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Tod einer Auswanderin (1929)
Aus: Außferner Bote vom 27. März 1929
Ehenbichl. Fern von der Heimat verschied in Luis im brasilianischen Staate Sao Paulo (Südamerika) im Alter von 43 Jahren Frau Maria Rainer geb. Hohenrainer aus Mühl an einem Nervenleiden. Die Verstorbene wanderte am 17. September 1925 mit ihrem Gatten Herrn Schneidermeister Josef Rainer und 10
Kindern nach Südamerika aus. Schon auf der Ueberfahrt litt sie an starken Nervenanfällen, welche allerdings in den letzten zwei Jahren nachließen; doch trat an deren Stelle eine immer mehr und mehr wirkende Lahmlegung der Nerven. Am 13. Jänner d. J. schenkte sie einem Mädchen das Leben, welches zu ihrem Andenken den Namen Marie erhielt. Zwei Tage später verschlimmerte sich das alte Leiden derart, daß sie zu phantasieren begann und am 21. Jänner in den Armen ihres Mannes sanft entschlief. Ihre Nerven waren gänzlich zerrütet. Nun hat Gott die fern von der Heimat Verstorbene in die ewige Heimat aufgenommen. Ihre sterbliche Hülle wurde am Friedhofe in Luis beigesetzt. Die Zeremonien gestalteten sich so einfach als möglich, ist ja auch die dortige Kirche nur ein größeres Haus, an deren Stelle sich noch vor wenigen Jahren der Urwald ausbreitete. Von den Kindern der Dahingegangenen haben sich bis jetzt vier verehelicht. Eine Tochter, namens Hermine verlor kurz nach dem Tode der Mutter ihren Mann. Ein Kind starb schon bei der Ankunft in Luis im Alter von dreiviertel Jahren, weil es das Klima nicht ertragen konnte.
São Luiz do Paraitinga
Governo do Estado de São Paulo, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Aufgrund der wirtschaftlichen Notlage nach dem Krieg im Raum Mitteleuropa und dem Umstand, dass am 12. Mai 1888 die Sklaverei in Brasilien verboten wurde, wurden zahlreiche Landarbeiter angeworben. Der Bundesstaat São Paulo war im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert somit ein Hauptanziehungspunkt für Einwanderer in Brasilien, insbesondere aufgrund des wirtschaftlichen Booms durch den Kaffeeanbau. So wanderten beispielsweise in den Jahren 1920 bis 1929 mehr als 12.000 Österreicher (aus Preussen / Deutschland waren es knapp 76.000 Personen) in dem südamerikanischen Land ein[
1].
Einzelnachweise
1. Bundeszentrale für politische Bildung (
bpb.de)