl. 140, 142, 145, 151, 365). Auch in Madau wurden die Güter zu klein; ein Beispiel einer Häuserteilung kennen wir schon; zu ihm kommt eines von 1763, in dem auch Stadel und Stallung die Teilung mitmachten (Verfachbuch 1763, Bl. 219).
Das sind die Nachrichten über Madauer Güter; ihnen reihe ich noch in jahrweiser Ordnung die gefundenen Namen von Madauern an. 1479 Hans Lang, 1580 Hans Rainer und Hans Rideli, Inhaber der Alm Sax; Wolf Koler, Stefan Reusch, Hans Singer und Peter Wolf, alle Inhaber der Güter und Gebirge in Mazigg, Christian Singer, Pächter in der Reedt. Ob diese alle in Madau hausten, ist zweifelhaft.
1606 Georg Singer, Besitzer eines Hofes in Mazigg in Madau; seine Frau war Barbara Groß; Kinder: Christian, Georg, Hans, Katharina, Margareth, Melchior, Oswald und Peter. Das Gut kaufte am 31. Okt. 1606 Oswald Singer in Madau; Zeuge dabei war Wolf Scharf in Madau (Verfachbuch 1606, Bl. 284 — 290).
1630 zählten zur Nachbarschaft Madau: Jeremias Laiß, Hans Lang, Hans Jakob Riml, Hans Scharf, Christian und wieder Christian, Hans und Melchior Singer, Kaspar Weissenbach, Hans und Peter Wolf (Verfachbuch 1630, Bl. 270—272).
1645 Peter Wolf, Maurer, Sohn der verstorbenen Eheleute Peter Wolf und Elisabeth Bader in Madau gehaust, erhält am 7. Februar 1645 für sich und seine Geschwister Christian, Christof, Elisabeth, Hans, Johann, Martin, Sigmund und Ursula einen Geburtsbrief. Peter will im Vintschgau bleiben; seine Eltern hatten in Elbigenalp im Lechtale, wohin Madau eingepfarrt war, geheiratet und sich dann in Madau niedergelassen (Verfachbuch 1644-45). Nebenbei sei bemerkt, daß das Vorkommen des gleichen Taufnamens für zwei gleichzeitig lebende Mitglieder einer Familie ein damals und im 18. Jahrhundert allerdings nicht häufig geübter Brauch war.
1649 sind Georg Scharf, Hans und Oswald Singer, Balthasar, Hans und Thomas Wolf Vertreter von drei Vierteln der Madau (Verfachbuch 1649 Juni).
1651 Christian Wolf, Bruder des 1645 angeführten Peter Wolf erhält am 5. Februar 1651 vom Zimmermeister Bartlmä Walser zu Bruggen (Landeck), bei dem er 1635 als Lehrling eingetreten, ein Lehrzeugnis (V. 1651, Bl. 35). 1653 lassen sich die Madauer von ihren Mitnachbarn Georg und Hans Scharf, Abraham, Christian und Hans Singer, Balthasar, Hans, Martin und Thomas Wolf vertreten (Verfachbuch 1653, Bl. 200—203); 1657 werden als Madauer namentlich genannt Hans Singer, Lehenträger der Madauer, Hans Pader, Georg und Hans Scharf, Christian und Hans Singer, Balthasar, Christian, Hans, Martin und Thomas Wolf (Verfachbuch 1657, Bl. 248—254). 1658 Hans Wolf, Maurermeister in Madau (Verfachbuch 1653, Vl. 446). 1665 von den Inhabern des Egghofes in Madau ging schon die Rede. 1666 Vertreter der Nachbarn zu Madau sind Jakob Lang, Adam und Oswald d. ä. Singer, Hans Wolf (Verfachbuch 1666, Vl. 260-273).
Von der Aufzählung der aus dem im 13. Jahrhundert überlieferten Namen kann ich wohl absehen. Von 1735 an erfreuten sich die Madauer eines eigenen Verfachschreibers und Vertreters der Gerichtsobrigkeit in der Person des Madauers Christian Singer; er führte sein Amt fast 30 Jahre lang; seine schwer lesbare Schrift paßt nicht recht zu seinem Amte; aber die andern Madauer werden eben nicht besser geschrieben haben. 1786 war Peter Wolf in Madau Verfachschreiber (Verfachbuch 1786 Bl. 833). Am 3. Oktober 1797 wird mit Josef Anton Wolf, im Gerichte Ehrenberg ansässig, ein neuer bestellt. Der Akt begründete diese Maßregel mit der weiteren Entfernung von Madau vom Gerichssitze Landeck und mit der rauhen Lage, die namentlich im Winter ein Wegkommen von dort unmöglich mache (Verfachbuch 1797, Bl. 209).
Damit sind die kurz zusammengefaßten Nachrichten aus den Landecker Verfachbüchern von 1800 erschöpft; welche der zahlreichen, einer so hoch- und abgelegenen Siedlung ungünstigen Verhältnisse das Aussterben der Madauer herbei führten, geht daraus freilich nicht hervor. Wie mannigfache Schwierigkeiten den Bestand einer solchen Besiedlung bedrohen, das zeigt kurz Professor Wopfners Aufsatzreihe „Der Rückgang bäuerlicher Siedlungen in den Alpenländern" (in den Tiroler Stimmen von 1917). Die Zamser und die Leute des Gerichtes Landeck mochten mit dem Abkommen der Madauer Siedlung nicht unzufrieden gewesen sein, falls sie die Gesinnung ihrer Vorfahren des 16. und 17. Jahrhunderts gegen die Madauer geerbt hatten. Letztere kümmerten sich anscheinend nicht viel um die Rechte der weit entfernten Zamser, sodaß diese schon im 17. Jahrhundert bei Streitverhandlungen die Madauer abzuschaffen, d. h. wegzubringen sich bemühten."